Verkehrsminister Hermann wehrt sich gegen die Kritik, er habe nicht genug für den Straßenbau getan. Foto: dpa

Verkehrsminister Winfried Hermann bekräftigte im Landtag, dass er ab Mai 2016 auf zwei Autobahnabschnitten im Land einen Modellversuch mit Tempo 120 testen will. Eine Ankündigung, in der Trotz mitschwingt. Und das nicht ohne Grund.

Stuttgart - Wer in diesen Tagen auf der Bodensee-Autobahn unterwegs ist und sich freut, zwischen dem Kreuz Hegau und dem Dreieck Bad Dürrheim ohne Beschränkungen aufs Gaspedal treten zu können, wird sich schon bald umstellen müssen. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat am Mittwoch im Landtag bekräftigt, dass er ab Mai nächsten Jahres auf diesem Abschnitt der A 81 sowie zwischen Achberg und Aitrach auf der A 98 eine Tempobegrenzung von 120 Stundenkilometern testen will. „Wenn es der Bund nicht machen will, machen wir das halt alleine“, sagte der Minister.

Eine Ankündigung, in der Trotz mitschwingt. Und das nicht ohne Grund. Hermann und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) leisten sich seit Monaten ein Scharmützel um den Test. Während der Bayer darauf verweist, dass ein solches Tempolimit nur der Bundesverkehrsminister „erlassen darf“, sieht Hermann das anders. Der Modellversuch müsse „nicht vom Bundesverkehrsministerium genehmigt werden“. In der Straßenverkehrsordnung sei festgelegt, dass man als Land sehr wohl Verkehrsbeschränkungen erlassen dürfe, um Sicherheitsfragen zu klären. Die zuletzt gute Entwicklung bei der Verkehrssicherheit würde stagnieren, und deshalb müsse man prüfen, „wie es künftig noch weniger Unfälle geben kann“.

Der Fall zeigt einmal mehr auf, dass Hermann niemand ist, der Auseinandersetzungen unbedingt aus dem Weg geht. Seit Wochen sorgt er immer wieder für Schlagzeilen. Mal denkt er laut darüber nach, zum Beispiel im Ballungsraum Stuttgart Abgasmessungen im Straßenverkehr einzuführen, was sogar seinen Parteifreund, Stuttgarts OB Fritz Kuhn, erzürnte. Mal geht es um die City-Maut. Mal geht es um die schleppende Genehmigung der Lang-Lkw.

Scharfe Kritik von der CDU

Dass jüngst nun das Gutachten zur Straßenbauverwaltung bekannt geworden ist und die Expertise ziemlich schlechte Noten für die internen Strukturen ausweist, sorgt nun für neuen Ärger. Es sei „ein Skandal“, dass der Minister seit Jahren um die Missstände in der Verwaltung – gerade im Personalbereich und beim Mitteleinsatz – gewusst habe, aber nichts unternommen wurde, sagte FDP-Verkehrsexperte Jochen Haußmann am Mittwoch im Landtag. Hermann schade mit seiner Art der Verkehrspolitik „dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, und er verunsichert die Verbraucher“. Dass er nun auch noch auf insgesamt 80 Kilometern ein Tempolimit testen wolle, sei „die pure Schikane“ und zeige das wahre Gesicht des Ministers, „der sich lieber um Radsternfahrten statt um die Straßenpolitik kümmert“.

Auch CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi erneuerte ihre Kritik am Minister und nannte das Gutachten ein Eigentor. Fünf Jahre über Probleme Bescheid zu wissen, aber nichts dagegen zu unternehmen, sei peinlich. Und nun noch das geplante Tempolimit? „Unsere Freiheit ist uns wichtiger als Ihre Gängelei“, meinte Razavi und sprach von „Bevormundungspolitik“. Offenbar sei dies der Anfang „zu einem generellen Tempolimit“, das der Minister „durch die Hintertür“ anstrebe.

Kein Zweifel: Die Gräben zwischen Opposition und Koalition beim Thema Straßenverkehr sind tiefer denn je. Andreas Schwarz (Grüne) betonte, Baden-Württemberg sei „ein Autoland, aber eben auch ein Bus- und Bahnfahrerland“. Das Wehklagen der Opposition über fehlende Investitionen in den Straßenbau sei Unsinn. Allein 2014 habe Grün-Rot eine Milliarde Euro investiert. Und man plane noch mehr. Zum Beispiel jeweils 50 neue Stellen in der Straßenbauverwaltung in den Jahren 2017, 2018, 2019. Aber auch bei den Sachmitteln, wenn denn die Bundesregierung endlich ihren Bundesverkehrswegeplan vorlegen würde. Es ist eine Art Fahrplan, für welche Projekte der Bund in den nächsten Jahren Geld geben wird. Doch die Länder warten seit Monaten vergeblich auf das Papier. Allein Baden-Württemberg hat 150 Projekte mit einem Gesamtvolumen von elf Milliarden Euro angemeldet. Nur ein Bruchteil davon wird sich realisieren lassen. Zur Kritik an Hermann bestehe aber kein Grund: „Er macht verantwortungsvolle Politik.“

Verkehrsminister Hermann geht in die Offensive

Hermann selbst hört sich die Grundsatzdebatte am Mittwoch um sein Haus und seine Person erst einmal geduldig an. Dann geht er in die Offensive. Der Tempolimit-Versuch betreffe gerade mal sieben Prozent der Autobahnstrecke im Land, niemand müsse sich deshalb in seiner Freiheit eingeschränkt fühlen. Er beteuert, dass solche Einschränkungen „nicht fürs ganze Land“ angedacht seien, „weitere Abschnitte“ seien aber durchaus denkbar. Und der Straßenbau? Man habe „Rekordsummen investiert“, die CDU bewege sich mit ihrer Haltung „aber noch in den 70er Jahren“, Grün-Rot betreibe stattdessen „nachhaltige Verkehrspolitik“, zu der eben neben dem Auto auch das Rad und der Öffentliche Personennahverkehr gehöre.

Und das Gutachten? Ja, räumt er ein, da gebe es „Schnittstellen, die nicht richtig funktionieren“. Ob es am Ende einen Landesbetrieb geben wird, wie ihn die SPD gerne hätte und in dem die Zuständigkeiten aus den Regierungspräsidien, Landratsämtern und Ministerin gebündelt werden könnten, lässt er offen. „Ich bin da skeptisch“, sagt er nur. Für den Koalitionspartner SPD bleibt das hingegen „eine Option“, wie deren Verkehrsexperte Hans-Martin Haller klarmacht. Aber das, so Haller, „wird erst nach der Wahl geprüft“.