Die 104 Fahrgäste konnten über eine Leiter an das Ufer geholt und später mit Taxis zur Stadtbahn gebracht werden. Foto: 7aktuell.de/Simon Adoma/t

Bei einer Schifffahrt des Anbieters „Neckar-Käpt’n“ fällt am Sonntag die Technik aus, das Schiff „Neckarperle“ treibt gegen das Ufer. Der Betreiber sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, das Boot sei schon zu Fahrtbeginn in einem „desolaten Zustand“ gewesen.

Seinen Sonntagsausflug hatte sich Kai Müller (Name geändert) anders vorgestellt. Gemütlich wollte der 45-Jährige mit seiner Frau und seinen drei Kindern mit einem Neckardampfer über den Fluss schippern. Doch es wurde eine Fahrt mit einem defekten Ersatzschiff, das ein paar Stunden nach der Abfahrt havarierte. Alle Passagiere mussten das 1975 gebaute Schiff verlassen. „Das war eine Chaosfahrt auf dem Neckar“, sagt Müller im Gespräch mit unserer Redaktion. Dass es ein Problem mit dem Steuer gegeben hat, habe der Stuttgarter bereits beim Ablegen in Mühlhausen bemerkt.

Das Schiff sei einen Schlingerkurs gefahren. „Wir sind immer wieder gegen die Schleusenwände gestoßen“, sagt Müller. „Es war besser für ältere Menschen, wenn sie saßen.“ Seine Frau sei sogar seekrank geworden auf dem eigentlich recht ruhigen Neckar. Irgendwann habe der Kapitän dann Haltestellen unangekündigt ausgelassen. Den Grund dafür hätten die Passagiere nicht erfahren. Wie andere Fahrgäste kritisiert er, dass es über die Sprechanlage an Bord keine Informationen darüber gegeben habe, dass es einen technischen Defekt an der Schiffssteuerung gab.

„Das Schiff war in einem desolaten Zustand“

Gleich zu Beginn der Fahrt habe Müller gemerkt, dass der Ausflug nicht wie angepriesen abläuft. „Das war ein Rostkahn, auf dem Dach war noch viel Vogelkot zu sehen“, sagt Müller. „Die Toiletten haben gestunken.“ Außerdem sei überall Lack abgeblättert und habe an seiner Kleidung und den Händen seiner Kinder geklebt, sagt Müller. „Das Schiff war in einem desolaten Zustand.“

Jens Caspar, Geschäftsführer des Neckar Käpt’n, dementiert die Aussagen. Die Neckarperle sei erst 2022 renoviert worden, auch der TÜV sei neulich auf dem Schiff gewesen. „Es bestehen keine Sicherheitsmängel“, sagt Caspar. Dass manche Haltestellen ausgelassen wurden, liege daran, dass dafür keine Passagierbuchungen vorlagen. Man bedauere den Vorfall, technische Störungen gebe es aber bei jedem Verkehrsmittel.

Knapp vier Stunden sei die Familie mit dem Schiff unterwegs gewesen, als sie gegen 14 Uhr mit einer Stunde Verspätung in Marbach ausstiegen, erzählt Kai Müller weiter. Wenig später ging gar nichts mehr. Die Neckarperle, die einstmals Neckarbummler hieß, musste auf dem Rückweg von Marbach zur Wilhelma in Stuttgart einen Nothalt einlegen. Der Grund: laut Betreiber ein gerissener Keilriemen, der den Generator der Steuerung antreibt. Das Schiff ließ sich somit nicht mehr lenken. Der Keilriemen der Neckarperle sei noch in der Woche zuvor ausgetauscht worden, wundert sich Caspar. Nachträglich habe er erfahren, dass dabei kein Neuteil verwendet wurde. „Wir dulden nicht, dass gebrauchte Teile verbaut werden.“ Man prüfe nun, wie es dazu kam.

Schiff wird für Ersatzzwecke genutzt

Nachdem der 33 Meter lange Kahn ungehindert leicht gegen das unbebaute Ufer prallte, konnte der Schiffsführer nach Angaben der Polizei den Schaden vorübergehend beheben und schließlich bei Remseck-Hochberg anlegen. Die Wasserschutzpolizei, die Feuerwehr Remseck und die DLRG halfen bei der Rettung der 104 Fahrgäste, die mithilfe einer Leiter an das Ufer geholt wurden. Mit Taxis und Mannschaftstransportwagen der Feuerwehr Remseck wurden die Passagiere zur Haltestelle in Remseck-Neckargröningen gebracht.

Eine leichtverletzte Küchenmitarbeiterin, die in der Aufregung auf ihr Knie gefallen war, wurde von der DLRG und dem Rettungsdienst von Bord begleitet.

Das Schiff war bislang jenseits von Heilbronn unterwegs. Seit Neckar-Käpt’n diese Linien aus dem Programm genommen hat, wird das Schiff für Ersatzzwecke und Events eingesetzt. Die MS Wilhelma, die eigentlich zwischen Stuttgart und Marbach fährt, liegt noch bis kommende Woche auf der Werft.

TÜV war erst vor Kurzem auf dem Schiff

Ein Fahrgast berichtet unserer Zeitung, dass es einen ähnlichen Vorfall schon einmal gab. 2022 sei ein Schiff von Neckar-Käpt’n auch aufgrund technischer Probleme gegen das Ufer und dann im Schlingerkurs den Neckar entlang gefahren. Er und seine Freunde seien daraufhin früher ausgestiegen.

Wie lang die Reparatur des Keilriemen dauert und ob diese Auswirkungen auf den Fahrplan haben wird, kann Caspar derzeit noch nicht sagen. Es werde der Druck erhöht, dass die MS Wilhelma jetzt möglichst schnell fahrtüchtig gemacht werde.

Für Kai Müller und seine Familie war es die letzte Fahrt mit einem Schiff von Neckar-Käpt’n. Andere Gäste nehmen die Stopps und den Schlingerkurs mit Humor. Mit der Neckarperle, die auf 250 Personen ausgelegt ist, mache sie jetzt immer einen Sonntagsausflug, „da ist was los“, sagte eine Frau, bevor sie in den Bus der Feuerwehr stieg.

Anmerkung der Redaktion:

Die Neckar-Personen Schifffahrt Berta Epple GmbH & Co. KG legt Wert auf die Feststellung, dass die Schiffe in Schleusen an die Schleusenwand stoßen würden, weil sie an den Schleusenwänden befestigt werden und die Taue während des Schleusenvorgangs neu festgezurrt werden müssten. Die Schiffsbesatzung habe, nachdem der technische Defekt festgestellt wurde, mit großer Umsicht und Sachkunde alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Abblätternder Lack sei dem Unternehmen nicht bekannt.