Dass von Freitagmorgen an die ersten Warnstreiks beginnen, ist ausgemachte Sache. Foto: dpa

Die dritte Runde des Lohnpokers von IG Metall und Arbeitgeberverband am Donnerstag bietet wenig Hoffnungen auf einen Erfolg. Die Warnstreiks stehen kurz bevor. Dabei treffen sich die Kontrahenten ausgerechnet in Pforzheim, wo vor zwölf Jahren Tarifgeschichte geschrieben wurde.

Pforzheim - Sozusagen auf historischem Gelände treffen sich IG Metall und Südwestmetall am Donnerstagnachmittag: Das Congress-Centrum in Pforzheim ist Schauplatz der dritten Verhandlungsrunde in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie. Doch einen tarifpolitischen Meilenstein wie am 12. Februar 2004 werden sie diesmal keinesfalls setzen. Es wird wohl nicht einmal ein ernsthafter Lösungsversuch gemacht werden. Vielmehr ist das Treffen lediglich eine Durchgangsstation. Um Mitternacht endet die Friedenspflicht – dann dürfen die Warnstreiks beginnen. Dass es diese geben wird, daran lässt die Gewerkschaft keinen Zweifel, und die Metallarbeitgeber haben sich insgeheim längst damit abgefunden.

Fünf Prozent fordert die IG Metall – eine moderate Forderung, wie sie meint. Zugleich ermahnt sie den Arbeitgeberverband, sein „lächerliches“ Angebot von 0,9 Prozent Entgeltsteigerung sowie 0,3 Prozent Einmalzahlung „erheblich nachzubessern“. Ansonsten drohten vom 29. April an flächendeckend Arbeitsniederlegungen, so Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. „In einer guten wirtschaftlichen Situation lediglich 0,9 Prozent Entgeltsteigerung anzubieten, lässt in Sachen Realismus tief blicken“, moniert er. „Tatsächlich ignoriert Südwestmetall jedes unserer Argumente und behauptet einfach das Gegenteil. Das ist unseriös und zeugt von keiner ernsthaften Auseinandersetzung.“ Doch mit einer Nachbesserung des Angebotes ist nicht zu rechnen, daher wird die IG Metall nicht lange fackeln.

Vor Beginn der Verhandlungen wird dies schon deutlich werden – da sind ein Demozug und eine Kundgebung geplant. Zitzelsberger dürfte dies schon zum Anlass für eine Kampfansage nehmen. Absehbar ist jedoch, dass sich die Arbeitgeber davon nicht beeinflussen lassen. Sie streben nicht weniger als eine Trendumkehr in der Lohnpolitik an. Wegen des dauerhaften „Trends zu niedrigen Zuwächsen bei Produktivität und Inflation“ müsse sich die Tarifpolitik umstellen. „Die Zeiten für nominal hohe Forderungen und Abschlüsse sind erst einmal vorbei“, mahnt Südwestmetall-Chef Stefan Wolf: „Die IG Metall-Spitze würde sehr verantwortlich handeln, dies auch ihrer eigenen Klientel zu vermitteln.“

Das „Pforzheimer Abkommen“ hat Geschichte geschrieben

Vor zwölf Jahren wurde an gleicher Stelle nicht gedroht, sondern intensiv um einen Kompromiss gerungen – mit Erfolg: Der im November 2014 verstorbene, damalige Südwestmetall-Vorsitzende Otmar Zwiebelhofer und der heutige IG-Metall-Chef Jörg Hofmann vereinbarten das sogenannte „Pforzheimer Abkommen“ und beeinflussten damit das Tarifgeschehen der Metallindustrie massiv. Es modernisierte die Tarifautonomie und war die Grundlage für viele differenzierte Tarifabschlüsse. Denn zugleich mit der Lohnsteigerung von 2,2 und 2,7 Prozent erdachten Zwiebelhofer und Hofmann auf Druck der Arbeitgeberseite einen Kodex, der die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland stärken sollte. Demnach konnte auf betrieblicher Ebene erstmals von allen Elementen der Tarifverträge abgewichen werden, um Arbeitsplätze oder Standorte zu sichern oder konkrete Investitionen zu ermöglichen. Das „Pforzheimer Abkommen“ wurde 2008 in das bestehende Tarifwerk integriert und zu einem neuen Vertrag zu Beschäftigungssicherung und -aufbebeau zusammengefasst. Die IG Metall erlebte fortan schwerste Auseinandersetzungen um das Abkommen – erst nach einigen Jahren verstummten die Kritiker.

Meilensteine wird die aktuelle Tarifrunde keinesfalls setzen. Erstmals werden die regionalen Verhandlungen an diesem Donnerstag parallel ausgetragen. Bereits am Morgen treffen sich in Neuss bei Düsseldorf die nordrhein-westfälischen Unterhändler. Was dort passiert, ist womöglich von Belang – der Bezirk NRW könnte dem Südwesten diesmal die Rolle als Pilotbezirk streitig machen. Doch ohne Warnstreiks wird es auch an Rhein und Ruhr nicht vonstatten gehen.