Vor dem Verhandlungslokal in Ludwigsburg wird fantasievoll demonstriert. Foto: dpa

Schon in der zweiten Tarifverhandlungsrunde fliegen die Fetzen bei den Metallern: Die Arbeitgeber halten die IG-Metall-Forderung für diskriminierend und rechtswidrig. Die Gewerkschaft wehrt sich gegen diese „Diskreditierung“ ihrer Vorhaben. So etwas gab es Jahrzehnte nicht mehr.

Ludwigsburg - Die Metallarbeitgeber haben am Donnerstag einen ersten Vorgeschmack auf die heiße Phase der Tarifverhandlungen bekommen. Am 8. Januar beginnen die Warnstreiks – in manchen Betrieben vielleicht auch vorher. Zur zweiten Verhandlung in Ludwigsburg fuhr die IG Metall schon mal 5000 Mitglieder heran, um ihrer Tarifforderung durch eine lautstarke Kulisse Nachdruck zu verleihen.

Zwei Prozent mehr Geld bieten die Arbeitgeber – sechs Prozent fordert die IG  Metall. Tatsächlich wird die Tarifrunde aber von der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Gewerkschaftsforderung massiv belastet. Eine juristische Schlacht, wie man sie bislang von den Tarifparteien der Deutschen Bahn, der Lufthansa oder neuerdings der Universitätskliniken im Südwesten kennt, hat es bei den Metallern lange nicht gegeben. Dies erinnert allenfalls an den großen Arbeitskampf von 1984.

Modellwechsel für Arbeitgeber auch rechtswidrig

Darum geht es: Die IG Metall fordert einen Entgeltzuschuss für Beschäftigte, die ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden verkürzen, wenn sie Kinder unter 14 Jahren haben oder etwa Eltern pflegen. Die Arbeitgeber stehen auf dem Standpunkt, dass dies zu einer Diskriminierung führt – und zwar derjenigen Mitarbeiter, die ihre Stundenzahl nach dem Teilzeitgesetz bereits auf unter 28 Wochenstunden reduziert haben. Dies seien zumeist Frauen, die sich noch um ihre Kinder kümmern. Aus der möglichen Diskriminierung schließen die Arbeitgeber auf eine Rechtswidrigkeit.

Auch Überlegungen der IG Metall, dann eben allen Teilzeitbeschäftigten eine Aufstockung ihrer Arbeitszeit auf 28 Stunden und damit einen Anspruch auf den Lohnzuschlag zu ermöglichen, erteilt Südwestmetall-Chef Stefan Wolf eine Absage. Dies sei praktisch kaum realisierbar und führe ebenso zu einer mittelbaren Diskriminierung sowie zur Rechtswidrigkeit.

Position durch Rechtsgutachten absichern lassen

Der Verband hängt sich mit seiner Einschätzung weit aus dem Fenster. Mit seinem Vorstoß kann er das bisher weitgehend gepflegte Vertrauensverhältnis zur IG Metall erheblich beschädigen. Doch darf er auch keinen Tarifvertrag über einen Sachverhalt abschließen, den er für nicht gesetzesgemäß hält. Andernfalls würde sich der Verband einer Vernachlässigung seiner Pflichten schuldig machen, gegenüber Mitgliedsunternehmen, die später von Beschäftigten wegen einer Diskriminierung verklagt werden. Insofern haben sich die Arbeitgeber ihre Position schon durch ein externes Rechtsgutachten absichern lassen.

Zumal daraus folgt: Ist eine Forderung (teilweise) rechtswidrig, könnte auch der Streik dafür illegal sein. Würde nun ein Unternehmen dagegen klagen, so liefe die IG Metall Gefahr, zur Schadenersatzzahlung verurteilt zu werden. Noch nie, so wird im Arbeitgeberlager kolportiert, sei die Gewerkschaftsforderung so unausgegoren gewesen. Ginge man darauf ein, würden die Mitglieder in Scharen den Verband verlassen. Solche Einschätzungen mögen noch zur üblichen Lobbyarbeit gehören. Fakt ist, dass es so eine heikle Situation über Jahrzehnte der viel gelobten Sozialpartnerschaft im Südwesten nicht gegeben hat.

„Wir können fordern, was wir wollen“

„Dass die Arbeitgeberseite eine Forderung als rechtswidrig bezeichnet, ist mir auch im Geschichtsbuch noch nicht untergekommen“, kontert Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. „Das ist ein unzulässiger Versuch, unsere Forderung zu diskreditieren.“ Die IG Metall habe dies intensiv geprüft. „Wir werden aber selbstverständlich auch Gutachten machen“, sagt er. „Man ist immer gut beraten, etwas in der Hinterhand zu haben.“ Eine Forderung könne gar nicht rechtswidrig sein. „Wir können fordern, was wir wollen – letztendlich kommt es darauf an, was man daraus macht.“ Die Gewerkschaft habe den Manteltarifvertrag und den Entgelttarifvertrag gekündigt. „Da ist die Forderung rechtlich unerheblich, solange es sich um einen Tatbestand handelt, der sich in einem geöffneten Tarifvertrag befindet“, sagt der Verhandlungsführer. Dieser Anspruch sei hier erfüllt.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen gibt er sich betont gelassen angesichts der Stärke der IG Metall: „Darauf freuen wir uns“, wenn die Arbeitgeber diesen Weg beschreiten würden. „Das würde die Gangart bei uns massiv verschärfen“, warnt er. „Ich kann nur dringend davor warnen, diesen Voodoo aufrechtzuerhalten – dann würden wir die entsprechende Antwort darauf geben.“ Die Auslastung der Unternehmen heutzutage „verträgt so etwas überhaupt nicht“.