Für Konsumenten wird es wahrscheinlich einfacher, einigen geht das geplante Cannabis-Gesetz aber nicht weit genug. (Symbolbild) Foto: imago images/Westend61/Aitor Carrera Portà via www.imago-images.de

So hatten sich das manche nicht vorgestellt: Die Legalisierung „light“ von Cannabis, wie sie die Bundesregierung anstrebt, macht Unternehmen in der Branche nicht glücklich. Warum zaudert der Staat bei winkenden Steuern in Milliardenhöhe?

Hat die Ampel ihr Wahlversprechen gebrochen? Viele Unternehmer, die auf eine lupenreine Cannabis-Legalisierung gewettet haben, sehen das so. Denn die Eckpunkte zum geplanten Cannabis-Gesetz in Deutschland, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Mittwoch vorgestellt hatten, weichen, so Kritiker, doch deutlich von den im Koalitionsvertrag formulierten Absichtserklärungen ab.

Kurzgesagt: 25 Gramm Eigenbesitz und drei drei Pflanzen auf dem Balkon, das soll künftig cannabis-technisch für Privatpersonen erlaubt sein, wenn das Gesetz Bundestag und Bundesrat passiert hat. Angekündigte lizenzierte Cannabis-Fachgeschäfte bleiben vorerst Zukunftsmusik, die an Modellstandorten in Deutschland erprobt werden sollen, begleitet von Forschung – zum Leidwesen derer, die jetzt ein legales Geschäft gewittert haben.

Einer von ihnen ist Andreas Leitz. Der Betreiber des Stuttgarter Shops Planty Reasons für legale Cannabis-Produkte in zentraler Lage in der City, der auch Podcasts um Cannabis produziert, fühlt sich etwas verkohlt: „Ich blicke auf das Gesetz mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge“, sagt er, „es ist zwar schön, dass überhaupt mal irgendwas passiert.“ – aber dass er in seinem Shop zunächst kein Cannabis vertreiben kann, wie Leitz es geplant hatte, macht ihn traurig. „Ich bin sehr enttäuscht von der Politik.“

Händler leiden unter „Prohibition“

Persönlich habe es ihn wirtschaftlich stark getroffen, dass es nun wenig danach aussieht, das Hanfgeschäft in der laufenden Legislaturperiode – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – zu legalisieren. „Es ist außerdem schwer vorstellbar, dass ein Markt entstehen kann, wenn jetzt jeder legal zuhause anbauen darf“, sagt Leitz. Besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen fehle jetzt der lange Atem, auf eine entsprechende Gesetzgebung zu warten.

Leitz befürchtet außerdem, dass die geplante Gesetzgebung der Bewegung zur Cannabis-Legalisierung einen Teil ihrer Dynamik kosten könnte: „Für Konsumenten ist das Gesetz ja gut – aber viele Händler leiden unter der Prohibition.“

Das von Lauterbach erklärte Ziel, den Schwarzmarkt mit den Maßnahmen einzudämmen, sieht er verfehlt: „Es baut ja auch nicht jeder selber Tomaten an, solange Cannabis nicht legal in Shops vertrieben wird, floriert das Straßengeschäft weiter.“

Studie: Staat könnte 4,7 Milliarden Euro einnehmen

Ähnlich sieht es auch der Branchenverband Cannabis (BvCW). Er begrüßt den Plan der Regierung zwar als „essenziellen Zwischenschritt“ zur vollständigen Regulierung, beklagt aber, dass der Umfang der Modellprojekte mit Lieferketten noch sehr offen sei. „Zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen befinden sich in den Startlöchern zur Einrichtung lizenzierter Verkaufspunkte, der Schulung des Fachpersonals oder den Qualitätskontrollen und der Nachverfolgung“, schreibt der Verband. Eine große Verbreitung der Verkaufspunkte und eine breite Vielfalt an kontrollierten Produkten sei wichtig, um den Schwarzmarkt spürbar zu verdrängen und Qualitätskontrollen für den Verbraucherschutz zu ermöglichen.

Am Ende ist der legale Vertrieb von Cannabis auch eine wirtschaftliche Frage, an der der Staat gut mitverdienen könnte. Eine viel zitierte Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Justus Haukap von der Heinrich Heine Universität Düsseldorf kommt zu dem Ergebnis, dass der Staat insgesamt 4,7 Milliarden Euro durch Steuereinnahmen, Sozialversicherungsbeiträge und Einsparungen bei der Strafverfolgung einnehmen könnte, wenn Cannabis legal vertrieben werden dürfte. Auch wenn die Höhe der Summe in Fachkreisen ein Streitpunkt ist: Warum zaudert der Staat bei diesem Milliardengeschäft so?

Mit EU-Recht nicht vereinbar?

Ein Grund ist sicherlich, dass die Frage der Vereinbarkeit einer umfassenden Legalisierung mit dem EU-Recht noch nicht abschließend geklärt ist. Das betonten Lauterbach und Özdemir auch am Mittwoch, als sie die Eckpunkte des geplanten Gesetzes in Berlin vorstellten.

Karl Lauterbach hat die Eckpunkte auch noch in Brüssel von der EU-Kommission prüfen lassen, bevor er sie präsentierte. „Wir mussten nach dem Gespräch mit der EU-Kommission und auch mit Blick auf den völker- und EU-rechtlichen Rahmen weiterentwickeln, um da nicht mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen”, sagte Özdemir bei der Pressekonferenz, wo die Legalisierungspläne öffentlich gemacht wurden. Eine Anfrage, wie er mit der Kritik umgeht, konnte der Landwirtschaftminister bis Freitagnachmittag nicht beantworten.

Grundsätzlich ist der Verkauf von Drogen, worunter auch Cannabis fällt, in der Europäischen Union verboten. Punkt. Das wurde in einem Rahmenbeschluss 2004 so festgelegt. Aber nicht alle Länder halten sich daran – wie die Niederlande mit ihren berühmten Coffeeshops.

Die aktuelle Gesetzesplanung in Deutschland sieht lediglich den privaten und in Vereinen organisierten Anbau vor. Damit nicht jeder Konsument dazu gezwungen ist, Hanfpflanzen selbst zu züchten, soll dies Vereinen ermöglicht werden, die dann entsprechende Mengen an Mitglieder abgeben.

Es bleiben offene Fragen

Der Cannabis Social Club Stuttgart ist so ein Verein. „Wir sind sehr happy, aber es fehlt noch einiges“, sagt der Vereinsvorsitzende Julen Merino. Nur 24 Stunden nachdem die Eckpunkte präsentiert wurden, seien 80 Mitgliedseinträge beim Cannabis Social Club Stuttgart eingegangen: „Wir haben unsere Größe seitdem verdoppelt.“

Zu euphorisch will Merino aber auch nicht werden – der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Was bedeutet das Gesetz für medizinische Patienten? Gelten Grammzahlen nur für Blüten oder auch für Extrakte? Wird der Anbau draußen in Folientunneln erlaubt sein? Muss jedes Beet einem Konsumenten zugewiesen werden? Alles Fragen, die für den Vereinsvorsitzenden noch beantwortet werden müssen.

Dafür bleibt nicht mehr allzu viel Zeit. Lauterbach und Özdemir wollen Tempo bei der Legalisierung „light“ machen und noch im April einen Gesetzesentwurf ausformulieren, der dann noch Bundestag und Bundesrat passieren müsste. Die Länder können das Gesetz zwar nicht verhindern, aber verzögern, wenn sie Einspruch dagegen einlegen. Bayern hat bereits Widerstand angekündigt.