Frühschicht der in der Innenstadt: Nach den Besen kommt die Kehrmaschine zum Einsatz Foto: Peter Petsch

Noch ist Urlaubszeit , die Innenstadt weniger belebt als sonst. Die Müllberge schmelzen trotzdem nicht wesentlich. Selbst bei schlechtem Wetter an Wochenenden hat die Abfallwirtschaft Stuttgart am Montagmorgen gut zu tun. An den Brennpunkten muss im Zwei- und Dreischichtbetrieb geputzt werden.

Stuttgart - Müllbrennpunkt ist die Innenstadt mit Königstraße, Schlossplatz, Theodor-Heuss-Straße und Rotebühlplatz. „Die Grünanlagen wie zum Beispiel am Max-Eyth-See, Karls- und Uhlandshöhe sind zurzeit außen vor. Das Wetter ist zu schlecht zum Grillen und Picknicken“, sagt Andreas Klenk. Der 55-Jährige ist Vorarbeiter bei der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS). Sein Revier ist die Zone I, der vermüllteste Bereich der Stadt. Schlimmer sieht es morgens nur in Zone II aus: der Klett- und Rotebühlpassage.

Klenks Schicht beginnt am Montagmorgen um 3.45 Uhr. Die Straßen sind leer, noch ist es Nacht. In seinem Transporter bringt Klenk seine zehn Mann starke Reinigungstruppe zu ihrem Einsatzort in der Königstraße. Der Trupp, mit Besen bewaffnet, schwärmt aus, verteilt sich wie eine Fußballmannschaft in der Fußgängerzone und kehrt. Ruck, zuck häufen sich Kartons, Dosen, Flaschen an. Wenig später wird der Abfall vom Müllfahrzeug abtransportiert.

Am Rotebühlplatz schließt eine Dönerbude. Im Scheinwerferlicht einer Kehrmaschinen glänzt der Asphalt dort, als ob es geregnet hätte. Das Wasserfahrzeug der AWS hat den Dreck weggespült, dem durch die Kehrmaschine nicht beizukommen war. „In der Innenstadt wird mit Wasser gereinigt. Nur so lassen sich Erbrochenes, Urin und Kot entfernen“, sagt Klenk. Weil solche Hinterlassenschaften meist von Männern stammen, fügt er hinzu: „Manchmal muss man sich fast schämen, ein Mann zu sein.“ Das Wasserfahrzeug fasst rund 2000 Liter und wird von 22 bis 6.45 Uhr etwa zehnmal am Hydranten in der Kronprinzstraße aufgetankt. Jede Nacht werden gut 20 000 Liter Wasser an sechs Tagen in der Woche zum Säubern der Innenstadt verbraucht. „Am Hydranten ist ein Zähler angebracht, damit die AWS beim Energieversorger EnBW die Rechnung dafür begleichen kann“, sagt Klenk.

In der Königstraße stoppt ein Müllwagen: Luigi d’Errico springt raus, öffnet den Schacht zum Unterflur-Abfallbehälter. Obwohl der mit rund 600 Litern eine enorme Abfallmenge fasst und längst nicht voll ist, liegen Coladosen, Pappbecher, Pizzaschachteln neben dem Behälter. D’Errico setzt das große Saugrohr seines Wagens auf den offenen Schacht. Im Nu verschwindet der Müll aus dem Abfallschacht in seinem Wagen. Übrig bleibt der Müllgestank, der aus dem Behälter hochsteigt. Den nimmt der Wind mit, der mit den Müllwerkern an diesem Morgen durch die Straßen fegt. 56 Unterflurbehälter in der Königstraße fahren d’ Errico und sein Fahrer an. Überall liegt Abfall neben statt im Behälter. D’Errico zuckt mit den Schultern: „ Heute geht’s. Sobald es nachts mild ist, liegt morgens mehr rum.“

Von Freitagnacht bis Montagmorgen sammeln die Müllwerker insgesamt 11,2 Tonnen Müll ein. Das ist ein gigantischer Berg mit einem Ausmaß von rund 82 x 71 x 59 Metern. Im gesamten Jahr kommen rund 5701 Tonnen Müll zusammen. Das ist ein Anstieg von 721 Tonnen innerhalb von fünf Jahren. In die Menge eingerechnet ist der wilde Müll mit 390 Tonnen: 158 Tonnen mehr als vor fünf Jahren. Wild entsorgt wird Müll besonders gern im Wald wie zum Beispiel der Waldebene Ost. Dort lagerten wochenlang alte Matratzen. „Normalerweise holen wir das binnen zwei bis drei Tagen ab, damit nicht noch mehr dazugestellt wird“, sagt AWS-Sprecherin Annette Hasselwander. Doch ohne Anwohner wie in der Waldebene Ost keine Beschwerden und damit auch kein schnelles Eingreifen der AWS. Ansonsten sind die Stuttgarter aufmerksam: Laut Hasselwander gehen beim AWS-Kundenservice von Frühjahr bis Herbst täglich fünf bis zehn Beschwerden ein. Von 2009 bis 2013 sind die Müllmeldungen von 267 auf knapp 1000 hochgeschnellt.

Dass der Müllberg in der Landeshauptstadt von Jahr zu Jahr wächst, wundert Marina Rompe nicht. Die 59-Jährige beobachtet, dass immer mehr immer schneller weggeworfen wird. „Früher wurde der Hamburger fast ganz aufgegessen, nur Brotreste weggeworfen. Heute wird zweimal reingebissen. Dann fliegt das ganze Ding weg.“ Flaschen, selbst Schnapsflaschen, würden halb voll stehen gelassen. „Kleinvieh macht eben Mist – und nicht zu wenig“, sagt sie. Seit neun Jahren arbeitet Marina Rompe bei der AWS, ist eine von zwei Frauen, die kehren. Ihr Bezirk ist das Leonhardsviertel. Dort sowie im Gerber- und Hospitalviertel wird seit Mai wie in der Zone I sechsmal pro Woche im Zweischichtbetrieb sowie vier Stunden am Sonntag geputzt. Der Service ist allerdings nicht kostenfrei sondern schlägt für die Anwohner mit 68,95 Euro pro Jahr und Meter zu Buche. Das hat zu Protesten der Anwohner geführt. In Klett- und Rotebühlpassage fallen sogar 140 Euro an.

Rund um den Hans-im-Glück-Brunnen rutscht man nach den Wochenenden häufig auf zerbrochenem Glas aus, weiß Klenk. Zurzeit hält sich der Glasbruch in Grenzen. Statt draußen halten sich die Szenegänger wegen der kühlen Witterung drinnen auf. Die paar Splitter, die rumliegen, hat Klenks Truppe bis Tagesanbruch weggekehrt.

Bis der Betrieb in und rund um die Königstraße losgeht, sind die AWS-Fahrzeuge verschwunden. Die Truppe mit den Besen ist in den Nebenstraßen noch bis 12.30 Uhr im Einsatz. Dann kommt die Ablösung und schafft in der Reinigungszone I bis 20.45 Uhr. Nur in den Passagen macht eine dritte Schicht ab 21.15 Uhr bis 6 Uhr Dienst. In den Außenbezirken wird von 6.45 Uhr bis 15.30 Uhr gearbeitet. Pausiert wird nur einmal im Jahr, vom 24. auf den 25. Dezember. Insgesamt sorgen 100 Mann und zwei Frauen der AWS für ein sauberes Stuttgart. Die Kosten inklusive Winterdienst liegen bei 14,7 Millionen Euro.