Bernd Klingler (rechts) ist im Mai 2014 im Wahlkampfeinsatz in einem Kiosk – der Fraktionschef der FDP galt als bienenfleißig, fast hyperaktiv. Damit ist es seit ein paar Tagen vorbei Foto: Peter Petsch

Die eigenen Fraktionskollegen kreiden Bernd Klingler „Unregelmäßigkeiten“ bei der Führung der Fraktionsfinanzen an. Der zurückgetretene Fraktionschef versichert, dass er kein Geld für andere Zwecke als die der Fraktion verwendet hat.

Stuttgart - Nach dem überraschenden Rücktritt des FDP-Fraktionschefs im Gemeinderat wird im Rathaus geprüft, ob Bernd Klingler sich an Fraktionsgeldern vergriffen haben könnte. Klingler sagte unserer Zeitung jedoch, er habe „ein reines Gewissen“.

Ein Sprecher der Stadt bestätigte am Mittwoch unserer Zeitung, die FDP-Fraktion selbst habe den für Rechtsfragen zuständigen Bürgermeister Martin Schairer (CDU) schriftlich über Unregelmäßigkeiten bezüglich der Fraktionsfinanzen informiert. Sie habe Schairer auch gebeten, tätig zu werden, sagte Andreas Scharf von der Stadtverwaltung. Man habe dann das Rechnungsprüfungsamt und das Rechtsamt der Stadt eingeschaltet. Der Sachverhalt werde unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, auch in strafrechtlicher Hinsicht, betrachtet. Einzelheiten könne man wegen des laufenden Verfahrens nicht mitteilen. OB Fritz Kuhn (Grüne) sei über den Sachverhalt informiert.

Nach Informationen unserer Zeitung ist Klingler von Parteifreunden unter anderem zur Last gelegt worden, er habe einen fünfstelligen Betrag vom Konto der Fraktion abgehoben und dann eine Barkasse in seinem Geschäftsbüro in Stuttgart-Weilimdorf geführt, nicht im Rathaus.

Außerdem wird von Fraktionskollegen moniert, für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion sei in hoher Stückzahl ein Faltblatt produziert worden, eine Druckereirechnung fehle aber. In der Fraktion selbst und im Rathaus wird seit Tagen spekuliert, dass Klingler geschäftliche Schwierigkeiten gehabt haben könnte und möglicherweise Fraktionsgelder zur Zwischenfinanzierung seiner Werbeagentur einsetzte.

Damit konfrontiert, beteuerte Klingler gegenüber unserer Zeitung seine Unschuld. Die Kasse habe er aus Gründen der Praktikabilität in seinem Büro geführt. Jeden Kassenvorgang habe er aber „penibel“ in einem Kassenbuch im Rathaus notiert. Er habe „mit Sicherheit nichts für andere Zwecke entnommen“. Das Schreiben der Fraktion an Schairer kenne er nicht. Er behalte sich vor, gegen den Verursacher der Anschuldigungen Anzeige wegen übler Verleumdung zu erstatten. Die anderen Fraktionsmitglieder haben vereinbart, sich zu dem Vorgang nicht zu äußern.

Klinglers Rücktritt als Fraktionschef hatten sie am Dienstagabend per Fax mit einer Überschrift und nur drei Zeilen Text vermeldet: Klingler sei vom Vorsitzendenamt zurückgetreten, da es innerhalb der Fraktion Klärungsbedarf gebe. Er ist aber weiterhin Stadtrat.

Das Rechnungsprüfungsamt soll nun feststellen, ob die Vorwürfe berechtigt erscheinen. Dafür werden die Kasse sowie Rechnungen und Belege geprüft. Falls sich der Verdacht erhärtet, wird die Stadtverwaltung wohl die Staatsanwaltschaft Stuttgart informieren. So hielt sie es auch vor rund zwei Jahren, als sie mit Vorwürfen gegen zwei Marktaufseher konfrontiert war.

Nach Informationen unserer Zeitung will Klingler aber eine Kopie der Druckereirechnung besorgen, die er „verloren“ habe. Die Überweisung an die Druckerei sei nachgewiesen, heißt es. Der andere Betrag, den er vom Konto abhob, soll schon wieder an die Fraktion überwiesen sein.

Die FDP ist dennoch in schwieriges Fahrwasser geraten. Bis zur Klärung des Sachverhalts soll der Vize Dr. Heinz Lübbe die Fraktion führen. Der Kieferchirurg ist aber gesundheitlich schwer angeschlagen. Deswegen helfe Stadtrat Matthias Oechsner ihm, sagte Lübbe uns. Das vierte Fraktionsmitglied, Rechtsanwältin Sibel Yüksel, ist erst seit Ende Juli Stadträtin.

Der FDP-Kreisvorsitzende Armin Serwani war am Mittwochnachmittag telefonisch nicht zu befragen. Bei Anrufen bat er zwar per Ansage, man möge eine Nachricht hinterlassen, damit er zurückrufen könne. Danach folgte aber der Hinweis einer Frauenstimme: „Die Mailbox ist voll und kann keine weiteren Nachrichten entgegennehmen.“