„Stuttgart goes live“ bringt das Debüt von Alondra de la Parra als Dirigentin des Staatsorchester Foto:  

Klassik, Pop und Elektro im Schulterschluss: „Stuttgart goes live“ bringt am 7. Dezember die Welten zusammen. Der Abend ist ein Spendenaufruf für die KünstlerInnen-Soforthilfe in Stuttgart.

Stuttgart - Am kommenden Montag übt die Kulturszene den Livestream-Schulterschluss für vollere Geldbeutel freischaffender Künstlerinnen und Künstler. Das Staatsorchester Stuttgart spielt in der Liederhalle – die Clubs Merlin und Climax Institutes rahmen „Stuttgart goes live“.

Die Ausnahme als Regel

„Nein“, sagt Viktor Schoner, Intendant der Staatsoper Stuttgart, „das habe ich tatsächlich noch nie gemacht“. Jetzt ist es nach dem Frühjahr ein zweites Mal Tagesgeschäft: Programme zu planen für Konzerte, Opernaufführungen und ein ganzes Bündel an Vermittlungsformaten – alle und alles ohne Publikum.

Landesbank ermöglicht Livestream

Am kommenden Montag, 7. Dezember, kann man dennoch live dabei sein, wenn das Staatsorchester Stuttgart um 20 Uhr in der Liederhalle auftritt – an Bildschirmen jedweder Größe. „Wir können unser 2. Sinfoniekonzert als Livestream präsentieren“, freut sich Schoner. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ist zentraler Sponsorpartner der Staatsoper – und macht jetzt auch den Livestream möglich.

Auftakt im Merlin

Begrüßen aber wird Viktor Schoner das Publikum nicht aus der Liederhalle, sondern aus der Konzert- und Theaterbühne Merlin im Stuttgarter Westen. Die Staatsoper macht gemeinsame Sache mit dem Popbüro Region Stuttgart. Zum Auftakt um 18.30 Uhr präsentiert Cihan Ozaman sein Solo-Projekt Kemelion, es folgen die Sängerin Gaisma und Levin Stadler mit seinem Indie-Musikprojekt Levin Goes Lightly.

Kretschmann begrüßt

Um 20 Uhr wechselt das Live-Geschehen in die Liederhalle, und ans Mikrofon tritt dort Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Vorab gilt sein Dank dem Staatsorchester. Generalmusikdirektor (GMD) Cornelius Meister, im Frühjahr schon als Streiter für einen spartenübergreifenden Schulterschluss hervorgetreten, ist auch dieses Mal Mit-Impulsgeber für das Selbstverständnis „Künstler helfen Künstlern“. „Es ist“, sagt der Ministerpräsident, „ein tolles Zeichen, dass diese Initiative aus dem Staatsorchester kommt“.

Den Blick weiten

Kretschmann, dessen Regierung den bundesweiten Weg gezielter staatlicher Hilfe für die von den Folgen der Corona-Pandemie betroffenen Kreativschaffenden als Solo-Selbstständige geebnet hat, weitet denn auch den Blick und das Thema. „Vor allem freischaffende Künstlerinnen und Künstler und die Akteure der Veranstaltungsszene und der Nachtkultur sind besonders stark getroffen“, sagt er – und ergänzt: „Uns ist bewusst, was diese Zeit ohne Honorare und Aufträge für viele Kreativschaffende bedeutet – und zwar nicht nur aus finanzieller Perspektive“. Umso mehr lobt er den Schulterschluss: „Das ist“, sagt er, „in dieser Form einmalig und sendet ein klares Signal des Zusammenhalts und der Ermutigung“.

Staatsorchester-Premieren

Das Konzert des Staatsochesters Stuttgart bietet Stücke von Igor Strawinsky und Wolfgang Amadeus Mozart, aber auch des 1955 geborenen Mexikaners Javier Álvarez und des 1983 gestorbenen Argentiniers Alberto Ginastera. Für eine Doppelpremiere sorgen als Dirigentin die Mexikanerin Alondra de la Parra und der amerikanisch-kanadische Violinist Benjamin Bowman als Konzertmeister. Bowman, Konzertmeister der Metropolitan Opera New York, übernimmt während der Corona-Schließzeit in New York in Stuttgart die Elternvertretung von Elena Graf.

Finale im Climax Institutes

Das Finale von Stuttgart goes live“ beginnt um 22 Uhr . Als Vertreter für das Club Kollektiv steht DJ Marius Lehnert auf der Bühne, Produzent und Veranstalter zahlreicher elektronischer Events wie der „Discotronic“- oder „Deeper“-Reihe. Lehnert legt live aus dem Climax Institutes in der Calwer Straße auf.

Spenden-Hoffnung

„Stuttgart goes live“ ist der Schulterschluss am 7. Dezember überschrieben Das Anliegen: Spenden für die KünstlerInnen-Soforthilfe zu sammeln. Diese unterstützt seit März freischaffende Künstlerinnen und Künstler. „Auch von diesen“, sagt GMD Cornelius Meister, „hängt unser aller Zukunft ab.“ Während des Livestreams – www.staatsoper-stuttgart.de/live – ist ein Spenden-Button geschaltet. Sitzen also nun alle in einem Boot?

Was Kultur ist

„Ich glaube, viele sitzen in gar keinem Boot“, antwortet Joe Bauer, der Mitinitiator der KünstlerInnen-Soforthilfe, lakonisch. Und der langjährige Kolumnist warnt vor einem „Denkfehler“. „Kultur“, sagt der „Flaneursalon“-Macher, „ist eine Lebensweise und nicht ein Veranstaltungsbetrieb“. „Kultur“, so Bauer, weiter, „ist,wie wir unser Leben organisieren“. Es gehe darum, „gemeinsam etwas zu tun“. Denn, sagt Bauer: „Der Blick auf den Unterschied verliert sich, und der Blick für das Miteinander schärft sich.“

Ein Gedanke, den der Opernintendant Viktor Schoner fortführt, wenn er sagt: „Oper ist seit Jahrhunderten ein poröses Genre“. Auch deshalb betont GMD Cornelius Meister: „Jeder Euro, der durch unseren Spendenaufruf zusammenkommt, dient dem Erhalt der Kulturlandschaft, und zwar nicht auf die klassische Musik beschränkt.“

Die KünstlerInnen-Soforthilfe

KünstlerInnen-Soforthilfe
nennt sich eine Initiative von Tom Adler, Joe Bauer, Goggo Gensch und Peter Jakobeit. Am 16. März 2020 – zwei Tage vor dem Lockdown – gegründet, sammelt die Initiative Spenden für KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen im Raum Stuttgart, die aufgrund der Pandemie-Krise in Not geraten sind. Ausgezahlt werden Beträge zwischen 200 und 400 Euro. Die KünstlerInnen-Soforthilfe berät auch in Fragen staatlicher Unterstützung. Die Finanzen werden – inklusive Spendenbescheinigungen – über den Verein Kultig e. V. abgewickelt.