Ruhephasen sind wichtig – das muss man sich bewusst machen. Foto: dpa/Monique Wüstenhagen

Menschen hetzen durch den Arbeitstag, von einem Meeting zum nächsten. Im Rahmen eines Workshops der Kunstakademie in Ludwigsburg zeigt eine Expertin, wie es besser geht.

Menschen hetzen durch den Arbeitstag, von einem Meeting zum nächsten. Zwischendurch und auch nach Feierabend nimmt sich kaum einer mehr Zeit zu rekapitulieren. Was dabei helfen kann, erzählt Claudia Senoner, sie ist Dozentin an der Akademie für Darstellende Kunst (ADK) in Ludwigsburg.

Frau Senoner, Sie vertreten die These, dass achtsame Aktivität manchmal erholsamer ist als Ruhe. Erklären Sie mal.

Wenn der Körper nur ständig in Aktion ist und ständig gefordert wird, dann ‚macht‘ der nur noch. Und sich überhaupt nicht darüber klar zu werden, was da eigentlich passiert und weiter zum nächsten zu rennen, das kann kontraproduktiv sein. Es geht darum, ein Körperbewusstsein zu entwickeln. Sich zu spüren, mehr auf den Körper zu gucken und ihn zu beobachten. Man könnte das als ein Mit-sich-verbunden-Sein beschreiben. Bewegung ist im Zweifel besser, als sich irgendwo hinzusetzen.

Bei der Open-Academy bieten Sie einen Workshop für jedermann an, bei dem sie zeigen, wie es besser geht.

Wir werden mit Improvisation arbeiten. Das hört sich immer so an, als ob jeder macht, was er will. Nein, das stimmt so nicht. Es gibt Werkzeuge, wir sprechen von Bewegungs-Tools, die uns Strukturen vorgeben, um uns in Raum und Zeit improvisatorisch zu bewegen. Ebenso beschäftigen wir uns mit dem Themen der Über- und Unterspannung.

Gibt’s da Beispiele?

Oft starte ich mit bewusstem Gehen: Hier experimentieren wir mit Tempo und Richtungen, wobei wir auch unseren Atem beobachten. Das ist ein Beispiel. Auch werden unterschiedliche Antriebskräfte ausprobiert, um Bewegungen sanft oder mit Widerstand auszuführen. Das sind Dinge, die können Leute auch ohne große Bewegungserfahrung machen. Hier sollen die Teilnehmer durch Bewegung versuchen, ihren kompletten Körper zu spüren. Vom Kopf bis zu den Füßen. Wichtig ist mir, das es kein gut und schlecht, oder richtig und falsch gibt.

Ist das Gefühl für den eigenen Körper ein stückweit verloren gegangen – auch bei Kindern und Jugendlichen?

Ja, das muss man leider schon so konstatieren. Kinder rennen eben kaum mehr durch den Wald, wo sie auch mal ausweichen oder über etwas springen müssen. Natürlich wird versucht, das in Kindergärten zu fördern. Aber die sind ja vielfach auch unterbesetzt.

Welche Rolle spielt das gemeinschaftliche Erleben?

Es ist wichtig, dass man immer noch mitbekommt, was um einen herum passiert. Sich allein zu bewegen oder in der Gruppe, das ist ein Unterschied. Wenn man sich in der Gruppe bewegt, da muss man spüren: Wie viel Abstand habe ich zu einem Partner? Wie viel Nähe lasse ich zu? Wie nehme ich andere wahr?

Auch das ist etwas, das in der heutigen Zeit immer mehr verloren geht.

Ja, ganz genau. In so einer Bewegungsgruppe – so nenne ich das jetzt einfach mal – kann man da wieder ein Gefühl dafür bekommen.

Welche Tipps haben Sie für Menschen, die einen Bürojob haben?

Ganz wichtig: Pausen machen. Nicht drei Stunden durcharbeiten, nach einer Stunde sollte man kurz etwas anderes machen, um Energie zu schöpfen. Mal aufstehen, Fenster aufmachen. Trinken ist auch sehr wichtig. Ein paar Dehnübungen helfen auch, den Körper strecken. Gähnen ist auch super. Das entspannt. Solche Kleinigkeiten, damit erreicht man oft schon viel.

Und auf lange Sicht?

Da muss man sich einfach ein bisschen zurücknehmen und entscheiden, was ist mir wichtig – und was kann ich weglassen, damit es mir besser geht.

Das ist sicher auch eine Charakterfrage.

Auf jeden Fall. Manche Leute brauchen das auch, die können gut viel arbeiten. Ohne dass es sie körperlich oder geistig überfordert.

Mehr als 25 abendfüllende Stücke konzipiert

Person
 Claudia Senoner (59) ist Choreografin, Performerin und Tanzdozentin und wohnt in München. Seit Mitte der 90er-Jahre hat sie über 25 abendfüllende Stücke kreiert. Sie erhielt verschiedene Preise, darunter den Kulturförderpreis Tanz der Stadt München. Im Rahmen ihrer Dozententätigkeit an der ADK in Ludwigsburg hat sie sich mit dem Thema „Entspannung im studentischen Alltag“ befasst und daraus den Workshop entwickelt.

Angebot
 Der Workshop „Bewegung gegen Stress. Workshop zur Balance von Körper und Geist – Warum achtsame Aktivität manchmal erholsamer ist als Ruhe“ findet am Samstag, 15. Juli, statt. Außerdem finden am 23., 24. Juni und am 1. Juli drei offene Angebote zum Thema „Stimmgesundheit“ statt. Alle weiteren Informationen, Kosten und Anmeldung im Internet unter: www.adk-bw.de