Zunächst war es lediglich ein Streit zwischen Weinstadt und der in Endersbach ansässigen Gärtnerei Hayler. 2023 ging der Zwist in eine neue Runde: Nachbarn sehen das Versprechen einer lockeren Bebauung des Wohngebiets Halde V gebrochen.
Bald drei Jahre ist es her, dass der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg den Bebauungsplan für das Neubaugebiet Halde V in Teilen als unwirksam erklärte, nachdem Simon Hayler aus Weinstadts Teilort Endersbach ein Normenkontrollverfahren gegen die Stadt angestrengt hat. Befrieden konnte das Urteil den Konflikt indes nicht.
Auch 2023 schwelte er weiter, und ein Ende ist bislang nicht in Sicht. Mehr noch: Mit ihrem Entwurf für die gerichtlich geforderte Bebauungsplanänderung heizte die Stadt den Konflikt nicht nur erneut an. Der Streit weitete sich damit im zu Ende gehenden Jahr auch auf die Nachbarschaft aus.
Der Grund dafür, dass der Endersbacher Gärtner vor Gericht gezogen war: Er fürchtete um die Existenz seines Unternehmens wegen auf von 6 bis 22 Uhr begrenzten Betriebszeiten, welche die Auslieferungen seiner Pflanzen in frühen Morgenstunden unmöglich zu machen drohten. Derweil pochte die Stadt Weinstadt darauf, dass eine Nachtanlieferung nie beantragt und genehmigt worden sei – auch noch nach dem VGH-Urteil.
Neuer Zündstoff für alten Konflikt
Dem Gericht kam es indes gar nicht darauf an. Denn ganz unabhängig von der Frage der Nachtanlieferung sah es einen „beachtlichen Ermittlungs- und Bewertungsfehler hinsichtlich der Auswirkungen der vorgesehenen Wohnbebauung auf das Betriebsinteresse des Antragsstellers“, wie es in seiner Urteilsbegründung formulierte. Pauschal habe die Stadt die Interessen der Gärtnerei Hayler hinter ihren eigenen zurücktreten lassen. Untersuchungen, wie ein Lärmschutz realisiert werden könne, seien nicht gemacht worden.
Rund zwei Jahre nach dem Gerichtsentscheid, im Frühjahr 2023, gab die Stadt dem Konflikt mit der Gärtnerei neuen Zündstoff – und zwar mit der Planung eines viergeschossigen Gebäuderiegels von dreizehneinhalb Metern Höhe und gut 100 Metern Länge, um die inzwischen fertige Neubebauung des Gebiets Halde V vom Betriebslärm der Gärtnerei abzuschirmen.
Indem er einen Hubsteiger auffahren ließ, verdeutlichte Hayler öffentlichkeitswirksam die Ausmaße des Wohnblocks. Die Baupläne brachten nicht nur ihn erneut gegen die Stadt auf die Barrikaden, sondern auch Neubürger in der Halde V. Als „Klotz“ und „zweite chinesische Mauer“ titulierten sie den Wohnkomplex und beschwerten sich, dass der Riegel dem von der Stadt versprochenen Wohnumfeld einer lockeren Bebauung mit Licht und Luft so gar nicht entspreche. Die Stadt reagierte darauf mit einer Infoveranstaltung vor Ort.
Seither herrscht offenbar Funkstille. Hayler zumindest hat, wie er auf Nachfrage unserer Zeitung berichtet, nichts in Erfahrung bringen können, ob und inwiefern die Stadt auf die Ergebnisse des von ihm in Auftrag gegebenen Lärmgutachtens reagiert. Danach würde auch ein dreigeschossiger Gebäuderiegel von zehn Metern Höhe ausreichen. In einem offenen Brief setzte er die Verwaltung und den Gemeinderat im Frühjahr davon in Kenntnis.
Bebauungsplan im „regulären Aufstellungsverfahren“
Wie ist der Stand der Dinge bei der Bebauungsplanänderung gut ein Dreivierteljahr später? Nachgehakt bei der Stadtverwaltung: „Der Bebauungsplan Halde V – 1. Änderung befindet sich weiterhin im regulären Aufstellungsverfahren“, teilt die Pressestelle mit. Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange habe stattgefunden, begleitet von der besagten öffentlichen Infoveranstaltung. Nun würden die eingegangenen Stellungnahmen ausgewertet und die Planung fortgeschrieben. „Wie zugesagt werden die eingebrachten Vorschläge der Anwohner und Planungsalternativen innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen geprüft. Dazu gehören auch eine mögliche Reduzierung der Geschosse und eine Reduzierung der Bebauungsdichte“, heißt es aus dem Rathaus.
Der Dialog sei wichtig, betont die Stadt
Auf dieser so erarbeiteten Grundlage werde es mindestens eine weitere Beteiligungsrunde geben, bevor der Satzungsbeschluss im Gemeinderat gefasst werden könne. Der Dialog mit den Anwohnern und der Öffentlichkeit sei der Verwaltung wichtig, betont man, und er solle daher parallel zum Verfahren weitergeführt werden. Das Ziel hierbei sei es, „den hohen städtebaulichen und architektonischen Anspruch des Wohngebietes Halde V auch im Geltungsbereich der Planänderung fortsetzen“. Dementsprechend werde man Festsetzungen treffen.
Dazu wie diese aussehen könnten, gibt es keine Angaben. Es bleibt also auch im neuen Jahr spannend, wie es im Hickhack um den letzten unbebauten Zwickel der Halde V weitergeht, ob der jahrelange Streit zwischen der Stadt und der Gärtnerei Hayler endlich ein Ende findet – oder sich noch weiter auf die Nachbarschaft ausweitet.
Schlagzeilen – meistgelesene Artikel im März 2023
Nur die Augen bleiben ihr zum Sprechen Nicole Lorenz aus dem Rems-Murr-Kreis hat Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Die Alleinerziehende wird künstlich beatmet, kann nur über ihre Augen kommunizieren. Ihr Sohn (15) lebt bei ihr. Vom Krankenbett aus kämpft sie um mehr Unterstützung.
19-Jähriger filmt Polizeibeamte Als die Polizei den Fahrer eines Mercedes-Sprinter kontrollieren will, weigert er sich, den Laderaum zu öffnen. Er filmt statt dessen die Beamten mit dem Handy – nun droht ihm Ärger.
Angst vor einer chinesischen Mauer Nach einem Rechtsstreit mit dem örtlichen Gärtnereibetrieb Hayler hat die Stadt Weinstadt im Wohngebiet Halde V umgeplant – das treibt die neuen Nachbarn auf die Barrikaden.
Politiker fordern Alternativen zur Vollsperrung
Die überraschende Ankündigung der Bahn zur Baustelle zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen verursacht einen parteiübergreifenden Aufschrei. Abgeordnete aus dem Rems-Murr-Kreis fordern Alternativangebote für die Fahrgäste.
Massenschlägerei im Plattenwald beschäftigt die Justiz Im Mai 2022 kam es auf dem Plattenwaldspielplatz in Backnang zum heftigen Zwist zweier Gruppen. Wir haben bei den Behörden nachgehakt, was aus den Ermittlungen wurde.
Die Falken auf dem Schwabenlandtower haben jetzt Eier Das Wanderfalkenpaar auf dem Schwabenlandtower hat Eier gelegt. Auch in diesem Jahr kann man das Geschehen in dem Nistkasten im obersten Stock der Bauruine live verfolgen.