Was fährt noch? Mit dieser Frage müssen sich Pendler und Reisende bei Streiks der Bahn auseinandersetzen. Foto: dpa/Andreas Arnold

Die Arbeitsniederlegungen bei der Bahn laufen in dieser Woche noch nach dem gewohnten Muster. Das könnte sich aber ändern. Was hat es mit den „Wellenstreiks“ auf sich?

Wieder stehen die Bahnen still. Der fünfte Arbeitskampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) im laufenden Tarifkonflikt trifft erneut Millionen Fahrgäste. „Unser Fahrplan, unser Grundangebot an Zügen ist heute Morgen wie geplant angelaufen“, sagte Bahnsprecher Achim Stauß. Der Konzern hat wie schon bei den vorigen Streiks einen stark eingeschränkten Fahrplan aufgestellt. Rund jeder fünfte Fernzug ist unterwegs.  Auch am Freitag (8. März) gibt es nur ein Rumpfangebot. Immerhin: Fahrgäste konnten sich auf den Streik einstellen – zumindest darauf, wann es los geht und wie lange gestreikt wird.

Das war bisher immer so gehandhabt worden. Künftig könnten die Arbeitsniederlegungen bei der Bahn aber nicht mehr nach dem gewohnten Muster mit zweitägiger Vorwarnung und einem Notfahrplan, der zumindest ein Mindestmaß an Verbindungen gewährleistet, ablaufen. Der streitbare Gewerkschaftsboss Claus Weselsky will künftig auf sogenannte Wellenstreiks setzen.

Was bedeutet „Wellenstreik“?

Für Bahnfahrerinnen und -fahrer bedeuten die Wellenstreiks noch weniger Planungssicherheit. Denn die Ausstände sollen deutlich kurzfristiger angekündigt werden. Zudem könnte häufiger und kurz hintereinander – quasi in Wellen – gestreikt werden. Das stellt nicht nur Fahrgäste vor Herausforderungen, sondern auch die Bahn. Bei kurzfristig anberaumten Streiks „können wir kein Zugangebot organisieren“, sagt Unternehmenssprecher Stauß. Weselsky selbst sagte zuletzt, dass die Bahn dann kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr sei. Für Bahnreisende könnte es rund um Ostern knüppeldick kommen. Streiks rund um die Feiertage schloss die GDL – sollte es bis dahin keine Einigung geben – ebenfalls nicht aus.

Das Unternehmen rief die Gewerkschaft dazu auf, Streiks weiterhin mindestens 48 Stunden vorher anzukündigen. „Alles andere ist eine Zumutung für Fahrgäste und auch für die Wirtschaft.“ Betroffen vom Ausstand ist nicht nur der Personen-, sondern auch der Güterverkehr.

Kritik von verschiedenen Seiten am Vorgehen der GDL

Kritik an dem Vorgehen kommt nicht nur von der Bahn, sondern auch von Fahrgastverbänden. „Allianz pro Schiene“ kritisierte: „Mit sogenannten Wellenstreiks nimmt die Gewerkschaft den Fahrgästen die Möglichkeit, sich wenigstens darauf vorbereiten und entsprechend umplanen zu können“, so Geschäftsführer Dirk Flege. „Der Schaden für das System Eisenbahn ist immens – und er wird durch solche Ad-hoc-Streiks nur noch größer.“

CSU-Generalsekretär Martin Huber ging sogar soweit, der Gewerkschaft einen Missbrauch des Streikrechts vorzuwerfen. Streiks sollten gerade bei kritischer Infrastruktur mit entsprechendem Vorlauf angekündigt werden müssen, sie müssten zeitlich begrenzt sein, und es müsse vorab ein – wenn auch erfolgloses – Schlichtungsverfahren stattgefunden haben. „So, wie es hier jetzt passiert, ist es offensichtlich ein Missbrauch des Streikrechts, der eher der eigenen Selbstsucht des Gewerkschaftsbosses dient und nicht der Verbesserung der Situation.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wies derartige Forderungen scharf zurück. „Das ist harter ideologischer Kampf, der uns da angesagt wird und das wird auch genau die Antwort geben“, sagte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi der Deutschen Presse-Agentur. Das deutsche Streikrecht sei im internationalen Vergleich restriktiv. „Wir haben relativ wenig Streiktage in Deutschland. Im internationalen Vergleich landen wir gerade mal irgendwo im unteren Mittelfeld. Und wir gehen auch sehr verantwortlich damit um.“

Worum geht es im Tarifstreit bei der Bahn?

Der Tarifstreit schwelt seit Monaten und dreht sich vor allem um die Forderung der GDL nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit von derzeit 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne finanzielle Einbußen. Eine mehrwöchige Verhandlungsphase hinter verschlossenen Türen war vergangene Woche gescheitert. Auch externe Vermittler konnten keine Lösung herbeiführen. Ihren Vorschlag, die Arbeitszeit stufenweise bis 2028 auf 36 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich abzusenken, lehnte die GDL ab. 

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Die Gewerkschaft verweist darauf, dass sie ihre 35-Stunden-Forderung bereits bei 28 anderen Eisenbahnunternehmen durchsetzen konnte. Diese Tarifverträge stehen allerdings unter dem Vorbehalt eines anderen Abschlusses bei der Bahn. Sollte dort eine andere Regelung beschlossen werden, würden die Verträge bei den Wettbewerbern angepasst. Das will die GDL vermeiden.