Mehr als 60 Prozent der Abschiebeversuche scheitern in Baden-Württemberg. Foto: dpa

Auf einer Webseite im Internet werden Abschiebungen angekündigt, um Betroffenen ein Untertauchen zu ermöglichen. Doch wie gelangen die Termine dorthin? Die AfD stellte Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verrats von Dienstgeheimnissen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft entschieden, wie sie damit umgeht.

Karlsruhe - Im Fall der veröffentlichten Abschiebetermine im Internet leitet die Staatsanwaltschaft Karlsruhe kein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe oder anderer Behörden wegen des Verdachts auf Verletzung des Dienstgeheimnisses ein. Das sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Tobias Wagner, unserer Zeitung.

Man habe einen Anfangsverdacht verneint, weil die Anhaltspunkte nicht konkret genug seien, dass tatsächlich ein Amtsträger Informationen über bevorstehende Sammelabschiebungen an Dritte weitergegeben und damit das Dienstgeheimnis verletzt habe, erläuterte Wagner. Es sei auch möglich, dass Betroffene einer Abschiebung, die länger als ein Jahr geduldet sind und denen ihre Rückführung in ihr Heimatland anzukündigen ist, oder andere Beteiligte an der Planung und Organisation der Linien- und Charterflüge die Termine weiterleiteten.

Fast 4900 der 8030 geplanten Abschiebungen scheiterten zuletzt

Die Gruppe Aktion Bleiberecht aus Freiburg veröffentlicht auf ihrer Webseite die sensiblen Daten nahezu aller Abschiebeflüge mit baden-württembergischer Beteiligung. Damit ermöglicht sie, dass im Südwesten lebende, abgelehnte Asylbewerber rechtzeitig untertauchen können, bevor sie von der Polizei abgeholt werden.

Laut Innenministerium scheiterten von Anfang 2017 bis Ende Mai 2018 fast 4900 der 8030 geplanten Abschiebungen aus Baden-Württemberg. Das entspricht rund 60 Prozent. In der Mehrzahl der Fälle sei der Grund für das Scheitern, dass der Betroffene nicht habe angetroffen werden können.

AfD vermutet „undichte Stelle im Behördenapparat“

Die Innenpolitiker der AfD-Landtagsfraktion gehen davon aus, dass Mitarbeiter aus einer Behörde, die an den Abschiebungen beteiligt sind, die Termine durchstechen. Sie hatten deshalb Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses erstattet. Dass die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt hat, nahm der innenpolitische Sprecher der AfD, Lars Patrick Berg, „mit Befremden“ zur Kenntnis. Die Begründung sei „ausländerrechtlich teilweise falsch“ und „strafprozessual fragwürdig“.

Laut Berg wiesen die Fachleute seiner Fraktion darauf hin, dass Abschiebungen gegenüber abgelehnten Asylbewerbern nur angekündigt werden dürfen, wenn die Duldung widerrufen werde – nicht aber, wenn die Duldung zeitlich ablaufe, was erfahrungsgemäß meist der Fall sei. Auch dass Fluggesellschaften in die Ankündigungen der Aktion Bleiberecht involviert seien, sei unwahrscheinlich, meinte Berg: „Bei der Präzision der veröffentlichten Informationen drängt sich eine undichte Stelle im Behördenapparat geradezu auf.“