Abgelehnte Asylbewerber aus den westlichen Balkanländern werden oft mit Charterflügen in ihre Heimat zurückgebracht. Foto: dpa

Rund 60 Prozent der geplanten Abschiebungen in Baden-Württemberg scheitern. Weil dies auch daran liegt, dass Termine der Charterflüge für Sammelabschiebungen veröffentlicht werden und Betroffene so rechtzeitig untertauchen können, hat die AfD jetzt Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe prüft.

Karlsruhe - Die Gruppe „Aktion Bleiberecht“ veröffentlicht auf ihrer Webseite die sensiblen Termine von Sammelabschiebungen. Damit ermöglicht sie abgelehnten Asylbewerbern im Südwesten, rechtzeitig unterzutauchen, bevor sie von der Polizei abgeholt werden. Doch woher erfährt die Gruppe mit Sitz in Freiburg von den geplanten Sammelabschiebungen? Die AfD im Landtag geht davon aus, dass Mitarbeiter aus einer Behörde, die an Abschiebungen beteiligt sind, die Termine durchstechen. „Die Termine sind geheim, es muss folglich Lecks im Innenministerium oder anderen Behörden geben“, sagte ihr innenpolitischer Sprecher, Lars Patrick Berg, unserer Zeitung.

Gemeinsam mit den anderen Innenpolitikern seiner Fraktion, Daniel Rottmann und Klaus Dürr, hat Berg jetzt Strafanzeige erstattet. Zum einen gegen Unbekannt im Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe, das die Rückführungen organisiert, und anderen beteiligten Institutionen wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen. Und zum anderen gegen die „Aktion Bleiberecht“ wegen aller in Betracht kommenden Strafvorschriften. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bestätigte den Eingang der Strafanzeige der AfD. Man prüfe sie jetzt, sagte Oberstaatsanwalt Gregor Kunz.

Berg kritisiert „weitere Erosion des Rechtsstaats“

„Abschiebungen werden nach einem rechtsstaatlichen, langwierigen und aufwendigen Verfahren durchgeführt“, führte Berg aus. Umso unverständlicher sei, weshalb die Landesregierung untätig bleibe, wenn eine private Organisation wie „Aktion Bleiberecht“ Abschiebetermine veröffentliche, um sie zu sabotieren. Grün-Schwarz mache sich damit mitschuldig am Scheitern von Abschiebungen und befördere „die weitere Erosion des Rechtsstaats und seiner Organe“, sagte der AfD-Politiker. Das Innenministerium gab zuletzt an, weder den Flüchtlingsrat noch die seinem Netzwerk zugehörigen Stellen über bevorstehende Abschiebetermine zu informieren. Eine Sprecherin teilte jetzt mit, man habe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Behördenmitarbeiter die Informationen weitergegeben haben.

Klar ist jedoch: Das Land tut sich schwer, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Im Zeitraum von Anfang 2017 bis Ende Mai 2018 scheiterten laut Ministerium landesweit 4886 der 8030 geplanten Abschiebungen. Das entspricht rund 60 Prozent. In der Mehrzahl der Fälle sei der Grund für das Scheitern, dass der Betroffene nicht habe angetroffen werden können.

Kein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Scheinatteste

Eine weitere Strafanzeige der AfD gegen eine Ärztin im Karlsruher Verein zur Unterstützung traumatisierter Migranten wegen des Verdachts auf Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse blieb unterdessen ohne Folgen. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe leitete kein Ermittlungsverfahren ein. Man habe keinen hinreichenden Anfangsverdacht gesehen, sagte die Sprecherin der Strafverfolgungsbehörde, Jasmin Curte, unserer Zeitung.

Die AfD hatte dem Verein vorgeworfen, er stelle Scheinatteste für abgelehnte Asylbewerber aus, um Abschiebungen zu verhindern. Die Innenpolitiker der Fraktion beriefen sich auf einen Arzt, der Abschiebungen begleitet und gesagt hat, in vier von fünf Fällen würde betrogen. Sie stellten deshalb im März dieses Jahres Strafanzeige gegen eine Psychiaterin wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse sowie gegen Unbekannt im RP Karlsruhe wegen Strafvereitelung. „Wir argwöhnen, dass diese Straftaten vielen Entscheidungsträgern der zentralen Abschiebebehörde über Jahre bekannt waren, ihnen aber aus politischen Gründen nicht nachgegangen wurde oder werden durfte“, sagte der AfD-Abgeordnete Daniel Rottmann damals.

Eine der beiden Ärztinnen, die für den Verein auf Honorarbasis arbeiten, stritt die Vorwürfe ab. „Wir machen keine Gefälligkeitsgutachten“, sagte sie unserer Zeitung. Ihren Angaben zufolge waren im Jahr 2017 rund 580 Patienten in die Sprechstunde der Einrichtung gekommen. Bei etwa drei Viertel aller Fälle gab es demnach intensivere Untersuchungen, nahezu immer mit Dolmetschern. Ein Viertel der Fälle sei aber bereits nach dem Besuch der Sprechstunde abgewiesen worden, erläuterte die Ärztin. Knapp 300 der 580 seien letztlich tatsächlich schwer traumatisiert gewesen.