Im Bundestag stehen am Freitagvormittag vier Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbehilfe zur Abstimmung. Foto: dpa

Nach einjähriger Debatte wird die Abstimmung über eine Neuregelung der Sterbehilfe mit Spannung erwartet. Es gibt einen Favoriten. Dennoch ist der Ausgang offen.

Berlin - Mit einem eindringlichen Aufruf zu einer Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland hat der Bundestag seine mit Spannung erwartete Debatte zu dem ethisch heiklen Thema begonnen.

Menschen müssten vor unlauteren Angeboten zur Suizidbeihilfe geschützt werden, sagte der CDU-Abgeordnete Michael Brand am Freitag im Plenum. Er ist Mitinitiator des aussichtsreichsten Entwurfs, der auf ein Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe abzielt. Kritiker warnen allerdings davor, dass damit auch Ärzte kriminalisiert werden könnten.

Der Bundestag entscheidet am Freitagvormittag darüber, ob es eine Neuregelung der Sterbehilfe gibt oder ob es bei den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen bleibt. Dem Parlament liegen vier Gesetzesinitiativen vor, die im Grunde genommen alle auf ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe zielen.

Selbstbestimmungsrecht der Patienten ein Streitpunkt

Umstritten ist aber, wie dabei das Selbstbestimmungsrecht der Patienten am Ende ihres Lebens gesichert und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient geschützt werden können.

Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, ob der bisher aussichtsreichste Entwurf einer fraktionsübergreifenden Parlamentariergruppe um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) durchkommt oder ob die Gegner ausreichend Nein-Stimmen zusammenbekommen, um ihn noch abzufangen. Dann würde es bei den bisherigen Regelungen bleiben.

Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, appellierte unmittelbar vor der Abstimmung an die Abgeordneten, einer Neuregelung zuzustimmen. Die Haltung „Besser keine Neuregelung als eine Strafverschärfung“ sei keine Lösung, sagte Montgomery „Es ist kindischer Trotz, gar keine Regelung zu bevorzugen, wenn man sich mit der eigenen Meinung nicht durchsetzen kann.“

Parlamentarier nicht an Fraktionszwang gebunden

Montgomery wies die Darstellung zurück, der Brand/Griese-Entwurf kriminalisiere Ärzte und beeinträchtige das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Die Auseinandersetzung mit Sterbehilfe und Sterbebegleitung war aus seiner Sicht „gesellschaftlich nötig und auch hilfreich“. Viele Menschen hätten sich erstmals mit diesen Fragen beschäftigt. „Und das war gut so. Denn es erleichtert schwierige Entscheidungen, wenn es dann für jeden mal so weit ist.“

Die Abstimmung ist offen, die Parlamentarier sind damit nicht an den sogenannten Fraktionszwang gebunden. Sie läuft im Prinzip nach folgendem Verfahren ab: Zunächst wird über alle Gesetzentwürfe abgestimmt. In der zweiten Runde wird dann nur noch über die beiden Entwürfe mit den meisten Stimmen entschieden. Der Entwurf, der sich hier durchsetzen kann, muss dann aber noch in eine dritte Runde. Dort braucht er die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Gibt es mehr Nein- als Ja-Stimmen bleibt alles beim Alten. Enthaltungen zählen nicht.

Eine Abgeordnetengruppe um den Bundestagsvizepräsidenten Peter Hintze (CDU), die sich für die Möglichkeit einer ärztlich assistierten Selbsttötung einsetzt, sowie eine Gruppe um die Grünen-Abgeordnete Renate Künast wollen sich spätestens in der dritten Runde zusammentun, um möglichst viele Nein-Stimmen zu bekommen. Der Brand/Griese-Entwurf könnte in der dritten Runde mit der Zustimmung von um die 300 der insgesamt 630 Abgeordneten rechnen.

Worüber wird heute entschieden?

Im Bundestag stehen am Freitagvormittag vier Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbehilfe zur Abstimmung. Hier die Kernaussagen der vier Entwürfe:

- Eine fraktionsübergreifende Gruppe um Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Linke) und Elisabeth Scharfenberg (Grüne) will die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe unter Strafe stellen. Es drohen bis zu drei Jahre Haft. Ansonsten sollen die bisherigen Regelungen gelten.

- Eine Koalitionsgruppe um Peter Hintze (CDU), Carola Reimann und Karl Lauterbach (beide SPD) will für sterbenskranke, schwerst leidende Menschen die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids schaffen und dies im Zivilrecht regeln. Eine Strafrechtsverschärfung lehnt die Gruppe ab.

- Eine Gruppe um Renate Künast (Grüne), Petra Sitte (Linke) und Kai Gehring (Grüne) betont die Straffreiheit der Beihilfe zum Suizid. Sie will aber Beihilfe zur Selbsttötung „aus Gründen des eigenen Profits“ (gewerbsmäßiges Handeln) verbieten. Sterbehilfevereine sind ausdrücklich erlaubt, sofern sie keinen Profit erzielen wollen.

- Eine Gruppe um Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU) will „Anstiftung und Beihilfe an einer Selbsttötung“ verbieten. Nur in extremen Ausnahmefällen von großem Leid solle dies straffrei bleiben. Das ist die schärfste strafrechtliche Regelung.

Eine weitere Gruppe um die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), Katja Keul (Grüne) und den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke (SPD) sieht bei allen vier Entwürfen verfassungsrechtliche Mängel. Sie forderten die Abgeordneten auf, viermal mit Nein zu stimmen.