Kim Sanders Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt/Christoph Schmidt

Schon im Film war sie der heimliche Star, jetzt schlüpft die US-amerikanische Sängerin Kim Sanders (50) im Musical „Ghost“ in die schrille Rolle der Oda Mae Brown. Die Finalistin von „The Voice“ bringt jede Menge Esprit mit.

Stuttgart - Die US-Amerikanerin Kim Sanders hat in ihrer Laufbahn viel erlebt, auf der Musicalbühne stand sie bisher nur in einem Kindermusical, das sich um einen Dresdner Stollen drehte. Nun singt sie auf der Bühne des Apollo-Theaters beim neuen Musical „Ghost“, was sie als absoluten Glücksfall ansieht, da sie die Rolle unbedingt wollte.

Frau Sanders, glauben Sie an Geister?

Ich bin seit 2000 eine ausgebildete Priesterin. Schon als Kind war ich spirituell äußerst offen und wach, daran hat sich bis heute nichts geändert. Den Begriff „Geister“ würde ich vermeiden, doch ich glaube an höhere Dimensionen und daran, dass wir alle eine Seele haben. Manche bleiben nach diesem Leben hier, manche ziehen weiter.

Haben Sie das Amt der Priesterin ausgeübt?

Ich habe als freie Traurednerin schon manche Hochzeit vollzogen, ja. Ich kann kirchliche und religiöse Trauungen ebenso abhalten wie freie, von der Religion gelöste. Das nehmen vor allem Paare in Anspruch, die nicht in einer Kirche heiraten können: Angehörige der LGBTQ-Community etwa oder Menschen verschiedener Religionen. Bringt sie alle her zu mir! Ich bin sehr offen an diese Dinge herangeführt worden und möchte das gern weitergeben.

Was reizte Sie an der Rolle des Mediums Oda Mae Brown?

Schon in der Highschool in Amerika spielte ich in einer Menge Musicals und genoss es immer sehr. Ich wollte also schon lange ins Musiktheater zurück, doch es gibt hier nun mal nicht allzu viele Rollen für „people of colour“. Also wollte natürlich jede die Oda Mae spielen, die dafür infrage kam. Dass ich die Rolle bekommen habe, ist für mich ein gewaltiges Glück. Ich hatte sie mir sehr gewünscht und bin meiner Meinung nach auch perfekt darauf vorbereitet: Für meine Rolle zapfe ich meine Mutter und Großmutter, meine Tanten und Großtanten an. Sie geben mir die nötige Spritzigkeit, die ich brauche. „Being sassy“, darum geht es. Meine Großmutter verließ uns dieses Jahr, und für gewisse Aspekte an Oda Mae hole ich sie zurück. Sie war eine lustige, mächtige Frau, der man nicht widersprochen hat. Andere Facetten der Rolle erinnern mich sehr an meine Ma, die Theaterregisseurin ist – der Glamour und der Glanz.

Welcher Teil von Ihnen findet sich in der Rolle?

Der spirituelle Part dieser Rolle ist am ehesten Kim Sanders. Der Teil, der versteht, was sie erlebt und durchmacht, wenn sie das Jenseits anzapft. Ein bisschen unheimlich, wenn man darüber nachdenkt, nicht? (Lacht)

Wann haben Sie den Film „Ghost“ zuletzt angesehen?

Vor zwei Tagen! Ich nehme ihn sehr genau unter die Lupe, um mich in die Rolle hineinzufinden. Whoopi Goldberg in der Hauptrolle ist meine Referenz, anhand derer ich meine Oda Mae baue. Ich habe es sogar geschafft, die deutsche Sprache mit einer typisch rollenden Kopfbewegung zu vereinen, die wir afroamerikanischen Frauen so gerne machen: „Nein, nein, nein, das geht gar nicht!“, sage ich dann, rolle mit dem Kopf und alle wissen sofort, jetzt wird es ernst. (Lacht)

Die deutsche Synchronfassung ist also kein Problem?

Ein Problem nicht, aber merkwürdig ist sie manchmal schon! Viele Worte entsprechen so absolut nicht meinem Alltagsdeutsch. Als das erste Mal von „Mordsreibach“ die Rede war, dachte ich, das wäre eine Stadt im Odenwald!

Was war Ihr erster Eindruck von Deutschland?

Das erste Mal war ich im Alter von sieben Jahren hier. Mein Opa war damals in Nürnberg stationiert, und ich lebte eine Weile bei meinen Großeltern. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich allein von Chicago nach Frankfurt geflogen bin und wir dann gemeinsam nach Nürnberg gefahren sind. Im Auto schlief ich, und als ich aufwachte, fuhren wir gerade nach Nürnberg hinein. Ich kam mir vor wie im Märchen! Es fühlte sich nach Zuhause an, ich mochte die Brötchen und alles so sehr, dass ich glaube, dass ich in einem früheren Leben schon mal in Deutschland gelebt habe.

Und heute?

Heute weiß ich es sehr zu schätzen, dass ich einfach ich selbst sein kann. Dass es weniger Probleme wegen meiner Hautfarbe gibt. Es ist wirklich schön, Auto zu fahren und nicht ständig angehalten zu werden.

Vermissen Sie etwas aus Amerika?

Meine Familie natürlich. Und vielleicht die Möglichkeiten der Entertainment-Industrie. In den USA gäbe es wahrscheinlich deutlich mehr Rollen für mich – auch in der Musik. Wenn du nicht in die Wall Street passt, kannst du immer noch ein Jay-Z oder eine Beyoncé werden. Aber das war’s auch schon. Wow, ich scheine echt ziemlich eingedeutscht mittlerweile.

Wie war das Aufwachsen in einer musikalischen Familie wie der Ihren?

Ich mochte es sehr, hatte manchmal aber das Gefühl, dass meine Mutter mich zu sehr in eine Richtung drängen wollte. Heute denke ich, dass ich einfach nur einen Dickkopf hatte; eigentlich wusste ich schon mit sechs, dass ich Sängerin werden wollte.

Ist „Ghost“ Ihr erstes Musical seit der Highschool?

Es gab da ein kleines Weihnachtsmusical für Kinder in Dresden, das war so um 2014. Ich spielte eine betrunkene Rum-Rosine mit Afro, die nicht in den Weihnachtsstollen wollte. Eine Show von der Größe wie „Ghost“, und da reden wir schließlich über Broadway-Größe, habe ich aber noch nie gemacht. Das verlangt mir restlos alles ab.

Sind Sie in Stimmung, über Ihre Zeit bei Eurodance zu sprechen?

Ich war jung und brauchte das Geld für meine Aufenthaltserlaubnis. Damals wohnte ich in Heidelberg und wollte eigentlich Jazz singen. Das war schon immer mein Traum gewesen. In einem Studio in Walldorf nahm ich ein Demo auf, mit dem ich mich als Jazzsängerin bei Bands bewerben wollte. Ein Techniker war so begeistert von meiner Stimme, dass er mich für Eurodance-Produktionen vorschlug. Also nahm ich den Titel „Show me“ auf – und so begann es für mich. Na ja, es brachte mir die nötige Kohle für meine Aufenthaltserlaubnis ein. Für mich war es außerdem der Einstieg in die Musikindustrie, also bin ich sehr froh, dass ich diese Möglichkeit hatte. Vielleicht bin ich kein Superstar geworden, wie man das in Amerika werden kann. Aber hey, dafür habe ich eine gute Krankenversicherung!

Und wie verschlägt es eine gestandene Künstlerin wie Sie zu „The Voice“?

„The Voice“ kam an dem Punkt in meiner Karriere, als meine Gesangsstimme, mein Gesicht und mein Name endlich eins wurden. Ja, ich hatte einige Erfolge in der Vergangenheit, doch niemals mit meinem eigenen Namen. Ich sang für Culture Beat oder Captain Hollywood, nicht für mich. Damals gab es kein Social Media, also blieb ich weitgehend im Hintergrund. Ich wollte aber weiterhin meine eigenen Songs singen, in denen es um mehr ging als „throw our hands up in the air!“, wollte mich ein wenig mehr ins Sichtfeld rücken. Deswegen machte ich bei „The Voice“ mit.

Wo Sie sich Ivy Quainoo geschlagen geben mussten . . . 

Das finde ich nicht schlimm. Im Gegenteil. Wo sind denn die Erstplatzierten heute? Als Zweite bekommst du nicht den ganzen Trubel ab und kannst dich mehr auf die Musik konzentrieren. Das habe ich gemacht – und jetzt bin ich hier.