Soll ab 2013 Intendant des Stuttgarter Staatsschauspiel werden. Foto: AP

Findungskommission einigt sich auf Armin Petras als Nachfolger von Intendant Hasko Weber.

Stuttgart - Schneller als erwartet hat sich die Findungskommission auf einen neuen Mann auf dem Intendantenstuhl des Staatsschauspiels Stuttgart geeinigt. Für Hasko Weber, den es nach acht Spielzeiten 2013 nach Berlin und in freie Arbeit zieht, soll Armin Petras (47) kommen, als Regisseur wie als Autor (unter dem Pseudonym Fritz Kater) bekannter Theatertausendsassa und seit 2006 Intendant des Berliner Maxim Gorki-Theaters.

Dies gab Jürgen Walter (Grüne), Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, am Montagnachmittag nach einer abschließenden Sitzung der Findungskommission bekannt.

Theatermacher mit viel Leidenschaft
 
Der Mann ist ein Phänomen, Geschwindigkeit sein Prinzip. Dass bei so viel Eile öfter einmal etwas unklar gerät, nimmt Armin Petras in Kauf. So war es etwa einst zu sehen in Leipzig bei seiner Inszenierung von "Horns Ende". Im Rückblick auf das Leben einer DDR-Kleinstadt in den fünfziger Jahren beschrieb das Stück, wie der Kommando-Sozialismus von Beginn an seinen Untergang in sich trug. Petras schlägt sich wie eh und je auf die Seite der Verlierer der Geschichte, der Behinderten, der Flüchtlinge und - des stalinistischen Bürgermeisters. Der erscheint zuletzt mehr als ein an bösartiger provinzieller Borniertheit Gescheiterter denn wie der Funktionär einer despotischen Staatsmacht. Gedankliche Inkonsequenz kommt in diesem immer improvisiert wirkendem Theater nicht eben selten vor. Aber Gedanken sind wandelbar, und Wahrheit wohnt ohnehin nicht im Wort. "Schauspieler", sagt Petras, "werden erst dann entlassen, wenn ich den Körpern glaube."

Auch den eigenen Stücken, die er unter dem Pseudonym Fritz Kater verfasst, nähert er sich grundsätzlich ironisch. Texte haben für ihn allenfalls Materialwert. Die Inszenierungen, voll gestopft mit Slapstick-Einlagen, Videos und Pop-Musik, wirken häufig wie durchgeknallte Kindergeburtstage für Erwachsene. Doch plötzlich und immer wieder überraschend kippt ausgestellter Klamauk in ausgestellten Ernst. Nicht was gesagt wird, sondern Konzentration, Haltung und Präsenz zählen, wenn Zerrüttete und Verworfene ihre namenlose Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Liebe und Solidarität entdecken. Der Regisseur als Menschenfischer, das ist das Besondere an dem Theater dieses heimlichen Romantikers.

Seine Schauspieler lieben ihn

Armin Petras hat seinen Aufstieg zu einem der meistgefragten Regisseure regelrecht erschuftet. Seit mehr als 15 Jahren rotiert der 47-Jährige ruhelos durchs Bühnenland. Zwei Premieren an einem Tag in verschiedenen Städten gehörten zeitweilig zu seinen leichteren Übungen. Off-Theater in der zerfallenden DDR, Lehrjahre am Frankfurter Tat und bei Dieter Dorn, Arbeiten in der Ostprovinz, Schauspieldirektor in Nordhausen und Kassel heißen die Stationen des rasenden Armin. Bis er Anfang des neuen Jahrtausends endlich in den großen Häusern von Frankfurt, Hamburg und Berlin akzeptiert wurde.

Nicht allein die, gelinde gesagt, herausfordernde Ästhetik, auch sein Thema, die Rettung östlichen Eigensinns für den Erfahrungsschatz des vereinigten Landes, wirkte lange befremdlich. Es bedurfte des zähneknirschend geschlossenen geistigen Waffenstillstands zwischen Ost und West, bedurfte der Krise des Wohlfahrtsstaates bis Petras und sein Autoren-Alter-Ego Fritz Kater Zustimmung fanden. So zerklüftet wie die Inszenierungen sind auch die Stücke. Zu Beginn der neunziger Jahre noch surrealistisch rätselhaft, entwickelte der Autor in den letzten Jahren eine Art autobiografisch eingefärbtes, modernes Volksstück. Von Kindheit und Pubertät in der DDR erzählt "Zeit zu lieben, Zeit zu sterben"; eine kolportagehafte Ost-West-Spionagegeschichte das darauf folgende "We are camera / Jasonmaterial". Beide Stücke wurden mit Preisen überhäuft, Petras' Inszenierungen am Hamburger Thalia Theater zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

So erfolgte auch die Berufung zum Intendanten des Maxim-Gorki-Theaters ausdrücklich wegen Armin Petras' "Ost-West-Kompetenz". Um gemeinsam mit Petras das kleinste Berliner Staatstheater wachzurütteln, schlugen Protagonisten wie Fritzi Haberlandt und Peter Kurth besser dotierte Angebote aus. Seine Schauspieler lieben ihn. Und nicht nur deshalb hoffen nicht wenige Theaterfreunde, dass der eine oder die andere mitkommen werden, wenn Armin Petras zur Spielzeit 2013/2014 als Nachfolger von Hasko Weber Intendant des Staatsschauspiels Stuttgart werden wird.