Während der Sanierung des Landtagsgebäudes in Stuttgart ist das Kunstgebäude am Schlossplatz Bühne der Landespolitik. Und nach 2016? Soll eine kulturelle Nutzung gesichert werden, sagen Land und Stadt übereinstimmend. Noch aber ist unklar, wie diese aussehen soll.
Stuttgart - Während der Sanierung des Landtagsgebäudes in Stuttgart ist das Kunstgebäude am Schlossplatz Bühne der Landespolitik. Und nach 2016? Soll eine kulturelle Nutzung gesichert werden, sagen Land und Stadt übereinstimmend. Noch aber ist unklar, wie diese aussehen soll.
Die Ausgangslage
Vor acht Jahren war in den Stuttgarter Nachrichten zu lesen: „Das Kulturquartier der Landeshauptstadt ist – durch Staatsgalerie, Kunstmuseum und die Innenstadtkinos Bolzstraße – in seinen Eckpfeilern klar umrissen. Und es hat ein unübersehbares Zentrum. Stolz thront der Goldene Hirsch auf dem Kuppeldach über dem Kunstgebäude am Schlossplatz. Kunst, Architektur, Film, Design: Das Kunstgebäude ist ein offenes Haus und bestätigt dies auch mit Öffnungszeiten bis 24 Uhr. Schauen, hören, staunen, studieren, blättern, plaudern, essen – eine Gastgeberbühne aus dem Bilderbuch und eine souveräne Antwort auf das Projekt Palais de Tokyo in Paris.
Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Wer glaubte, mit dem Umzug der Städtischen Galerie in den Neubau am Kleinen Schlossplatz könne der Württembergische Kunstverein seinen Stammsitz als Forum widerstreitender aktueller künstlerischer Äußerungen etablieren, als Ort der Entgrenzung zudem wie auch der Analyse, als Kunsthaus auch, das Erinnerung bewusst zulässt, um die Fäden in die Gegenwart nicht zu verlieren, der sieht sich getäuscht.“
Hoffnungen
Acht Jahre später gibt es Anzeichen für eine Zukunft für die Vergangenheit. Jürgen Walter (Grüne), Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, hat im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten dieser Woche seine Hoffnungen für das Kunstgebäude nach 2016 skizziert. „Ich denke an diesem exponierten Ort an eine multifunktionale Nutzung“, sagte Walter, „in der wichtige Kunst- und Kultureinrichtungen netzwerkartig eingebunden sind.“ Und weiter: „Das Kunstgebäude besitzt durch seine exponierte Lage am zentralsten Ort in Stuttgart das momentan ungenutzte Potenzial, ein Haus für spartenübergreifende Gegenwartskunst von bildender Kunst über Tanz, Theater und Film bis hin zur Literatur. zu werden.“
Realitäten
Als 2004 die Städtische Galerie auszieht (2005 wird das Kunstmuseum Stuttgart eröffnet), bleibt das Kunstgebäude faktisch geteilt. Der Württembergische Kunstverein Stuttgart, zuvor Vermieter der Städtischen Galerieräume, muss Ausstellungsprojekte des Landes dulden. In unserer Zeitung heißt es 2006 hierzu: „Werden die Großen Landesausstellungen, für die ja das Land über das Finanzministerium das Kunstgebäude beansprucht, zu einer Falle, in der das Konzept und die Ansprüche der Kunstvereinsdirektoren Iris Dressler und Hans D. Christ verloren gehen? Schweigen zunächst. Dann aber der Hinweis, dass der gültige Nutzungsvertrag mit dem Land bis 2009 laufe, jedoch ,deutlich vorher neu verhandelt werden müsse. Christ sagt, was jeder diskutiert – dass es in Deutschland für die aktuelle Kunst keine zweite solche Bühne gebe, dass die Chancen hier einmalig seien und dass man deshalb baldmöglichst eine Konzeption für die ,dauerhafte Nutzung des ganzen Hauses‘ vorlegen werde.“
Die Interessenten
Wie kann und soll zehn Jahre und manche kommunalpolitische und landespolitische Entwicklungen später eine Zukunft im Kunstgebäude aussehen? Als Erstes sind Vertreter der Filmszene aus der Deckung gekommen. Mit gutem Grund, hat doch Stuttgart aktuell weder ein städtisches (Kommunales) Kino, noch eine feste Bühne für alle weiteren Themen im Filmbereich. Eine Fehlstelle – schon, weil die Filmfestivals (angeführt vom Internationalen Trickfilmfest, vom Indischen Filmfest und von der Filmschau Baden-Württemberg) einen Ort provozieren, an dem Themen weitergedacht und Kontakte vertieft werden. So sagt Uli Wegenast, Künstlerischer Leiter der Film- und Medienfestival gGmbH, unserer Zeitung: „Das neue Kommunale Kino, das mehr ist als Kino, sondern Ausstellungsort für Medienkunst und interaktive Angebote, wäre sicherlich im Kunstgebäude sehr gut aufgehoben.“ Wegenast weiter: „Es gäbe hervorragende Synergien zum Württembergischen Kunstverein, und natürlich würde das Internationale Trickfilm-Festival intensiv mit dem neuen Film- und Medienhaus in der Stadtmitte kooperieren.“
Das Kunstgebäude als „Film- und Medienhaus“? Werner Sobek, Leiter des Instituts für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart und international bekannter Vordenker nicht nur des Leichtbaus, sondern auch der fachübergreifenden Zusammenarbeit von Architekten, Ingenieuren, Gestaltern und Künstlern, sieht eine andere Chance.
Den Stuttgarter Nachrichten sagt Sobek: „Die Region Stuttgart verfügt über ein enormes Potenzial an Gestaltern – sei es im Bereich der Architektur, des Industrie- und des Kommunikationsdesigns, der Fotografie oder bei der Ausstellungsgestaltung. Diese kreative Kraft und Vielfalt muss viel stärker als bisher im Herzen der Stadt sichtbar werden.“ Und Sobek bekräftigt: „Wir brauchen dringend einen Ort, an dem über die Disziplinengrenzen hinaus über Gestaltung diskutiert werden kann, an dem wir der breiten Öffentlichkeit neue Entwicklungen präsentieren können – kurz: ein Ort, der informiert, inspiriert, verbindet.Das Kunstgebäude ist hierfür aufgrund seiner Lage und seiner Gestaltung prädestiniert.“
Verbindet man beide Positionen, kommt heraus: eine Zukunft für die Möglichkeiten, die im Juli 2004 diskutiert wurden – eine Zukunft, welche das Kunstgebäude im Ganzen zu einer neuen Einheit macht.