CO2-Kompensation nach Flugreisen? Für Miriam, Kolja und Ben ein alter Hut. Sie wollen nicht mehr fliegen. Stattdessen will Kolja jetzt sogar Autofahrten ausgleichen. Sind Reisen mit der Familie da noch möglich?
Stuttgart - Ein warmer Abend in der Woche vor den Sommerferien, im ersten Stock des Kulturzentrums Forum 3 in Stuttgart: Drei Schüler, die sich bei Fridays for Future engagieren, sind gekommen, um zu erzählen, wo und wie sie Urlaub machen.
Kann man diesen Sommer noch guten Gewissens ins Flugzeug steigen? Das wird derzeit vielerorts diskutiert. Schon 2005 machten die Gesamteffekte aus der Luftfahrt etwa fünf Prozent der weltweiten, vom Menschen verursachten Erwärmung aus. Zu diesem Schluss kam das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in einer jüngst veröffentlichten Studie. Der Stuttgarter Flughafen zählte letztes Jahr 11,8 Millionen Fluggäste. Dieses Jahr rechnet man damit, die 12-Millionen-Marke zu knacken. Kolja Schultheiß, Miriam Siebeck und Ben Engelhard werden nicht zu den Fluggästen zählen. Sie wollen die Welt retten. Das heißt für sie, auch beim Thema Urlaub konsequent zu bleiben.
Kolja Schultheiß, 17 Jahre, aus Esslingen
„Ich mache in diesen Sommerferien eine Interrail-Tour durch Schottland. Ich werde vier bis fünf Wochen unterwegs sein und mache alles komplett mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dieses Jahr fahre ich ohne meine Eltern weg. Das hat aber nichts damit zu tun, dass sie gegen die Idee sind. Bisher gab es beim Thema Reisen und Umweltschutz bei uns in der Familie keinen Streit. Meine Eltern sind noch nie geflogen. Das hat auch finanzielle Gründe. Wenn sie in den Urlaub fahren, mieten sie meist ein Auto. Ich habe kein Auto, komme über das Jahr hinweg aber auch nicht komplett ohne Autofahren aus. Ich mache Wildwasserpaddeln und bin dafür öfter mit dem Alpenverein unterwegs. Wann immer ich Auto fahre, notiere ich mir die Kilometer. Dieses Jahr habe ich vor, mir zu Weihnachten von meinen Eltern eine Kompensationszahlung für das Kohlenstoffdioxid zu wünschen, das ich durch Autofahren verursacht habe. Ich werde auf etwa 2.000 Kilometer kommen, das entspricht grob gerechnet rund 400 Kilogramm CO2. Für 50 Euro kann man zum Beispiel bei dem Anbieter Atmosfair rund zwei Tonnen CO2 kompensieren lassen. Damit wären meine Autofahrten also um ein weites gedeckt, das wäre ein gutes Weihnachtsgeschenk. Die Bahn ist momentan das umweltverträglichste Verkehrsmittel. Und trotzdem ist Bahnfahren in Deutschland oft viel teurer als Autofahren und sogar teurer als Fliegen. Das finde ich schlimm. In den Sommerferien werden die Streiks in Stuttgart weitergehen. Die Klimakrise macht ja auch keine Ferien. Ich möchte meinen Kindern einmal sagen können: Guckt in eure Geschichtsbücher, da seht ihr unsere Bewegung, damals haben wir die Welt gerettet. Egal was passiert, ich möchte sagen können, dass wir es wenigstens versucht haben.“
Miriam Siebeck, 14 Jahre, aus Stuttgart
„Bei uns in der Familie war die Urlaubsplanung etwas kompliziert. Ursprünglich war der Plan, dass wir mit Zug und Schiff nach Griechenland fahren. Aber ich arbeite erst noch in einem Zeltlager mit und werde deshalb später zu meinen Eltern stoßen. Dann wäre ich etwa zwei Tage lang allein unterwegs gewesen auf dem Weg nach Griechenland. Das wollten meine Eltern nicht. Dass ich fliege, kam für mich nicht in Frage. Deshalb fahren wir jetzt stattdessen mit dem Zug nach Italien, da dauert die Anreise nicht so lange. Vor Ort mieten wir uns ein Auto für kürzere Strecken. Alle in meiner Familie sind gegen das Fliegen, wir haben gemeinsam nach der nachhaltigsten Lösung gesucht und meine Eltern verstehen meine Position. Durch Fridays for Future bin ich aber noch konsequenter geworden als früher. Mein Vater ist geschäftlich viel unterwegs. Meine Geschwister und ich liegen ihm in den Ohren, dass er endlich aufhören soll zu fliegen. Meine Schwester hat mal im Netz einen Flug nach Mallorca gefunden, der war billiger als ihr S-Bahn-Ticket von Stuttgart in einen Vorort zum Geigenunterricht. Das System ist das Problem. Für uns bei Fridays for Future in Stuttgart sehe ich es als Ziel, in der nächsten Zeit noch mehr Menschen von anderen Schularten zu mobilisieren. Bisher sind Schüler des Gymnasiums überrepräsentiert.“
Ben Engelhard, 17 Jahre, aus Besigheim
„Meine Eltern und ich machen diesen Sommer eine Interrail-Tour mit dem Zug durch Skandinavien. Wir haben uns einen Monat Zeit genommen. Meine Eltern sind selbstständige Architekten, deshalb können sie ihre Arbeit mit auf die Reise nehmen. Früher sind wir schon geflogen als Familie, seit einigen Jahren aber nicht mehr. Durch die Fridays-for-Future-Bewegung bin ich bei dem Thema noch stärker sensibilisiert als früher. Ich habe gesagt, dass ich nicht fliegen will und dann haben wir uns in der Familie für die Zugreise entschieden. Meine Eltern bezahlen das Interrail-Ticket für mich. Es gab keine großen Diskussionen, weil meine Eltern auch recht umweltbewusst leben. Ein Auto haben sie aber. Unterwegs wollen wir versuchen, in möglichst nachhaltigen Unterkünften zu übernachten, die zum Beispiel Bio-Essen anbieten. Da gibt’ es entsprechende Empfehlungsportale im Internet oder spezielle Reiseführer. Bei der Stuttgarter Fridays-for-Future-Gruppe habe ich schon das Gefühl, dass die meisten aus Familien kommen, die sich auch viel mit dem Klima beschäftigt und dass es dementsprechend beim Thema Urlaub keinen großen Streit gibt. Viele Leute sagen ja, dass individuelles Verhalten eh keinen Unterschied beim Klimawandel macht. Ich kann dieses Argument nicht nachvollziehen. Da könnte ich doch genau so gut sagen: Warum soll ich wählen gehen, wenn meine einzelne Stimme eh nicht ins Gewicht fällt?“