Obwohl Elfriede Wintergerst selten in den Bunker steigt, findet sie ihn praktisch. Foto: Jacobs

Elfriede Wintergerst hat einen Bunker im Garten – und lagert dort ihre Blumentöpfe.

Möhringen - Ich geh mal in den Bunker ’nunter“ – wenn dieser Satz in der Familie Wintergerst fällt, bedeutet das in der Regel, dass man etwas holt, was selten gebraucht wird. Früher waren es die Sägespäne für den Hühnerstall. Inzwischen sind es Blumenübertöpfe aus Ton. Wer Elfriede Wintergerst in den Bunker folgt, weiß auch, warum dort nicht die Gegenstände für den täglichen Gebrauch liegen. Denn um in den Bunker zu gelangen, muss die Möhringerin zuerst in den Garten gehen, die Tür des Gartenhäuschens aufschließen, die Holzplatten über der Öffnung im Boden beiseite schieben, um zum Schluss eine schmale Holzleiter hinterzuklettern. „Kühl ist es hier drin“, sagt sie. Aber die Kartoffeln lagert sie trotzdem weiterhin lieber in ihrem Keller. Denn im Bunker kann sich Elfriede Wintergerst kaum um ihre eigene Achse drehen – obwohl die 78-Jährige nicht beleibt ist. Aber der Bunker ist kaum mehr als ein runder Schacht, der in den Boden eingelassen worden ist. In die Wand ist eine Sitzgelegenheit eingelassen. „Dass hier mal acht Personen hätten drin sitzen sollen“, sagt Wintergerst und klingt verwundert.

Der Bunker im Garten – für die Möhringer Familie gehört er zum Haus dazu. „Wir wissen nicht, wer ihn gebaut hat“, sagt Heinz Erhardt, der Bruder von Elfriede Wintergerst. Ob es jemand von der Stadt war oder eine staatliche Behörde den Auftrag dazu erteilt hat – Erhardt zuckt mit den Schultern. „Irgendwann, kurz vor Kriegsende war der Bunker da“, sagt der 69-Jährige. Er selbst weiß nicht, ob er jemals bei einem Fliegerangriff im Bunkerschacht im Garten gesessen hat. Seine Schwester, Elfriede Wintergerst, kann sich nur an zwei Male erinnern. „Normalerweise sind wir in unseren Keller gegangen“, sagt sie. Das sei praktischer gewesen, denn dazu habe man das Haus nicht erst verlassen müssen. „Der hat auch ein Gewölbe, ist viel geräumiger und ist mit dem Nachbarhaus verbunden“, sagt sie. Wenn man im Keller durch einen Bombeneinschlag verschüttet worden wäre, blieb noch die Gelegenheit, über den Verbindungsgang zum Nachbarhaus herauszukommen.

Überall wo es keine großen Bunkeranlagen gab, entstanden Rundbunker

Ganz so unvermittelt ist der Bunker natürlich nicht in den Garten der Familie Erhardt gekommen. Wie der Verein Stuttgarter Schutzbauten dokumentiert hat, sind in Stuttgart im letzten Weltkriegsjahr rund 250 dieser sogenannten Rundbunker entstanden. Ihr Erfinder war der Oberbaurat Fritz Baumann vom Stuttgarter Tiefbauamt, der 1942 in seiner Freizeit einen solchen Bunker konzipiert und seinen Entwurf 1943 zum Patent angemeldet hatte. Die Bunker sollten überall dort gebaut werden, wo es keine großen Bunkeranlagen gab und sich der Untergrund nicht für selbst gegrabene Stollen eignete.

Während des Krieges kam der Bunker im Garten der Familie Erhardt also wenig zum Einsatz – nach dem Krieg dafür umso mehr. „Unser Vater hat gesagt: Was soll ich den verfüllen, so habe ich doch schon mal einen Keller“, schildert Heinz Erhardt. Über den Keller baute der Vater dann das Gartenhäuschen mit Hühnerstall und nutzte den Bunker als Lagerraum. Wenn er ein Auge drauf hatte, durften die Kinder auch darin spielen – allerdings war der Schacht aufgrund der Enge kein Spielplatz, der lange von Interesse war. Auch die beiden Betonplatten, mit denen der Bunker nach oben verschlossen wurde, habe der Vater genutzt. „Die waren so massiv, dass sie nicht kaputtgingen, wenn er darauf Holz hackte“, sagt Erhardt.

Nach dem Kenntnisstand von Elfriede Wintergerst und Heinz Erhardt war ihr Vater der einzige in der Nachbarschaft, der den Bunker weiter nutzte. „Ich weiß, dass es in unserer Nachbarschaft noch zwei weitere Bunker gab“, sagt Erhardt. „Aber die sind verfüllt.“ Warum es nur drei Bunker in der Nachbarschaft um die Fleischhauerstraße gab und ob noch mehr geplant waren, all das weiß die Familie nicht. Was sie künftig mit dem Bunker machen wird? Elfriede Wintergerst will ihn weiter nutzen wie bisher. „Es sei denn, wir können ihn vermieten“, witzelt ihr Bruder.