Fast jeder Vierte bricht seine Ausbildung ab. Die Initiative Vera will gegensteuern. Foto: z

Hans-Dieter Mechler hat die Initiative in Baden-Württemberg aufgebaut und bekannt gemacht.

Rohr - Ein wenig stolz ist Hans-Dieter Mechler schon. Denn ihm ist es zu verdanken, dass es die Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen, kurz Vera, mittlerweile in ganz Baden-Württemberg gibt. Mechler war 2010 von der Handwerkskammer Stuttgart angesprochen worden, ob er das Projekt im Land bekannt machen wolle. Damals gab es die Initiative Vera überall in Deutschland, nur eben nicht im Südwesten.

Mechler war von der Idee begeistert. Bei Vera bekommen Jugendliche und junge Erwachsene, die mit dem Gedanken spielen, ihre Ausbildung abzubrechen beziehungsweise denen ein Rausschmiss droht, einen ehrenamtlichen Begleiter zur Seite gestellt. Das sind Menschen wie Mechler, die sich nach einem erfolgreichen Arbeitsleben in ihrem Ruhestand ehrenamtlich engagieren und ihr Wissen weitergeben wollen.

Die Zahlen sprechen für sich. Rund jeder vierte Lehrling bricht seine Ausbildung ab. Diese Zahlen wurden vom Bundesinstitut für Berufsbildung Anfang des Jahres veröffentlicht. Das ist der höchste Stand seit dem Wirtschaftsboom nach der Wiedervereinigung. Bei Mechler klingeln bei solchen Meldungen die Alarmglocken. „So etwas kann doch niemandem gleichgültig sein“, sagt er. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Initiative Vera nehmen sich Zeit für die jungen Menschen, sie hören ihnen zu und versuchen so, der Ursache für den drohenden Ausbildungsabbruch auf den Grund zu gehen. Die Gespräche finden auf neutralem Boden statt, beispielsweise in einem Café.

Bundesweit fast die Nummer 1

„Am Anfang sind viele der jungen Menschen arrogant“, sagt Mechler. Doch bei dem zweiten oder dritten Gespräch falle die Fassade in sich zusammen und „dann sieht man den jungen Menschen mit all seinen Problemen“, sagt Mechler. Dabei beruht Vera auf zwei Prinzipien. Zum einen müssen die jungen Menschen die Hilfe freiwillig in Anspruch nehmen. Natürlich seien es meistens die Eltern, Lehrer oder Vorgesetzten, die sich zunächst bei ihm melden, sagt Mechler und ergänzt: „Aber dann bitte ich immer darum, dass die Betroffenen selbst bei mir anrufen. Und ich bitte darum, dass ich ihnen erklären darf, worum es bei der ehrenamtlichen Begleitung geht.“ Das zweite Prinzip sei das der Verschwiegenheit. Oft würden die Eltern, wenn sie sich bei Mechler melden, am Ende noch so beiläufig hinzufügen: „Wir bleiben dann in Kontakt.“ Die Antwort sei dann immer ein deutliches Nein. Denn es gehe um die jungen Menschen und nicht um deren Eltern, Lehrer und Vorgesetzten.

Bundesweit hat es bei Vera bislang rund 3000 Anfragen gegeben. Zwei Drittel der jungen Menschen haben Probleme in der Berufsschule. Meist sei es Prüfungsangst, sagt Mechler. Rund 650 derjenigen, denen ein Ausbildungsabbruch droht, kommen in ihrem Betrieb nicht zurecht. In 350 Fällen liegen die Gründe im persönlichen Umfeld. Das könne beispielsweise bedeuten, dass die Eltern zerstritten seien oder dass die jungen Menschen schlicht einen neuen Partner haben, der sie alles andere vergessen lasse, sagt Mechler.

Seitdem es die Initiative Vera im Südwesten gibt, hatte Mechler rund 450 Anfragen. „Damit sind wir bundesweit fast die Nummer 1“, sagt er. Für ihn ist das nicht nur ein Beweis dafür, dass der Bedarf auch im Südwesten groß ist, sondern auch dafür, dass Vera im Land mittlerweile bekannt ist und geschätzt wird. Dass er 2010 das Ehrenamt übernahm, hat Mechler nie bereut. Im Gegenteil: „Die Begeisterung wächst mit jedem Tag“, sagt er. Nur eines sei bedauerlich. Nämlich dass er selbst nicht mehr als ehrenamtlicher Begleiter unterwegs sein könne, weil die Organisation ihn so in Anspruch nehme.

HILFE ZUR SELBSTHILFE

Senior-Experten-Service
Vera ist eine Initiative unter dem Dach des Senior-Experten-Services (SES). Dieser ist eine Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH und eine gemeinnützige Gesellschaft. Der SES vermittelt seit mehr als 25 Jahren Rentner in alle Welt, damit sie mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung neue Projekte anstoßen und so Hilfe zur Selbsthilfe leisten können. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern sind die Senior-Experten unterwegs. Seit 2008 ist der SES mit der Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen auch im eigenen Land aktiv. Weitere Infos stehen unter www.ses-bonn.de und www.vera.ses-bonn.de.

Kontakt
Wer die Hilfe eines ehrenamtlichen Begleiters braucht oder sich bei Vera engagieren will, kann sich bei Hans-Dieter Mechler unter 01 71-8 22 99 23 melden oder eine Mail schreiben an H.undD.ME@t-online.de.