Gutes Personal sowohl im Service als auch in der Küche zu bekommen, ist für Gastronomen derzeit extrem schwierig. Foto: dpa/Expa

Wirte wollen ihre Betriebe wieder hochfahren, aber ihnen fehlen die Fachkräfte. Zudem setzen ihnen explodierende Preise und ein Warenmangel zu. Ein Stimmungsbild auf den Fildern und in Waldenbuch.

Der Frühling kündigt sich an und damit auch ein Aufschwung in der Gastronomie, wenn sich auf den Restaurantterrassen mutmaßlich wieder mehr Gäste einfinden werden. Doch den Betrieb hochfahren können viele Gastronomen dennoch nicht, da ihnen das Personal fehlt. „Ich suche seit Herbst Ersatz für eine Mitarbeiterin im Service“, sagt Matthias Gugeler, der den Gasthof Krone in Waldenbuch betreibt. Eine Angestellte sei schwanger geworden, eine andere langfristig erkrankt – unterm Strich würden ihm drei Servicekräfte im Mittagsbetrieb und ein bis zwei abends fehlen. Aus diesem Grund muss er sein Sternelokal in der Waldenbucher Altstadt mittwoch-, donnerstag- und samstagmittags zu lassen. „Normal hätte ich da offen“, sagt Gugeler.

 

Auf die Stelle, die er seit Monaten ausgeschrieben hat, habe er noch keine Bewerbung erhalten, die er ernsthaft hätte berücksichtigen können. Denn: „Nur zwei Hände und zwei Füße, das genügt nicht“, sagt er. Eine Servicekraft müsse in besonderem Maße ein Feingefühl haben für den Umgang mit den Gästen und auch mit dem Produkt, müsse aufmerksam sein, angenehm im persönlichen Auftritt und gut beraten können.

Kurzarbeit durchgestanden

Durch die beiden Lockdowns sei sein Haus „einigermaßen durchgekommen“, meint Gugeler. Um die Mitarbeiter zu halten, habe der Betrieb das Kurzarbeitergeld aufgestockt. Das sei immens wichtig gewesen, denn die Fachkräfte hätten zum Teil 1000 Euro weniger im Monat gehabt, rechnet er vor. „Ihnen hat das Trinkgeld gefehlt und auch die steuerfreien Zuschläge, die durch Nacht- und Feiertagsarbeit normalerweise obendrauf kommen.“

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Um gutes Personal anzuwerben, bietet Gugeler ein paar „Zuckerle“ an, wie er es nennt: eine schöne Arbeitsatmosphäre, eine überdurchschnittlich gute Bezahlung, er sei bei der Wohnungssuche behilflich, verteile das Trinkgeld gerecht und bei Bedarf könne er auch einen Firmenwagen stellen. Dass es trotz allem schwierig sei, Leute zu finden, sei klar, denn: „Wir konkurrieren im Großraum Stuttgart mit der Industrie. Im Vergleich zu Daimler oder Porsche haben wir vom Lohngefüge keine Chance.“ Um entsprechende Gehälter bezahlen zu können, müsste sich auch der Gast ändern und bereit sein, für seinen Restaurantbesuch tiefer in die Tasche zu greifen.

Das Personal ist verunsichert

Für Marius Tim Schlatter, der seit 2019 zusammen mit einem Partner das Wirtshaus Garbe in Plieningen führt, ist die Situation ebenfalls schwierig. Mit seinem großen Biergarten, in dem die Gäste an der frischen Luft und mit ausreichend Abstand essen können, geht er davon aus, dass ihn ein guter Sommer erwartet. „Aber wie wird der Herbst?“, fragt er sich schon jetzt. „Es gibt keine Garantie, dass wir nie mehr Kurzarbeit aussprechen müssen. Das verunsichert das Personal.“ Schlatter ist froh, einen festen Stamm an guten Mitarbeitern zu haben, von denen während der Lockdowns keiner das Handtuch geschmissen habe. Neues Personal zu finden, ist auch für ihn enorm schwierig. „Wir stellen ein, sobald sich die Chance bietet und sich jemand Gutes meldet. Wir sind immer auf der Suche.“ Um Anreize zu schaffen, bietet er den Mitarbeitern eine „extrem flexible Dienstplangestaltung“, eine Bezahlung deutlich über dem künftigen Mindestlohn, geringes Hierarchiedenken, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten. An der Tatsache, dass viel abends und an den Wochenenden gearbeitet werden müsse, könne er nichts ändern, „das ist halt Gastronomie“.

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Was Schlatter zudem zu schaffen macht, sind explodierende Nebenkosten. „Unsere Stromkosten im Januar haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt“, sagt er. Und auch die verteuerten Lebensmittel schlagen kräftig zu Buche, „besonders, wenn man vernünftige Produkte aus der Region kauft“. Für die Zukunft hofft der Gastronom zum einen, dass die Entscheidungsträger bereits im Sommer überlegen, wie mit dem Thema Corona im nächsten Herbst umgegangen wird. „Und ich hoffe, dass der einzelne Gast nicht den Spaß daran verliert, wegzugehen, auch wenn die Preise höher werden.“

Personal sucht seine Zukunft außerhalb der Gastronomie

Das hofft auch Maximilian Trautwein, der zusammen mit seinem Bruder Ferdinand das Gasthaus zur Linde in Möhringen betreibt. Er macht die Erfahrung, dass die Leute wieder Essengehen möchten, aber viele Gastronomen aufgrund des Personalmangels ihr Geschäft künstlich klein halten müssen. Für das Weindorf im Sommer habe er bislang kaum Aushilfen gefunden. „Es ist nicht das Problem, dass das Geschäft nicht anläuft, sondern dass das Geschäft nicht bewerkstelligt werden kann“, sagt Trautwein. Vielen sei die Branche zu unsicher. „Spätestens im zweiten Lockdown haben sich viele gefragt, ob das noch ihre Zukunft sein kann. Das ist ja auch verständlich.“ Er selbst habe das Glück, ein konstantes Team zu haben. Er versucht, seinen Betrieb attraktiv zu machen, indem er über Weihnachten zwei Wochen schließt, an Sonn- und Feiertagen die Küche kalt bleibt und auch an manchen Brückentagen. Da er erst abends öffnet, könne er seinen Mitarbeitern einen „klassischen Acht-Stunden-Tag“ anbieten – eben mit Beginn um 15 Uhr.

Toleranz der Gäste gefragt

Trautwein wirbt für Verständnis dafür, wenn in der momentanen Situation junge, ungelernte Kräfte in Restaurants aushelfen und deshalb ab und an vielleicht nicht alles perfekt läuft. „Ein Gast muss lernen, Gast zu sein und jungen Servicekräften eine gewisse Akzeptanz entgegenbringen.“

Neben den explodierenden Preisen bei Energie und Lebensmitteln – Salat sei zuletzt 30 Prozent teurer geworden –, stellt Trautwein einen Mangel fest, der seiner Branche zu schaffen mache. Rinderfilet oder Roastbeef beispielsweise seien extrem schwierig zu bekommen. Er nennt ein Beispiel: Regionales Staufferrind, das er am Vortag zu einem bestimmten Preis bestellt habe, habe der Lieferant am nächsten Tag nur noch zu einem 15 Prozent teureren Preis hergeben wollen nach dem Motto: „Nehmen oder nicht.“ Die Gastronomen kämen nicht umhin, dies an die Kunden weiterzugeben.

Mangel an Fachkräften und an Minijobs

Ausbildung
Gelitten hat die Gastronomie- und Hotelleriebranche schon lange. Die Zahl der Auszubildenden war lange Zeit stetig angewachsen und hatte 2007 mit rund 107 000 Azubis den Höchststand. In den darauffolgenden Jahren reduzierte sich die Zahl sukzessive; 2020 wurde der niedrigste Wert mit 45 500 Azubis erreicht. Für 2021 liegen noch keine Zahlen vor. An der Berliner Brillat-Savarin-Schule, der größten Ausbildungsstätte für das Gastgewerbe in Deutschland, gingen die Bewerbungen laut Schulleiter Jürgen Dietrich um die Hälfte zurück.

Mitarbeiter
2020 verlor die deutsche Gastronomie im Vergleich zum Vorjahr mehr als 346 000 Beschäftigte.

Minijobs
In der Pandemie ist die Zahl der Minijobs in Stuttgart deutlich zurückgegangen. 2021 gab es zehn Prozent weniger Jobs auf 450-Euro-Basis als zwei Jahre zuvor. Im Gastgewerbe gingen im selben Zeitraum rund 2900 Minijobs verloren – ein Einbruch von 25 Prozent. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mit.