Olaf Scholz hat im Bundestag eine kämpferische Rede gehalten. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der Bundeskanzler fordert in einer kämpferischen Rede Länder, Kommunen und die Opposition auf, gemeinsam das Land zu reformieren – er spricht von einem „Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit“. Wie reagiert die Union?

Es sind Worte, die zum Nachhallen geeignet sind. Zu viel sei in den vergangenen Jahren auf die lange Bank geschoben worden, sagt Kanzler Olaf Scholz (SPD): „Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch.“

Der Kanzler – nach einem Sturz beim Joggen im Gesicht noch immer sichtlich lädiert – trägt Augenklappe und Krawatte. Er hat einen kämpferischen Auftritt bei der Generaldebatte in der Haushaltswoche des Bundestages. Der Mann, dem oft Auftritte von buchhalterischem Charakter nachgesagt werden, zeigt sich beweglich hinter dem Rednerpult. Er rückt nah ans Pult, geht dann wieder zurück. Er dreht sich, um alle Winkel des Saales zu erreichen – und vergisst, wenn er in Richtung Opposition spricht, den werbenden, mahnenden, fordernden Einsatz der Hände nicht.

Scholz will „Tempo statt Stillstand“

Scholz schlägt Ländern, Kommunen und auch der oppositionellen Union im Bundestag einen gemeinsamen „Deutschland-Pakt“ vor, mit dessen Hilfe Deutschland moderner und vor allem weniger bürokratisch werden soll. „Tempo statt Stillstand, handeln statt aussitzen, Kooperation statt Streiterei. Das ist das Gebot der Stunde“, sagt Scholz. Nur gemeinsam könne man „den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit“ abschütteln. Des Kanzlers Hand geht immer wieder auf und ab.

Das, was der nüchterne Hamburger hier hält, ist eine echte Ruck-Rede. Der kämpferische Scholz ist in diesem Moment, wenn man so will, Staatsmann und Boxer zugleich – auch wenn er die Opposition vor Schattenboxen warnt. Vielmehr gehe es um „mutige Kompromisse“.

Gemeint ist mit dem sogenannten Deutschland-Pakt Folgendes: Planungsverfahren sollen beschleunigt werden – auch indem Bürgerbeteiligung möglichst online stattfindet. Schwertransporte, wichtig für die Errichtung von Windkraftanlagen, sollen künftiger leichter genehmigt werden. Straßen- und Schienenprojekte sollen beschleunigt werden. Darüber hinaus will der Bund mit dem Wachstumschancengesetz in Zeiten der Krise Impulse für die Wirtschaft setzen.

Die Geschichte mit dem Eisberg

In der Generaldebatte hat zuerst der Oppositionsführer das Wort. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz kann also in seiner Rede gar nicht auf das Angebot für einen Deutschland-Pakt antworten, weil er es noch nicht gehört hat.

Merz – wie der Rest der Republik in den vergangenen Monaten Zeuge des Dauerstreits in der Ampel – attackiert die Regierung hart. Er wirft Scholz vor, der werde mit dem Haushalt den Anforderungen nicht gerecht, die sich in der Sicherheitspolitik seit dem Krieg in der Ukraine stellten. Die Ampel verbrauche nur das Sondervermögen für die Bundeswehr, statt im Verteidigungshaushalt die Weichen für kommende Jahre zu stellen.

Genüsslich verweist Merz darauf, dass mehrere Grünen-Minister während der Haushaltsrede von Finanzminister Christian Lindner am Vortag das Plenum verlassen haben. FDP-Chef Lindner hatte in seiner Rede mit Blick auf Einsparnotwendigkeiten gesagt, spätestens ab 2028 komme „ein Eisberg, um nicht zu sagen ein Eisbergfeld“. Und: Es gelte umzusteuern.

„Spätestens seit gestern haben wir zwei Oppositionsführer, einen im Parlament und einen in der Regierung“, spottet Merz. „Auf gute Zusammenarbeit, Christian Lindner.“ Der Unions-Fraktionschef wirft der Ampel vor, auf einen „betreuenden, bevormundenden“, ja „paternalistischen“ Staat zu setzen. Das sorge auch dafür, dass sich Arbeit im Vergleich zu Transferbezug nicht ausreichend lohne. Merz kündigt an, das angekündigte Gesetz zur Kindergrundsicherung stoppen zu wollen.

Union stellt Bedingungen

Inhaltlich ist klar: Während die Unterschiede zur SPD-geführten Regierung beim Thema soziale Sicherung groß sind, gäbe es beim Thema Bürokratieabbau sicher Schnittmengen zwischen Ampel und Union. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der als erster Unionspolitiker nach dem Kanzler das Wort hat, sagt zum Kanzler-Angebot eines Deutschland-Pakts: Das Land sei in einer Lage, in der man „durchaus dieses Angebot von Ihnen ernst nehmen sollte“. Er stellt aber auch sogleich eine Bedingung: Der Kanzler müsse der Union beim Thema Flüchtlinge entgegenkommen.

Scholz hat in der Debatte einen Anfangspunkt gesetzt. Der Weg ist aber offensichtlich noch weit.