Nach Deutschland kommende Flüchtlinge könnten in Zukunft umgehend an einen „sicheren Ort außerhalb Europas“ zurückgeschickt werden – dafür setzt sich Innenminister Thomas de Maizière in Brüssel ein. Foto: dpa

Deutschland setzt sich mit Frankreich für einen Krisenmechanimus im europäischen Asylsystem ein. Ziel ist eine größere Flexibilität: Zur schnelleren Rückführung sollen in Krisenphasen die Ansprüche an sichere Drittstaaten aufgeweicht werden.

Berlin - Von den 160 000 Flüchtlingen, die bis Herbst 2017 von Italien und Griechenland aus über Europas verteilt werden sollen, leben inzwischen 11 966 in einem anderen EU-Staat. Dies hat die Brüsseler Kommission am Mittwoch bekannt gegeben – mit dem Hinweis, dass es vor Jahresfrist nicht einmal 500 waren. Die Zwischenbilanz ändert nichts daran, dass das europäische Asylsystem grundlegend erneuert werden muss. Die entsprechenden Vorschläge liegen schon seit Längerem auf dem Tisch und sind derzeit Gegenstand zäher Verhandlungen im Ministerrat der Regierungen.

Einblick in die schwierigen Gespräche über das sensible Thema, das in den vergangenen Jahren „gesellschaftliche Gräben aufgerissen hat“, gewährte in Berlin Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Bei einer Veranstaltung in der EU-Kommissionsvertretung betonte sie, dass es für das „Gesamtbauwerk“ aus mehr Außengrenzschutz, neuen Regeln für den Schengen-Raum und das sogenannte Dublin-System der Asylbewerberaufnahme noch viele Verhandlungsmonate benötigen werde. So stehen die osteuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei weiter jeder verpflichtenden Verteilung von Asylbewerbern ablehnend gegenüber.

Drei-Phasen-Modell mit Frankreich vorgeschlagen

Um den Widerstand zu überwinden, hat Deutschland zusammen mit Frankreich beim EU-Innenministertreffen Ende Januar auf Malta ein Drei-Phasen-Modell vorgeschlagen. In der erste Phase soll das leicht modifizierte Dublin-System gelten, wonach das europäische Erstaufnahmeland für das Asylverfahren eines Flüchtlings zuständig ist. Ab einem noch zu definierenden Schwellenwert würden die Regeln der zweiten Phase greifen: Dabei müsste jeder EU-Staat „ein Minimum an Flüchtlingen aufnehmen“, wie ein EU-Diplomat erläutert, „darüber hinaus könnte er jedoch alternativ andere Solidaritätsmaßnahmen anbieten“. Das jeweilige Land könnte sich in gewissem Sinne also „freikaufen“ von der weiteren Aufnahme, indem es höhere Entwicklungsausgaben zur Bekämpfung von Fluchtursachen leistet oder anderen Mitgliedstaaten Asylentscheider oder Grenzschutzpolizisten zur Verfügung stellt.

In Brüssel ist die Bundesregierung schon weiter

Als „Massenzustrom“ wie im Jahr 2015 wird in dem deutsch-französischen Papier die dritte Phase bezeichnet. Dafür sind radikalere Maßnahmen vorgesehen. Über eine Forderung, die über die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission hinausgeht, referierte Innenstaatssekretärin Haber ausführlich: „Wir müssen einen speziellen Krisenmechanismus im europäischen Asylsystem schaffen.“ So dringt die Bundesregierung für diese Phase auf eine quasiautomatische Abschiebung in Anlehnung an das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen und darauf, die Ansprüche an sogenannte sichere Drittstaaten aufzuweichen, in die mit einem Mini-Asylverfahren abgeschoben werden kann.

„Ein Stück flexibler“ will Haber das europäische Gesetz fassen: „Man muss Flüchtlinge an einen sicheren Ort zurückführen dürfen, wo die Zustände menschenwürdig sind, der Europäischen Menschenrechtskonvention genügen, aber nicht darüber hinausgehen.“ Auch ihr Chef, Innenminister Thomas de Maizière (CDU), hat von einem „sicheren Ort außerhalb Europas“ gesprochen, damit eine innenpolitische Debatte über EU-Flüchtlingszentren in Afrika angestoßen und Zustimmung bei SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gefunden. In Brüssel arbeitet die Bundesregierung offenbar schon an der Umsetzung des Konzepts.