In vielen EU-Ländern Europas protestieren Bauern gegen die Regelungen aus Brüssel. In Osteuropa gehen sie auch gegen billige Importe aus der Ukraine auf die Straße. Foto: dpa/Vaclav Salek

Vor dem Hintergrund der Proteste der Landwirte, kündigt die EU Entlastungen an. Ein Grund für den Meinungswandel sind auch die anstehenden Europawahlen.

Europas Bauern sind wütend. Die Landwirte blockieren mit ihren Traktoren seit Wochen in zahlreichen EU-Ländern immer wieder Autobahnen und Innenstädte. Ziel ihres Zorns ist oft die Europäische Union, die etwa durch unzählige Regulierungen das Bewirtschaften der Höfe geradezu unmöglich mache. Dass die Wahrheit dabei manchmal auf der Strecke bleibt, geht zwischen den wirkmächtigen Fotos der Demos bisweilen unter.

Zum Showdown könnte es am Montag in Brüssel kommen. Im Europaviertel bereitet man sich jedenfalls auf den Ausnahmezustand vor, denn am Montag treffen sich dort die EU-Landwirtschaftsminister, um über die angespannte Situation zu beraten. Die Sicherheitskräfte sind vorgewarnt, vor einigen Tagen kam es bereits vor dem Europaparlament zu Ausschreitungen.

EU kündigt Entlastungen für die Bauern an

Die Bauern könnten eigentlich zufrieden sein, denn die Europäische Kommission hat längst Entlastungen für die Landwirte angekündigt, zu groß war offensichtlich der Druck der Straße geworden. Ein Grund für die Zugeständnisse sind auch die Europawahlen Anfang Juni. Befürchtet wird, dass rechte Populisten in der ganzen EU vom Zorn der Landwirte profitieren könnten.

Bereits im September hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch auf Drängen der konservativen Mehrheit im Europaparlament einen Dialog mit den unzufriedenen Landwirten angekündigt. Nach dem EU-Gipfel Anfang dieses Monats in Brüssel traf sie sich zum ersten Mal mit einer Abordnung der Bauern. Danach verkündete sie das Aussetzen der seit Monaten umstrittenen Pestizid-Verordnung, die den Einsatz von Pflanzenschutzmittel drastisch vermindern soll.

Weniger Kontrollen für die Landwirte

Am Donnerstag nun beschloss die EU-Kommission neue Erleichterungen. Wie so vieles in Brüssel hören sich diese Schritte sehr technokratisch an, würden aber die Landwirte deutlich entlasten, heißt es in Brüssel. So sollen bis zu 50 Prozent Vor-Ort-Kontrollen durch nationale Behörden wegfallen. Stattdessen sollen laut dem EU-Vorschlag digitale Überwachungssysteme ausgebaut werden, um den bürokratischen Aufwand zu senken. Zudem sollen bestimmte Standards, die für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen sorgen sollen, vereinfacht werden. Diese sogenannten GLÖZ-Standards müssen Landwirte einhalten, um von milliardenschweren EU-Agrarsubventionen profitieren zu können. Nachjustiert wird auch beim Ackerbau. Grundsätzlich sind Bauern in der EU gesetzlich dazu verpflichtet, vier Prozent ihrer Ackerfläche ungenutzt zu lassen. Das bleibt jetzt rückwirkend zum Jahresbeginn bis Ende 2024 ausgesetzt.

Die Kommission wolle „den Druck mindern, dem unsere hart arbeitenden Landwirte und Landwirtinnen derzeit ausgesetzt sind“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. So werde unter anderem der Bürokratieaufwand reduziert. Unterstützung bekommt sie von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. „Landwirtinnen und Landwirte wollen auf dem Feld oder im Stall stehen und nicht am Schreibtisch sitzen“, betonte er am Donnerstag. „Damit sie dafür mehr Zeit haben, will ich, dass die Arbeit im Büro einfacher wird. Ich begrüße sehr, dass die EU-Kommission dieses Ziel teilt.“

Ärger über Importe aus der Ukraine

Wie vielschichtig das Problem ist, konnte Ursula von der Leyen bei ihrem Besuch in Polen am Freitag erfahren. Dort und in anderen osteuropäischen Staaten blockieren Landwirte seit Tagen die Grenzübergänge zur Ukraine. Sie vereint allerdings nicht nur der Ärger über die europäische Bürokratie, sondern auch der Zorn über den Import billiger Produkte aus der Ukraine. Die EU hatte infolge des russischen Angriffskrieges die Zölle auf viele Einfuhren ausgesetzt. Nun beklagen die Bauern, dass etwa importierter Weizen in der Region unter dem Normalpreis verkauft wird. Da die Blockaden unter anderem die EU-Militärhilfe für die Ukraine ins Stocken bringen, greift die Regierung in Warschau zu drastischen Mitteln. Die Grenzübergänge und Bahnstrecken würden „auf die Liste der kritischen Infrastruktur“ gesetzt. Fraglich ist, ob dort dann noch Proteste erlaubt sind.