Landet die Reform der Schieneninfrastruktur – hier im Bild der Güterbahnhof Godorf im Süden Kölns – auf dem Abstellgleis? Das befürchten Experten und Verbände. Foto: Imago//Stefan Ziese

Die Bundesregierung kommt mit dem Umbau zur gemeinnützigen Schieneninfrastruktur nur sehr schleppend voran. In der Branche fürchtet man, dass die Reform nun zerredet wird.

Es ist eines der wichtigsten Vorhaben der Ampelkoalition. SPD, Grüne und FDP wollen das deutsche Schienennetz grundlegend modernisieren und dessen Betrieb und Verwaltung neu organisieren. Die bundeseigene Deutsche Bahn AG soll die vom Steuerzahler finanzierte und hoch bezuschusste Infrastruktur zwar weiter unter ihrem Konzerndach betreiben dürfen, doch die Gewinne aus dem Netz sollen künftig dort verbleiben und das neue Unternehmen gemeinnützig und nicht mehr profitorientiert arbeiten.

So weit die Theorie und die Festlegung auf Seite 50 im Koalitionsvertrag. In der Praxis sind auch 20 Monate später die meisten wichtigen Fragen noch offen. Fest steht nur, dass zum 1. Januar 2024 die beiden Infrastruktursparten DB Netz sowie DB Station und Service zusammengelegt werden sollen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seine „Steuerungsgruppe Transformation DB AG“ kommen mit dem „Infra GO“ betitelten Projekt bislang nur sehr schleppend voran. Die Unzufriedenheit in der Branche wächst.

Ein paar neue Türschilder und der Rest bleibt?

Besteht die Reform nur aus ein paar neuen Türschildern, und sonst geht es erst mal so weiter wie bisher? Das befürchten Experten wie Dirk Flege von der Allianz pro Schiene. Und ihre Sorgen sind berechtigt, denn es gibt erhebliche Widerstände gegen die Pläne im Unternehmen und bei der in der SPD einflussreichen Gewerkschaft EVG. Diese warnt populistisch vor einer „Zerschlagung“ des Bahn-Konzerns und hat tiefgreifende Änderungen wie die Abspaltung der staatlichen Infrastruktur bisher verhindert.

Fakt ist: Seit vielen Jahren wird über leistungsfähigeren Schienenverkehr in Deutschland zwar sehr viel debattiert, es gibt Arbeitskreise und Thesenpapiere. An den viel zu komplexen und ineffizienten Strukturen bei Betrieb, Erhalt, Modernisierung, Ausbau und Finanzierung der Infrastruktur aber hat sich wenig verbessert. Auch gut gemeinte Änderungen machten das System meist noch intransparenter und nur noch für Experten durchschaubar.

Selbst zentrale Fragen sind noch nicht geklärt

Selbst zentrale Fragen der geplanten Minireform sind bislang offenkundig nicht geklärt und abgestimmt. Das zeigt bereits die Themenliste eines aktuellen „Workshops“ der vom Ministerium beauftragten drei Beratungsfirmen mit acht großen Verkehrs- und Bahnverbänden. Da wird darüber debattiert, was eigentlich unter die Gemeinwohlorientierung der Infrastruktur fallen soll, zum Beispiel „zukunftssichere Qualität“, „verantwortungsvolles Wirtschaften“ und „hohe Effizienz in der Umsetzung“.

Dann geht es um „Lösungsansätze“ zum Verbleib der Gewinne im neuen Infrastrukturunternehmen und um Kennzahlen zur besseren Steuerung der Infrastruktur. Beides sind Kernprobleme, die seit vielen Jahren von der Politik und wechselnden Verkehrsministern nicht richtig angepackt wurden, obwohl der Bundesrechnungshof die Missstände in Prüfberichten immer wieder beanstandete und Reformen sowie eine bessere Steuerung des DB-Konzerns durch die Regierung anmahnte – meist vergeblich.

Der wahre Zustand der Infrastruktur blieb lange verborgen

Zum einen flossen über viele Jahre hohe Gewinne aus den hoch bezuschussten Monopolsparten DB Netz, DB Station + Service sowie DB Energie in die zentralen Konzernkassen und von dort teils in Geschäfte, die mit dem Schienenverkehr in Deutschland nichts zu tun haben und dafür dann fehlten. Zum anderen blieb der wahre Zustand der Infrastruktur lange verborgen, weil vernachlässigte Instandhaltung und Modernisierung sowie Unterfinanzierung durch wenig aussagekräftige Berichte und Kennzahlen geschönt wurden.

Wer dafür Beweise sehen möchte, findet in den Geschäftsberichten des Bahn-Konzerns und seiner Ableger die Milliardensummen an Gewinnen, die mit der staatlichen Infrastruktur seit der Bahnreform 1994 erzielt und in die zentralen Kassen transferiert wurden. Die jährlichen „Infrastrukturzustandsberichte“ der Bahn AG wiederum vermitteln den Eindruck, mit den vielen Steuermilliarden werde das Schienennetz bestens und effizient in Schuss gehalten – obwohl über lange Zeit viel zu wenig repariert, erneuert und erweitert wurde, was maßgeblich zu den heutigen massiven Engpässen und Verspätungen im Zugverkehr geführt hat.

Schweizer Bahn als Vorbild

Wie aber kann es besser werden? Auf dem Weg zu einer pünktlichen, attraktiven Bahn nach Schweizer Vorbild ist die geplante Reform nur ein kleiner Schritt, da sind sich Experten einig. Es werde mindestens ein Jahrzehnt dauern und eine dreistellige Milliardensumme kosten, das Schienennetz in Ordnung zu bringen, so die Bahn-Kenner.

Ebenfalls wichtig sei sicherzustellen, dass die dafür verwendeten vielen Steuergelder künftig effizienter und transparenter eingesetzt werden. Hierfür brauche es klarere Strukturen und wirksame Kontrollen. Federführend verantwortlich ist dafür die Politik: das Verkehrsministerium unter Volker Wissing.