Die AfD erlebt derzeit ein Umfragehoch. Foto: dpa/Swen Pförtner

In Umfragen erreicht die AfD aktuell Werte von bis zu 20 Prozent. Politikwissenschaftler Hans Vorländer ordnet die Lage ein und erklärt, inwiefern die Regierung zum aktuellen Erfolg beiträgt.

Die AfD erreicht in Umfragen bis zu 20 Prozent. Parteichefin Alice Weidel hat gesagt, die AfD wolle „natürlich“ einen Kanzlerkandidaten aufstellen. Gleichzeitig hat nach Einschätzungen des Verfassungsschutzes rund ein Drittel der Mitglieder extremistisches Potenzial. Politikwissenschaftler Hans Vorländer analysiert, wie andere Parteien damit umgehen sollten.

Herr Vorländer, nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben mehr als 10 000 AfD-Mitglieder ein extremistisches Potenzial. Warum ist die AfD trotzdem so erfolgreich?

Die AfD profitiert von den Krisen, der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik und der Ungewissheit über die weitere Entwicklung. Das war in der Migrationskrise und auch während Corona so. Jetzt stellt sie sich auf die Seite derer, die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisieren. Und der Klimawandel wird weitgehend geleugnet.

Und das reicht bereits aus für solche Umfrageerfolge? Müsste diese Einschätzung potenzielle Wähler nicht abschrecken?

Die AfD betreibt Fundamentalopposition. Mit den Mitteln rechtspopulistischer Rhetorik vertieft sie den Graben zwischen Regierungshandeln und dem, was „das Volk“ angeblich eigentlich will. Dabei gibt sie vor, den wahren Volkswillen zu vertreten und ihre Kritik in die Mitte der Gesellschaft hineinzutragen. Das untergräbt die Legitimität repräsentativer Politik und macht das demokratische System verächtlich, weil sie angeblich nicht mehr die Interessen und Bedürfnisse der Bürger bedient.

Mit dem Heizungsgesetz haben sich die Grünen bei vielen Menschen ziemlich unbeliebt gemacht. Ist das ein Grund dafür, dass die AfD nun so gewinnt?

Man kann nicht nachweisen, dass es unmittelbare, also kausal wirkende Zusammenhänge zwischen einzelnen Maßnahmen und der steigenden Zustimmung zur AfD gibt. Die Diskussion über den Heizungsaustausch ist allerdings ein Teil einer sehr großen Unzufriedenheit mit der derzeitigen Regierungsperformance. Das kommt denen zugute, die in rechtspopulistischer Art und Weise die Regierung kritisieren – und das macht die AfD in aggressiver Weise.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist auf einer umstrittenen Demonstration in Erding aufgetreten und hat dort von einer angeblichen „zwanghaften Veganisierung“ gesprochen. Wie wirkt sich so etwas aus auf die Umfragen aus?

Söder bedient das Narrativ der AfD und versucht, auf dieser Stimmungswelle zu surfen. Das ist allerdings die falsche Vorgehensweise. Letztlich wird nämlich das Original und nicht die Kopie gewählt – also die AfD, nicht die CSU. Die Buhrufe haben gezeigt, dass er damit auch keinen Erfolg haben kann.

Trägt denn auch die Regierung zum aktuellen Erfolg der AfD bei?

Die Regierung ist verantwortlich für das schlechte Stimmungsbild. Aus Umfragen wissen wir, dass es eine sehr große Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition gibt. Und das nützt der AfD. Hinzu kommt, dass die Union diese Unzufriedenheit nicht auffangen kann. Dazu wirkt sie viel zu unentschlossen und sehr uneinheitlich.

Wie ernst muss man solche Umfragen nehmen?

Ich glaube, die AfD wundert sich gerade selbst darüber, wie gut es für sie läuft. Die Umfragen sind aber auch nur ein Stimmungsbild und sagen nichts über die Höhe von AfD-Ergebnissen bei Wahlen. Da kommt es auf Personen, Programme und Profile, auch auf Kampagnen an. Wir haben immer wieder gesehen, dass die AfD bei Wahlen deutlich hinter ihren Erwartungen und den Stimmungsumfragen zurückbleibt. Und manche Wähler, die zwar unzufrieden sind, überlegen sich dann zweimal, ob sie eine in großen Teilen rechtsextreme Partei wählen.

Wie sollten die anderen Parteien am besten auf das Umfragehoch der AfD reagieren?

Die Ampelkoalition muss eine Politik machen, die in sich schlüssig und handwerklich sauber ist. Und sie muss diese Politik auch konsistent erklären. Sie darf nicht ein Bild der Unstimmigkeit abgeben, wie es zuletzt der Fall gewesen ist. Und die Union muss ihre Oppositionsrolle finden und konstruktive Gegenvorschläge machen.

Wie wirkt sich der aktuelle Erfolg der AfD auf andere Parteien aus?

Die anderen sind jetzt verunsichert und glauben, in die Erzählungen der AfD einstimmen zu müssen, wie man bei Herrn Aiwanger oder Herrn Söder gesehen hat. Herr Aiwanger hat zum Beispiel gesagt: „Wir holen uns das Land zurück.“ Genau das ist der undemokratische Ton der AfD. Dadurch macht man sie stark.

Zur Person

Hans Vorländer,
geboren 1954 in Wuppertal, ist Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung und des Mercator Forum Migration und Demokratie an der TU Dresden. Er ist Vorsitzender des Sachverständigenrates für Integration und Migration.