Hier in Sulzbach wurde der Ernstfall nur geübt. Doch wenngleich die DRK-Rettungskräfte gut ausgebildet und ausgestattet sind, können manche Einsätze sehr belastend sein. Foto: Lukas Hinderer

Der DRK-Kreisverband schult ehrenamtliche Einsatzkräfte in Psychotraumatologie und Stressbewältigung. Denn manchmal brauchen auch die Helfenden Hilfe.

Für diese Leiche war Alexandra Zoller nicht bereit. „Ich war gerade erst mit meinem Suchhund losgelaufen, und hatte mich noch gar nicht auf einen Fund eingestellt, mein interner Schutzschild war sozusagen noch nicht hochgefahren, da habe ich plötzlich den Toten gesehen“, erzählt die Hundetrainerin, die sich ehrenamtlich bei der DRK-Rettungshundestaffel engagiert und unter anderem als Coach für Einsatzkräftenachsorge ausgebildet ist. Der Schock saß tief, tiefer als bei etlichen Einsätzen zuvor. „Da ist es gut, wenn man danach mit jemandem darüber reden kann, der einen genau versteht, weil er solche Situationen aus eigener Erfahrung kennt.“

Spuren in der Seele

Zollers Beispiel ist kein Einzelfall. Das Ehrenamt des Roten Kreuzes bringt es mit sich, dass mitunter Einsätze für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer psychisch belastend sind. Nicht nur Leichenfunde, sondern auch schlimme Unfälle mit Schwerverletzten, erfolglose Reanimationen oder Einsätze, bei denen Babys, Kinder oder Jugendliche betroffen sind, können Spuren in der Seele hinterlassen und akute Belastungsreaktionen, posttraumatische Störungen und ähnliches hervorrufen.

Während nicht verletzte Betroffene und Angehörige schon seit vielen Jahren von Notfallseelsorgern und Kriseninterventionsteams psychologisch betreut werden, etabliert der DRK-Kreisverband nun auch ein Konzept, das die psychische Gesundheit der Einsatzkräfte fördern soll: die sogenannte „Peer-Prävention“. Es handelt sich um ein Konzept der „Psychosozialen Notfallversorgung – Einsatzkräftenachsorge“ (PSNV-E). Finanziert wird es von der Stiftung des DRK im Rems-Murr-Kreis und richtet sich an die 25 DRK-Bereitschaften der 26 Ortsvereine.

DRK-Stiftung finanziert Peer-Prävention

Alexandra Zoller und Heide Wieland sind ausgebildete PSNV-E-Trainerinnen. Sie haben am Wochenende in Waiblingen ein Dutzend ehrenamtliche DRK-Einsatzkräfte geschult und zu Multiplikatoren („Peers“) ausgebildet. Gefördert wurden dabei Fähigkeiten, mit denen die Einsatzkräfte in schwierigen Momenten für andere da sein können. Die Teilnehmenden werden unter anderem in Stressbewältigung und Psychotraumatologie geschult, ein weiterer Schwerpunkt ist die Gesprächsführung. Aber auch vorbeugende Maßnahmen durch Psychoedukation in der jeweiligen Gemeinschaft wie zielgruppengerechte Aufklärungs-, Informations- und Trainingsmaßnahmen sind ein Aspekt. Die geschulten Einsatzkräfte sollen über mögliche psychische Belastungen im Einsatz Bescheid wissen und aktive Methoden zur Stressbewältigung kennenlernen, um so eventuelle Belastungen selbst reduzieren zu können. „Es gibt zahlreiche Coping-Strategien, also bestimmte Verhaltens- und Denkweisen, die dazu dienen, mit Stress umzugehen und diesen zu bewältigen“, erklärt Alexandra Zoller. „Die Einsatzkräftenachsorge soll dazu beitragen, die Verwundbarkeit der Einsatzkräfte zu reduzieren und ihre Resilienz, ihre Widerstandsfähigkeit, zu erhöhen.“

Bei Bedarf weitere Hilfen ins Boot holen

In schweren Fällen kann allerdings auch die PSNV-E an ihre Grenzen stoßen. „Wir sind keine Psychologen und ersetzen keine Therapie“, sagt Alexandra Zoller. „Wenn wir merken, dass wir mit unserem Latein am Ende sind, gibt es, nach Rücksprache mit der Einsatzkraft und der Führungskraft, immer auch die Möglichkeit, weitere Hilfen ins Boot zu holen.“

Ansprechpartner auf Augenhöhe

Ziel des viertägigen Kurses ist es vor allem, dass die Helfenden in ihrer Gemeinschaft Ansprechpartner haben, mit denen sie angstfrei über ihre eigene Stressbelastung reden können:„Die Rettungskräfte der Bereitschaften kennen sich untereinander gut und spüren oft recht schnell, wenn sich eine Kollegin oder ein Kollege verändert, weil sie oder ihn etwas bedrückt“, sagt Heide Wieland. Mit bekannten Menschen zu sprechen, die sich dank ihrer Aus- und Fortbildung sowie ihrer Einsatzerfahrung „auf Augenhöhe“ befänden sowie zusätzlich über die entsprechende Peer-Prävention-Ausbildung verfügten, könne schon sehr viel bewirken.