Der Paternoster im Rathaus in Stuttgart darf wieder fahren. Am Dienstag wurde die Wiedereröffnung mit einer Party gefeiert. Im 2. Stock lief passende Fahrstuhlmusik wie „Upside Down“, „Love In An elevator“ oder „Hello again“.
Stuttgart - Rathaus Stuttgart, 12.42 Uhr: Unter dem Applaus von mehr als 100 Partygästen setzt sich der Paternoster in Bewegung. Links rauf, rechts runter. Die Stuttgarter und ihre Gäste können wieder in den historischen Aufzug - nach knapp acht Wochen Fahrverbot, verbunden mit dem drohenden Aus für das liebgewonnene Gefährt. Bei einer nicht ganz ernst gemeinten „Re-Opening-Party“ feiern sie am Dienstagmittag ihren kleinen Sieg über die Berliner Bürokratie mit Laugenrössle und der passenden Fahrstuhlmusik wie „Upside Down“, „Love In An Elevator“ oder „Hello Again“.
Wölfle: So nutzt man das "gefährliche Dings"
Es sei erfreulich, dass die Bundesregierung „bis hin zu Kanzlerin Merkel“ eingesehen habe, „dass wir selbst die Risiken abschätzen können, die das Leben so mit sich bringt“, spottet der Grünen-Politiker und Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle. Unter Gelächter gibt er die Instruktionen für die Nutzung des „gefährlichen Dings“: Festhalten, einen Fuß rein, den anderen nachziehen. Und im gewünschten Stockwerk das Gleiche - nur andersherum.
Wölfle: "Wir freuen uns diebisch"
Die beiden Grünen haben sichtlich Spaß, tragen ein Dauerlächeln auf den Lippen, widerlegt es doch den Ruf der Ökopartei als „Verbotspartei“ und „Spaßbremse“. Passender Weise durchschneiden sie dann auch ein rotes Band, denn das vorübergehende Fahrverbot stammte direkt aus dem Bundesarbeitsministerium der roten Ministerin Andrea Nahles (SPD). Zum 1. Juni hatte die „Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrenstoffen“ des Bundes den öffentlichen Betrieb von Paternostern untersagt. Nur eingewiesene Mitarbeiter etwa eines Bürohauses durften fahren. Es folgte starker Protest, woraufhin der Bundesrat im Juli mit einer „Ersten Verordnung zur Änderung“ das Ganze wieder kippte. „Wir freuen uns diebisch“, gibt Wölfle zu.
Die Stadt schätzt, dass fast 200 Gäste ihre Mittagspause zur Fahrt im Paternoster nutzten. „Führerscheine“ werden ausgestellt. Buttons mit der Aufschrift „Stuttgart fährt Paternoster“ sind gefragte Souvenirs.
Paternoster, 1880 in England erfunden, haben in Deutschland von jeher zu kämpfen. 1885 fährt der erste in Hamburg - ein Jahrhundert später verbietet die damalige Bundesregierung allerdings ihren Neubau. 1994 sollen die noch laufenden Aufzüge aus Sicherheitsgründen endgültig stillgelegt werden, was zum Aufschrei unter Nostalgikern und zur Gründung des „Vereins zur Rettung der letzten Paternoster“ führt.
TÜV: Technische Störungen sehr selten
So wie die Perlen des Rosenkranzes beim Vaterunser (lateinisch: Pater noster) durch die Finger wandern, laufen die offenen Kabinen der Aufzüge im Kreis - am Ende des Schachts angekommen, werden sie zur Seite gesetzt und fahren weiter. „Wenn die vorgeschriebenen Wartungen und Prüfungen durchgeführt werden, laufen die Anlagen in der Regel sehr zuverlässig. Technische Störungen als Unfallursache sind die Ausnahme“, sagt Thomas Oberst vom TÜV Süd, zuständig auch für die Paternoster im Stuttgarter Rathaus. Die seltenen Unfälle seien meist auf menschliche Fehler zurückzuführen, etwa Stolpern beim Einstieg oder „unsachgemäßes Verhalten“ in der Kabine.
In Baden-Württemberg gibt es nach früheren Ministeriumsangaben noch 17 Stück, gut 20 Jahre zuvor waren es noch 31. Deutschlandweit kam man damals auf rund 500. Wie viele davon heute noch ihre Runden drehen, ist nicht klar. Eine private Webseite zählt etwa 230, auch das Onlinelexikon Wikipedia kommt auf eine dreistellige Zahl. Schwerpunkte sind demnach etwa Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt. Die wenigsten Anlagen aber sind öffentlich zugänglich. „Wir sind hier kurz vor einer Attraktion“, sagt Untersteller.