Ministerpräsident Winfried Kretschmann verspricht, trotz aller Störfeuer entschlossen weiterzuarbeiten. Foto: dpa

Weil der Landtagsabgeordneten der Union die Wahlrechtsreform blockiert haben, schimpft die grüne Basis bei ihrem Parteitag auf die „Retro-CDU“. Die grün-schwarze Koalition stellt deshalb aber niemand infrage.

Leinfelden-Echterdingen - Nein, verdaut haben die Grünen es noch nicht, dass ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Reform des Landtagswahlrechts nach monatelangen koalitionsinternen Querelen für beendet erklärt hat. In der Aussprache zur politischen Lage auf dem Parteitag in Leinfelden-Echterdingen missbilligte die Parteibasis die eiserne Blockadehaltung der CDU-Fraktion, die letztlich zum Aus führte. Sie machte zudem deutlich, dass sie das grüne Herzensanliegen nicht einfach so aufgeben werde.

Später stimmten die Delegierten mehrheitlich dafür, dass beim Landtag ein Bürgerforum eingesetzt werden soll, das Reformvorschläge erarbeitet.

Der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand warf der CDU-Fraktion Totalverweigerung vor. „Das geht gar nicht“, sagte er. Auch die Landesvorsitzende der Grünen Jugend, Lena Schwelling, wies in ihrer Rede darauf hin, dass die Wahlrechtsreform „ein zwingender und wichtiger Bestandteil des Koalitionsvertrags“ gewesen sei. Es sei „beschissen“, dass die Akteure der CDU nicht in der Lage seien, das durchzusetzen, was vereinbart sei, sagte sie – und machte unmissverständlich klar: „Ich habe kein Vertrauen in die Zusammenarbeit mit der CDU.“

Parteibasis kritisiert auch Kretschmann

Auch viele Delegierte, meist aus dem linken Parteiflügel, wetterten in ihren Reden gegen den Koalitionspartner. Einige hätten sich jedoch auch ein Machtwort von Kretschmann gewünscht – und forderten die Grünen-Spitzen auf, künftig entschlossener aufzutreten und länger zu verhandeln statt einfach Kompromisse einzugehen, um Ruhe zu haben.

Daniel Jochum (Konstanz) zum Beispiel kritisierte, dass die CDU die Grünen „belogen und betrogen“ habe. Das Problem sei aber, dass man es mit sich machen lasse. „Das darf nicht unser Anspruch sein“, sagte er. Auch Marcel Emmerich (Ulm) sprach sich für einen härteren Umgang mit dem Juniorpartner aus: „Die CDU muss merken, dass wir den Ministerpräsidenten stellen.“

Schärfer und direkter kritisierten die Delegierten Kretschmann oder seinen Realo-Kurs nicht. Und es gab auch niemanden, der das Bündnis mit den Schwarzen infragestellte.

Ein Delegierter sieht Fehler der Fraktion

Sebastian Schäfer (Stuttgart) schrieb es auch den eigenen Reihen zu, dass das Koalitionsklima zuletzt gelitten hat. „Das Regieren mit der Retro-CDU“ sei schwierig, da müsse man kämpfen, erklärte er. Aber man habe mit dem Stimmverhalten bei der Wahl von Sabine Kurtz (CDU) zur neuen Landtags-Vizepräsidentin „plump und falsch“ reagiert.

Tatsächlich haben die Grünen sich dadurch den Bonus, öffentlich als der verlässliche und vertragstreue Partner dazustehen, umgehend wieder zertrümmert. Denn normalerweise stimmen Koalitionspartner im Parlament nicht mit wechselnden Mehrheiten und Postenvergaben werden abgenickt, wenn der Partner das Vorschlagsrecht hat. Kurtz war im ersten Wahlgang aber durchgefallen. Und ihre Wahl im zweiten Anlauf glückte nur, weil die einfache Mehrheit reichte. Schäfer plädierte dafür, sich nicht auf das Niveau der CDU herabzulassen.

Kretschmann: „Wir haben einen klaren Kompass“

Und wie bewertete Kretschmann den Zustand seiner Koalition? Die vorige Woche sei eine „schwere und ernste Belastungsprobe“ gewesen, räumte er ein. Aber all den Spekulationen über eine Deutschlandkoalition, die im Landtag eine Mehrheit mit nur zwei Stimmen hätte, oder einen Koalitionsbruch zwischen Grünen und CDU erteilte er in einer kämpferischen Rede eine klare Absage. In Anlehnung an die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier, die ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP bereits als „Schnapsidee“ bezeichnet hatte, legte er nach: „Schnapsideen hat man halt, wenn man besoffen ist.“ Daran könne man sich berauschen – aber mehr nicht.

Ohnehin habe er in den vergangenen zwei Jahren von der Opposition keinen einzigen Vorschlag bei einem Sachthema gehört, der Grün-Schwarz in die Bredouille gebracht hätte. Es gebe nur persönliche Angriffe und Mäkeleien. SPD und FDP, sagte Kretschmann, „die fürchte ich wirklich nicht.“ Vielmehr versprach er den Delegierten, dass Grün-Schwarz sich durch die Krise nicht entmutigen lasse und entschlossen weiterarbeite. „Wir haben einen klaren Kompass!“

Fraktionschef Andreas Schwarz rief seine Partei zur Geschlossenheit auf, die sei schließlich „unsere eigentliche Stärke“. Landeschef Hildenbrand sagte, man dürfe die Unterschiede zwischen den „ungleichen Partnern“ nicht verdecken. Es brauche Kompromissbereitschaft, wo es möglich sei, und es brauche Konfliktbereitschaft, wo es nötig sei.