Judith Rakers in der Tagesschau: Solche Informationssendungen bekommen die Öffentlich-Rechtlichen noch immer besser hin als die Konkurrenz. Foto: dpa

ARD und ZDF müssen sich wieder auf ihre Kernkompetenzen besinnen. Sonst ist es im Zeitalter von Netflix und Amazon über kurz oder lang aus mit ihnen, kommentiert unsere Medienredakteurin Ariane Holzhausen.

Stuttgart - Es ist ein bisschen so, als würde ein Kapitän Löcher in den Rumpf seines untergehenden Schiffs bohren. Der ARD-Chef und frühere Regierungssprecher Ulrich Wilhelm erklärte kürzlich, die knapp acht Milliarden Euro, die jährlich ins öffentlich-rechtliche System gepumpt werden, reichten nicht mehr aus. Er forderte noch höhere Rundfunkbeiträge. Und wie zu erwarten schlugen nach dieser Forderung die Wogen der Empörung hoch. Viele Zuschauer schimpfen, das Programm sei mehrheitlich Schrott, der riesige ARD-ZDF-Deutschlandradio-Dampfer kein attraktives Gefährt mehr.

So stürmischen Gegenwind wie in diesen Zeiten hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch nie bekommen. Dabei braut sich schon seit den 80er Jahren ein Wetter zusammen. Als die privaten Fernsehsender in Stellung gingen, hätten ARD und ZDF dem Publikum sofort engagierter ihre eigenen Stärken demonstrieren müssen. Stattdessen haben sie sich dem RTL-Sat1-Niveau angepasst. Endgültig auf den Prüfstand kamen die Öffentlich-Rechtlichen, als 2013 die Haushaltsabgabe eingeführt wurde. Die Bürger verleihen ihrem Unmut nun immer öfter mit dem Begriff Zwangsabgabe Ausdruck.

Netflix & Co. bieten beste Unterhaltung

Auch dem derzeit amtierenden ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm kann nicht entgangen sein, dass eine rasch wachsende Zahl Menschen, die gegen die Haushaltsabgabe wettern, durchaus bereit sind, sogar zusätzliches Geld für Programme auszugeben. Sie investieren in Streaming-Dienste und bescheinigen den öffentlich-rechtlichen Sendern damit: Ihr genügt unseren Ansprüchen nicht mehr. Es geht dabei nicht um noch mehr Nackedei-, Kuppel- und Casting-Shows. Netflix, Amazon, Sky & Co bieten beste Unterhaltung.

Selbst die Politik stärkt dem früher gern als „wichtiger Pfeiler der Demokratie“ gepriesenen System nicht mehr den Rücken. Der CSU-Vorsitzende Chef Horst Seehofer plädiert dafür, ARD und ZDF zu fusionieren. Die FDP fordert eine grundsätzliche Neudefinition des Auftrags der Sender. Die AfD nutzt die allgemeine Unzufriedenheit – Stichworte Staatsfunk und Lügenpresse – und fordert, die Haushaltsabgabe ganz abzuschaffen. Ein Ende des subventionierten Systems ist nicht mehr unvorstellbar. Das Nachbarland Schweiz steht vor einer Volksabstimmung, die im März den dortigen öffentlich-rechtlichen Sendeapparat durch Abschaffung der Gebühr sogar versenken könnte.

Eine lange Reformdebatte darf nicht sein

In Deutschland werden zeitgleich die Ministerpräsidenten über die Reform- und Sparvorschläge der öffentlich-rechtlichen Anstalten diskutieren. Ein wichtiger Punkt dabei: Was dürfen die Sender im Internet alles anbieten? Ulrich Wilhelm schwärmt vom österreichischen Konzept, bei dem der ORF und die Zeitungsverlage auf einer gemeinsamen Plattform journalistische Inhalte publizieren. Das klingt schön. Gegner des Modells mahnen allerdings, der mit öffentlichen Geldern gemästete Rundfunk ließe sich damit in ein Verleger-Boot plumpsen, das sich selbst finanziert über Wasser halten muss.

Einen neuen Kurs für ARD und ZDF müssen die Ministerpräsidenten mit ihren überfälligen Entscheidungen dringend bestimmen. Eine lange Reformdebatte kann man sich dabei jedoch nicht leisten. Denn in einer Medienwelt, in der sich immer mehr Menschen abseits der Öffentlich-Rechtlichen informieren und unterhalten lassen, bleibt dafür keine Zeit.

Statt zäher Verhandlungen braucht es ein radikal verschlanktes öffentlich-rechtliches System, das sich auf seine Kernkompetenzen – nämlich hochwertige Information, Kultur und intelligente Unterhaltung – konzentriert. Ein von vielen Bürgern akzeptierter Sender kann einen wichtigen Beitrag im Kampf um das Auseinanderdriften der Gesellschaft leisten. Es ist Zeit für den großen Umbruch.