Die scheidende Oberbürgermeisterin Ursula Keck begrüßte Podium und Publikum. Foto: Werner Kuhnle

Mehr als 1000 Bürger verfolgen in zwei vollbesetzten Sälen die Bewerbervorstellung der Stadt Kornwestheim. Gleich vier der sechs Kandidaten setzen auf die Karte Heimvorteil.

Das Interesse an der Frage, wer neuer Oberbürgermeister in Kornwestheim wird, ist immens. Ein Indikator: Mehr als 1000 Bürger kamen am Dienstagabend zur offiziellen Kandidatenvorstellung, organisiert von der Stadt. Die 700 Plätze im Festsaal des Kulturzentrums K reichten bei weitem nicht aus. Die Stadtverwaltung hatte das geahnt und eine Live-Videoübertragung in den angrenzenden Theatersaal organisiert. Der ist mit 420 Plätzen bestuhlt – und war dann bis auf einzelne Stühle ebenfalls komplett besetzt. Manche Besucher verfolgten den Abend daher im Stehen, manche mussten aus dem Raum verwiesen werden, um die Fluchtwege freizuhalten.

Der zweite Indikator: Der Großteil der Besucher harrte bis zum Ende aus, obwohl die Veranstaltung dreieinhalb Stunden dauerte, eine Stunde länger als geplant. Die Schlussrunde mit den OB-Kandidaten Nico Lauxmann, Kadir Koyutürk, Markus Kämmle, Stefan Duscher, Zennure Funke-Ulusoy und Thomas Hornauer endete um 22.30  Uhr. Bis dahin hatten die Bewerber – in per Los entschiedener Reihenfolge – je 15  Minuten Zeit, um sich und ihre Ziele vorzustellen.

Kandidaten durften im Saal bleiben

Ungewöhnlich: Sie konnten die Reden ihrer Mitbewerber mithören. Üblich ist in anderen Städten, den Saal dafür verlassen zu müssen. Auf die jeweils anderen Wortbeiträge gingen die Kandidaten, mit Ausnahme von Stefan Duscher, der seinem Unmut über das Demokratieverständnis von Thomas Hornauer freien Lauf ließ, allerdings nicht ein. Es schloss sich eine über 90-minütige Fragerunde an, die vom Publikum rege genutzt wurde. Wobei das Beantworten jener Fragen, die sich an alle Kandidaten richteten, 18  Minuten dauerte, da jeder drei Minuten zur Verfügung hatte. Was die Kandidaten meist voll nutzten.

Eine Besonderheit der OB-Wahl in Kornwestheim spiegelte sich wider: Vier der sechs Kandidaten wohnen lange in der Stadt, sind teils in ihr aufgewachsen. Sowohl Kadir Koyutürk, Markus Kämmle, Stefan Duscher als auch Zennure Funke-Ulusoy setzten in ihren Wortbeiträgen entsprechend auch auf die Heimspiel-Karte. Koyutürk erklärte, er möchte „nah an den Menschen sein, am Puls der Stadt“. Als Verwaltungsmitarbeiter und Bürger kenne er beide Seiten. Kämmle spielte ebenfalls auf seine Kenntnisse über die Stadt an, auch durch sein Amt als Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. „Und Wissen spart Geld.“ Duscher sprach von einer „lebens- und erlebenswerten Stadt“, gar einer der „schönsten Städte“, die er kenne. Und Funke-Ulusoy betonte, dass diese Nähe es sei, was Kornwestheim jetzt brauche. „Ich bin eine von euch.“

Nico Lauxmann, Bürgermeister von Schwieberdingen, nahm den Ball auf und setzte entgegen, den „Blick von außen“ mitzubringen. Auffällig bei ihm: In seiner Rede konzentrierte er sich vollkommen auf Kornwestheim und seine Ideen für dort, ging kaum auf sein Wirken in Schwieberdingen ein. Das folgte erst in seinen Antworten bei der Fragerunde.

Ein Hauptthema des Abends war die Aufwertung in der Innenstadt. Begrünung und Beschattung als ein Vorhaben wurden mehrfach angesprochen. Weitere Themen waren das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum, ein verbesserter ÖPNV, eine Stärkung des Ehrenamts und eine Besserung der Situation der Jugend nach der Corona-Pandemie.

Applaus und Buhrufe

Nico Lauxmann erklärte, die Stadt habe einen erfolgreichen Wandel vollzogen, das gelte es zu bewahren. Er wolle fürs Ehrenamt im Bereich Sport, Kultur und Soziales ein Gesamtpaket schnüren. Klimaneutralität sieht er als wichtiges Ziel. Und die Stadt müsse ein attraktiver Arbeitgeber sein, um dem Fachkräftemangel entgegenwirken zu können. Kadir Koyutürk möchte ein Begegnungshaus für alle Generationen schaffen, zwischen den Kulturen in der Stadt vermitteln, den Bestand von Leerstand und Baulücken analysieren und das Busangebot nach Ludwigsburg wochenends stärken. Dafür, dass er den Nordost-Ring ablehnt, erntete er Applaus.

Für Markus Kämmle ist wichtig, dass Kornwestheim finanziell gesund bleibt, trotz der mindestens 70 Millionen Euro für den Schulcampus Ost. Vorstellen kann er sich, die Grundsteuer zu senken und das Busfahren kostenfrei zu gestalten. Die Innenstadt würde er abends gerne testweise zur Fußgängerzone machen. Stefan Duscher ging vor allem auf die „grottenschlechte“ Bundespolitik ein, welche die Kommunen überfordere. Er betonte, dass es wichtig sei, als Stadt nach oben zu kommunizieren, „dass es so nicht weitergeht“. Buhrufe erntete er für den Satz, dass etwas falsch laufe, wenn Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang Ernährungstipps gebe. Zennure Funke-Ulusoy möchte Lösungen schaffen, um den Parksucherverkehr in der Stadt zu reduzieren, die Innenstadtkultur beleben und dem Bereich Sport und Kultur den Zugang in städtische Räumlichkeiten erleichtern. Um Fachkräfte zu gewinnen und sich von anderen Kommunen abzuheben, kann sie sich etwa eine Vier-Tage-Woche für Erzieher vorstellen.

Gespräch mit den Bewerbern

Podiumsdiskussion
 Unsere Zeitung veranstaltet am Montag, 19. Juni, von 19 Uhr an eine Veranstaltung mit den aussichtsreichen Kandidaten. Redaktionsleiterin Karin Götz wird ihnen auf den Zahn fühlen. Anders als bei der Kandidatenvorstellung der Stadt geht es in den Dialog. Auch Schüler des Sigle-Gymnasiums bringen sich mit Fragen ein.

Anmeldung
 Die Veranstaltung im Martinisaal in der Adolfstraße 12 ist exklusiv für Abonnenten unserer Zeitung. Für die Anmeldung können Sie sich kostenfrei auf dem Abonnenten-Portal www.zeitung-erleben.de registrieren. Danach können Sie sich mit Ihrer Kundennummer über https://zeitung-erleben.de/ob-wahl anmelden. Sollte es noch freie Plätze geben, werden am Abend kostenfreie Tickets ausgegeben.