Die Angeklagte Beate Zschäpe mit ihrem Anwalt Anwalt Mathias Grasel (rechts) am 9. Dezember im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München. Foto: dpa

Beate Zschäpe hat im NSU-Prozess ihr Schweigen gebrochen. Doch ihre Aussage hat viele Fragen offen gelassen. Nun fragt das Gericht nach - und lässt sich dabei nicht diktieren, wie es die Fragen stellen soll.

München - Im NSU-Prozess hinterfragt das Oberlandesgericht München viele Details der Aussage der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl richtete am Dienstag Dutzende Fragen an die Hauptangeklagte.

Es bleibt aber ungeachtet einer Bitte des Gerichts dabei, dass Zschäpe diese nur schriftlich beantworten will - das stellte ihr Anwalt Mathias Grasel klar. Götzl wiederum ließ sich nicht auf Grasels Bitte ein, einen schriftlichen Fragenkatalog zu übermitteln. Zschäpes Antworten auf die Fragen soll es nun erst nach Weihnachten geben.

Zschäpe hatte am Mittwoch vergangener Woche ihr jahrelanges Schweigen gebrochen und eine lange Aussage verlesen lassen. Darin bestritt sie jede Beteiligung an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und schob die Schuld allein ihren toten Freunden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu. Sie will nicht einmal Mitglied einer rechten Terrorgruppe gewesen sein.

Richter will mehr über Beziehungsgeflecht wissen

Das Gericht fragt nun vor allem an den Stellen nach, an denen Zschäpes Aussage Lücken oder Widersprüche aufweist oder Fragen offengelassen hat. Beispielsweise will Götzl von Zschäpe genauer wissen, wie es um die Beziehung zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt bestellt war. Denn Zschäpe will von den Morden und Anschlägen auch deshalb nichts mitbekommen haben, weil ihr die beiden nicht hundertprozentig vertraut hätten. Genau das hinterfragt Götzl nun.

Auch die Bundesanwaltschaft und der Verteidiger eines Mitangeklagten richteten einige wenige Fragen an Zschäpe. Nebenkläger und ein Sachverständiger kündigten ebenfalls Nachfragen an. Zschäpe hatte ihren Anwalt aber bereits erklären lassen, dass sie nur Fragen des Gerichts und der Anwälte ihrer Mitangeklagten beantworten will.

Worum geht es bei den Fragen?

ZSCHÄPES PERSÖNLICHE VERHÄLTNISSE: Der Richter möchte wissen, ob Zschäpe Alkohol oder Drogen konsumiert hat, falls ja, wie viel und mit welcher Wirkung. Außerdem, ob Zschäpe im Laufe ihres Lebens schwer erkrankt sei.

RADIKALISIERUNG IN DER JENAER CLIQUE: Welche Personen gehörten dazu? Was wusste Zschäpe über das zynische „Pogromly“-Spiel und über die politische Einstellung von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt? Wie standen diese zu Waffen und Gewalt? Zschäpe hatte ausgesagt, sie habe mit Mundlos und Böhnhardt „nationalistische Lieder“ gegrölt. Welche Lieder und welche Texte? Eine weitere Frage betrifft Tino Brandt, der den „Thüringer Heimatschutz“ gründete und als V-Mann spitzelte. Wann stieß er zur Gruppe um Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt?

ABTAUCHEN IN DEN UNTERGRUND: Zschäpe hatte ausgesagt, die Polizei habe eine von ihr gemietete Garage durchsucht und dort Propagandamaterial und Sprengstoff gefunden. Der Richter fragt, wer einen Schlüssel zu der Garage hatte. Außerdem will er wissen, wer beim Abtauchen geholfen habe - mehr als die wenigen Namen, die Zschäpe schon nannte.

ANGEBLICHE RÜCKKEHRPLÄNE: Wie knüpfte Zschäpe den Kontakt zu einem Rechtsanwalt, den sie zweimal besucht haben will. Welche Vorstellungen hatten Mundlos und Böhnhardt „hinsichtlich einer Auswanderung nach Südafrika“?

UNTERGRUND UND MORDSERIE: Wie war das Verhältnis zwischen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt? Was bedeutet es, wenn Zschäpe sagt, die beiden Männer hätten ihr nicht hundertprozentig vertraut? Der Richter fordert Zschäpe auf, genau und möglichst wortgetreu zu berichten, wie Mundlos und Böhnhardt ihr von den Morden berichtet hätten. Außerdem soll sie die Pistole beschreiben, die sie ihr drei Monate nach dem ersten Mord gezeigt haben sollen, und Auskunft geben, was sie gegebenenfalls über die Herkunft der NSU-Waffen weiß. Zum Mord an der Heilbronner Polizisten Michèle Kiesewetter: Zschäpe soll preisgeben, was sie über die Planung und Auswahl der Opfer dieses Anschlags weiß.

TERRORHELFER: Der Richter fordert Zschäpe auf, Namen möglicher weiterer Helfer zu nennen. Ausdrücklich erkundigt er sich nach der Ehefrau des mitangeklagten André E.: „Welche Kenntnis hatte Susann E. von den Taten?“

AUFFLIEGEN DES TRIOS: Wie erfuhr Zschäpe von dem gescheiterten Banküberfall ihrer beiden Freunde am 4. November 2011 in Eisenach? Zschäpe hatte behauptet, sie habe das im Radio gehört. Über welchen Radiosender? Außerdem will der Richter wissen, welche Beweise sie im Fall des Todes der beiden Männer habe vernichten sollen. Wo war sie während ihrer viertägigen mutmaßlichen Irrfahrt durch Deutschland, bevor sie sich in Jena der Polizei stellte?