Die eigentlich für Mittwoch angekündigte Aussage von Beate Zschäpe im NSU-Prozess wird verschoben. (Archivfoto) Foto: dpa

Beate Zschäpe wird voraussichtlich erst kommenden Dienstag, 17. November, eine umfangreiche Aussage ablegen. Nun wird mit Spannung erwartet, wie viel sie preisgeben wird von ihrem Wissen über den NSU, über Mittäter und Behörden.

Warum will Zschäpe jetzt aussagen?
Mit Grasel hat Zschäpe offenbar erstmals, seit sie sich am 8. November 2011 in Jena der Polizei stellte, einen Juristen gefunden, dem sie vertraut. Den 31 Jahre alten Advokaten mit dem jungenhaften Gesicht taten Prozessbeobachter und vor allem Journalisten als schweigendes Beiwerk ab, das das Verfahren lediglich verteuerte. Tatsache ist: Mit Grasel verschwand nicht nur die Bonbondose, sondern Zschäpe schöpfte erkennbar Hoffnung. Sie unterhält sich nur noch mit dem Münchener, lacht mit ihm, blättert die Unterlagen durch, die ihr Grasel gibt, folgt dem Verfahren und ignoriert ihr altes Juristentrio. Zschäpe signalisiert: Wenn mich einer verteidigen kann, dann ist es Grasel. Von ihm dürfte sie sich vor allem eines versprechen: Dass er vermeidet, dass die Richter Zschäpe eine besondere Schwere ihrer Schuld attestieren. Das würde bedeuten, dass die 40 Jahre alte Zschäpe keine Perspektive mehr hat, in Freiheit zu kommen.
Was wird Zschäpe aussagen?
An nahezu jedem der vergangenen Prozesstage reichte Grasel der Jenaerin einen roten Aktendeckel. Zschäpes Gesicht hellte sich jedes Mal auf, wenn sie die darin enthaltenen Seiten las. Sicherlich wird Zschäpe über die Strukturen und vor allem über weitere Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrundes ( NSU) aussagen. Während der Beweisaufnahme war deutlich geworden, dass die These der Ankläger, die mutmaßliche Terrorgruppe habe lediglich aus Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestanden, nicht mehr zu halten ist. Insofern wird spannend werden, was Zschäpe vor allem zu den beiden Männern und ihren Rollen sagen wird, bei deren Zeugenaussagen sie einzig in den bislang 242 Verhandlungstagen heftig reagierte: dem Thüringer Neonazi Tino Brandt und dem hessischen Verfassungsschützer Andreas Temme. Diesen verdächtigten Ermittler lange Zeit, im April 2006 in Kassel Halit Yozgat erschossen zu haben. Der Führungsoffizier war am Tatort, als der Mord begangen wurde.
Der Verfassungsschutzspitzel Tino Brandt gründete den rechtsradikalen „Thüringer Heimatschutz“, aus dem der NSU hervorgegangen sein soll. Der wegen der Zuhälterei von Kindern derzeit einsitzende Neonazi soll tiefer in den NSU verstrickt gewesen sein, als dies bislang bekannt ist.
Schließlich könnte Zschäpe zur Verstrickung deutscher Geheimdienste in das System des NSU Auskunft geben. Im Umfeld der mutmaßlichen Terroristen hatten verschiedene Verfassungsschutzämter mehr als ein Dutzend Informanten platziert, die nie über das Trio um Zschäpe berichtet haben wollen. Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages fielen Diskrepanzen in vorgelegten Akten von V-Leuten auf: Eine enthielt das Profil einer V-Frau, die „Oma-Kind“ und Katzenliebhaberin gewesen sei – wie Zschäpe.
Wie passiert nach der Aussage?
Das Bundeskriminalamt wird jeden Satz in Zschäpes Aussage überprüfen müssen. Das wird den Prozess verlängern. Wie lange vor dem Münchener Oberlandesgericht noch verhandelt wird, hängt entscheidend davon ab, wie umfassend und detailliert die Rechtsextremistin sich äußert. Bis zum Herbst 2016 hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl das Verfahren bereits terminiert. Strafrechtler glauben, dass der Prozess durch die Aussage Zschäpes weit in das Jahr 2017 gehen könnte.
Was bedeutet die Aussage für den Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg?
Die Abgeordneten empfehlen dem neuen Landtag bereits, in der kommenden Legislatur die Arbeit fortzusetzen. Statt jetzt die Reste aufzuarbeiten, wird der Ausschuss durch die Aussage Zschäpes umfangreich weiterarbeiten müssen – gerade zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007.