Legendär: Die Firma Bleyle in Ludwigsburg Foto: factum/Archiv

Was ist an einem 30 Jahre alten Hemd interessant? Die Antwort gibt es bei Hans Ulrich Jordan im Pflugfelder Torhaus in Ludwigsburg. Dort dreht sich alles um Ludwigsburger Wirtschaftsgeschichte – und selbst Kenner können ins Staunen kommen.

Ludwigsburg – - Es gibt einen Ort, an dem die legendäre Ludwigsburger Wirtschaftsgeschichte noch lebendig ist: Im Pflugfelder Torhaus gibt es jede Menge Relikte aus der Zeit, in der Bleyle noch Matrosenanzüge produzierte und Franck & Kathreiner Ersatzkaffee. Am Sonntag sind sogar bisher unbekannte Exponate zu bewundern.

Herr Jordan, haben Sie sich an Matrosenanzügen noch nicht sattgesehen?

Ich sehe die immer noch sehr gerne. Vor allem kann ich mich erinnern, wie lange wir danach gesucht haben. Das war eine große Freude, als wir endlich einen original Matrosenanzug von Bleyle bekommen haben. Inzwischen haben wir fünf – und jeder ist ein Unikat und eine sehr schöne Erinnerung an diese Industriegeschichte von Bleyle in Ludwigsburg.

Wie ist der Anzug zu Ihnen gekommen?

Das sind alles private Spenden. Und die sind sehr gesucht. Bei Ebay habe ich schon Angebote gesehen, da wurden um die 1000 Euro für einen Matrosenanzug gemacht. Das ist schon beeindruckend, vor allem wenn man bedenkt, wie viele davon mal im Umlauf gewesen sind.

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Aber im Torhaus dreht sich nicht alles um Bleyle, oder?

Keineswegs. Eine wichtige Rolle nimmt auch Hünersdorff ein, früher bekannt als Hünersdorff-Bührer. Das war das älteste Industrieunternehmen Ludwigsburgs. Von ihm haben wir eine schöne Sammlung von alten Küchengeräten. Buttermaschine, Eismaschine, Spätzlemaschine – kann man alles bei uns bestaunen.

Heute stellt Hünersdorff Kunststoffbenzinkanister her.

Ja, die Firma ist der größte Hersteller in Europa – und hat ihren Sitz noch immer in Ludwigsburg. Wie aus Küchenmaschinen nach und nach Kanister wurden, zeigen wir im Museum natürlich auch.

Wie kommen Sie zu den Exponaten?

Gott sei Dank passiert es immer wieder, dass jemand kommt und sagt: „Ich hab‘ da noch was. Haben Sie Interesse?“ In der Regel sind das ältere Herrschaften, deren Enkel sich nicht für die Objekte interessieren. Zum Rauswerfen sind sie aber zu schade. Viele Leute wissen inzwischen, dass wir solche Sachen sehr wertschätzen. Und so lange es bei uns auf der Bühne noch Platz gibt, nehmen wir sie gerne an.

Kann man Sie noch beeindrucken?

Auf jeden Fall. Erst Anfang Februar kam ein Besucher mit einem Herrenhemd von Bleyle. Das für sich ist schon eine Besonderheit, aber dieses war auch noch original verpackt war. Das Hemd hatte über 30 Jahre im Schrank des Besuchers gelegen. Er hat es nie ausgepackt, ich weiß nicht warum. Nun liegt es bei uns in der Ausstellung, natürlich auch original verpackt.

Wer interessiert sich für die Wirtschaftsgeschichte der Weststadt?

Wir sind ein kleines Museum, aber wir haben ungefähr 2000 Besucher im Jahr. Zum großen Teil sind das heutige oder frühere Bürger der Weststadt, die die Erinnerung an ihren ehemaligen Arbeitsplatz suchen. Viele bringen dazu ihre Kinder oder Enkel mit. Wir haben aber auch eine ganze Menge Zufallsbesucher.

Die Zeit an den Öffnungstagen vergeht also schnell?

Und wie. Besonders eindrucksvoll war das im Januar. Wir hatten angekündigt, alte Werbefilme von Franck & Kathreiner zu zeigen, also Werbung für Caro oder Linde. Gerechnet hatten wir mit etwa 25 Besuchern, gekommen sind 80 – und die sind gar nicht mehr gegangen. Die haben sich glänzend unterhalten über die guten alten Zeiten, aus der diese Filme stammten. Das ist immer besonders erfrischend, wenn die Leute anfangen, über die Firmen reden. Als wir mal eine Ausstellung über die Firma Hüller machten, war plötzlich der Lehrlingsstammtisch von 1955 bei uns, er hatte sich im Museum verabredet.

Haben Sie ein Lieblingsexponat?

Viele. Aber eins gefällt mir besonders gut, es ist ganz neu: eine Ausstecherleform von Caro. Die Firma Nestlé hatte mal überlegt einen Keks zu produzieren, der wie das Caro-Logo aussehen sollte. Das wäre dann ein Teig mit viel Caro-Pulver gewesen und einem roten Zuckerguss auf dem fertigen Keks. Die haben das aber nicht hingekriegt und so verschwand die Form in der Versenkung. Doch nun ist die Originalform, die für die Produktion geplant war, bei uns. Der ehemalige Entwicklungsleiter der Firma Nestlé hat sie uns gebracht.

Werden Sie damit was backen?

Selbstverständlich. Wir müssen noch ein bisschen experimentieren, aber irgendwann werden wir einen Nachmittag mit Caro-Keksen veranstalten.

Im Museum im Torhaus gibt es viel Nostalgie. Macht ein Besuch bei Ihnen wehmütig?

Man unternimmt eine Reise in die Vergangenheit. Viele von den Industriearbeitsplätzen gibt es nicht mehr, auch viele von den Firmen nicht. Aber Ludwigsburg ist in der glücklichen Lage, dass es hier heute mehr Arbeitsplätze gibt als jemals zuvor. Das darf man bei aller Wehmut nicht vergessen.

Programm am Sonntag

Person
Hans Ulrich Jordan ist der Vorsitzende des Bürgervereins Weststadt und Pflugfelden, der das Museum im Pflugfelder Torhaus betreibt. Der 73-Jährige hat für Konzerne auf der ganzen Welt im Marketing gearbeitet.

Aktion
Das Kaffeegespräch findet statt am Sonntag, 1. März, und geht von 13 bis 17 Uhr. Außer Kaffee und Kuchen gibt es auch die Gelegenheit, mit Vertretern des Stadtteilausschusses Weststadt ins Gespräch zu kommen und sich über die Entwicklung des Quartiers zu unterhalten.