Schule solle mehr dazu beitragen, dass die jungen Menschen früh mit der Berufswelt in Kontakt kommen, fordert die Wirtschaft. Foto: picture alliance/dpa/Silas Stein

Zum Start des neuen Ausbildungsjahres fordert das Handwerk in Baden-Württemberg eine gleichberechtigte Berufsorientierung an allen Schulformen. Leiter von Gymnasien dürften nicht nur das Studium im Blick haben.

Der seit sechs Jahren zu beobachtende Rückgang der Bewerbermeldungen am Ausbildungsmarkt kommt in diesem Jahr zu einem Stillstand. Die Zahl aller bundesweit gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber bis August liegt bei 408 000. Derzeit seien noch 76 000 junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsbetrieb, wie das Bundesarbeitsministerium meldet. Von den 520 000 bis August gemeldeten, betrieblichen Ausbildungsstellen seiend aktuell noch 177 000 unbesetzt.

Das Handwerk in Baden-Württemberg meldet mit fast 16 000 neuen Ausbildungsverträgen eine leichte Steigerung von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Unsere Betriebe stemmen sich gegen den Abwärtstrend“, sagte Verbandspräsident Rainer Reichhold. Besonders groß sei das Interesse an einer Ausbildung in den „Klimagewerken“, vor allem bei Sanitär-Heizung-Klimatechnik mit einem Plus von elf Prozent.

Aktuell seien noch 2856 Stellen in den Lehrstellenbörsen der Handwerkskammern im Land unbesetzt. Allerdings gebe es keinen Zwang für die Betriebe, einen Ausbildungsplatz zu melden, sagte Reichhold. „Deshalb ist die Zahl offener Stellen faktisch noch höher als das, was wir belegen können.“

Um die duale Ausbildung zu stärken, fordert das Handwerk eine gleichberechtigte Berufsorientierung an allen Schulformen. „Wenn wir von Schulleitern explizit hören: Ich mache an einem Gymnasium nur Studienorientierung und keine Berufsorientierung, dann muss die Kultuspolitik das aufbrechen“, sagte Hauptgeschäftsführer Peter Haas, der zudem eine verpflichtende Fortbildung für Lehrer über die Berufswelt anmahnt. Zwar werde das Thema Fortbildung wegen des Lehrermangels an den Schulen gedeckelt, doch seien die Lehrkräfte wichtige Multiplikatoren. „Oft ist es ein Ergebnis des Zufalls, wenn junge Leute mit Abitur ins Handwerk kommen – es liegt nicht an schulischer Ausbildung und Orientierung“, sagt Haas. „Das darf nicht so bleiben.“ Das Abitur dürfe nur als Hochschulzugangsberechtigung und nicht als Hochschulzugangsverpflichtung verstanden werden – der Trend zum Studium müsse gestoppt werden.

Anstieg bei der Arbeitslosigkeit Jugendlicher

Derweil verzeichnet die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit 25 410 Betroffenen unter 25 Jahren erneut einen Anstieg bei der Arbeitslosigkeit Jugendlicher – die Quote beträgt nun 3,7 Prozent. Dies sei allerdings üblich für die Sommerzeit, weil viele Ausbildungsverhältnisse enden. Für das neue Ausbildungsjahr geht die BA davon aus, dass es wieder mehr gemeldete Ausbildungsstellen als Suchende geben wird. Regionalchef Christian Rauch ermuntert die Betriebe, „auch Jugendliche in Betracht zu ziehen, die vielleicht nicht ganz den zuerst gesteckten Anforderungen entsprechen“.