Tierfilme sind seit der ersten Auflage des Festivals in Ludwigsburg fester Bestandteil des Programms. Foto: Naturvision/Golden Monkeys: Braving the Impossible

Das Filmfestival Naturvision in Ludwigsburg wirft wieder ein Schlaglicht auf Umwelt, Tiere und Klima. Weit mehr als 100 Filme stehen auf dem Programm.

Als Ralph Thoms vor etwa einem Vierteljahrhundert die Idee eines Festivals rund um Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit ersann, war die Welt eine andere. Rosiger sind die Perspektiven seitdem nicht geworden. Das weiß der 73-Jährige.

Das Naturvision Filmfestival in diesem Jahr wird das Letzte für ihn als Festivalchef sein. 2002 hob er es in Bayern aus der Taufe, nachdem ihm wichtige finanzielle Mittel gestrichen worden waren, zog er weiter und fand in Ludwigsburg eine neue Heimat für „sein Baby“. Eigentlich will er nicht im Mittelpunkt stehen, aber durch seinen Abschied wird er nicht so recht drumherum kommen.

122 Filme an vier Tagen

Inzwischen hat Thoms neben seinem Festival-Baby auch einen richtigen Sohn, der gerade acht Jahre alt ist. Er hat ihm noch einmal eine andere Perspektive auf die Zukunft der Erde eröffnet. „Mir könnte es egal sein, wie wir weiter leben“, sagt Thoms, „dass wir unsere Lebensgrundlage zerstören, wird mich nicht mehr betreffen.“ Seinen Sprössling sehr wohl. Mit Filmen, Reportagen und Dokumentationen zum Nachdenken anzuregen, kritische Entwicklungen aufzuzeigen, im besten Fall sogar Menschen zum Umdenken zu bewegen, das hält Thoms auch deshalb für wichtiger denn je.

Von diesem Donnerstag, 20. Juli, bis Sonntag, 23. Juli, sind im Central-Kino sowie auf dem kostenlosen Open-Air auf dem Arsenalplatz insgesamt 122 Filme, die unterhalten, kritisch informieren und „tief unter die Haut gehen“, wie es heißt, zu sehen. Bei den Wettbewerbsfilmen, die im Central gezeigt werden, ist die Bandbreite sehr groß: es geht um Robben vor Gericht und Wölfe in Menschennähe, Wind und Licht, Moore und Meere. Vergeben werden 13 Preise.

Rund um das Programm auf der Leinwand ist auch wieder einiges geboten. So gehören Gespräche mit Filmschaffenden traditionell zum Festival dazu, Regisseur Andreas Stiglmayrs „Zusammen – Zukunft gestalten“ feiert am Sonntag in Ludwigsburg Premiere. In rund 90 Minuten beleuchtet der Film verschiedene Projekte und versucht sich der Frage zu nähern, wie es gelingen kann, wissenschaftliche Forschung, bürgerliches Engagement und auch die kommunale Verwaltung für gemeinsame Transformationsprozesse zusammen zu bringen. Dabei schaut der Film auf die Motivation, Herausforderungen und Ängste der Akteure.

Festivalchef Thoms: mehr Menschen interessieren sich für kritische Filme

Thoms, der als Festivalchef eigentlich keine persönlichen Highlights benennen möchte („Das gehört sich nicht“), hebt den Film Stiglmayrs deshalb hervor, weil er ein gutes Beispiel dafür sei, was das Festival auch ausmache: „Uns geht es nicht darum, nur Filme zu suchen, die den kritischen Bestand und das zeigen, was schlecht läuft. Wir wollen auch zeigen, dass es Lösungen gibt und wie die aussehen können.“

Dass das Festival seit jeher vor allem Menschen anzieht, die besorgt auf die Folgen des menschengemachten Klimawandels schauen, ressourcenschonend leben (wollen) und sich ihres Handels in vielerlei Hinsicht bewusst sind, wissen die Naturvision-Organisatoren sehr wohl. „Das Problem mit der Bubble ist uns durchaus bewusst“, sagt Ralph Thoms. Allerdings: Während zu Beginn des Festivals vor allem Natur- und Tierfilme Publikum angezogen hätten, sei das Interesse an kritischen Filmen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Für Thoms ein Indiz, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung insgesamt wächst, etwas zum Wohl des Planeten zu ändern. Thoms hofft auch in diesem Jahr vor allem mit dem Open-Air-Programm neue Besucher zu gewinnen.

Ein guter Riecher für wichtige Themen

Geändert hat sich auch die grundlegende Ausrichtung des Naturvision. Eine Zeit lang widmete es sich „Sonderthemen“ – Boden, Wasser, Abfall, um nur einige zu nennen. Davon hat man inzwischen Abstand genommen. „Es gibt allgemein verbindende Themen, brisante Zukunftsfragen, die immer wieder auftauchen und nach einem grundsätzlichen Umdenken in der Politik, im menschlichen Verhalten oder in gesellschaftlicher Hinsicht verlangen“, so Thoms. Klimawandel, Landwirtschaft, Ernährung beispielsweise. Herausragende Filme, die dem Rechnung tragen, werden mit dem neu aufgelegten „Umdenken“-Preis gewürdigt.

Dass ein Filmfestival in seiner Wirkkraft begrenzt ist, weiß Ralph Thoms. Gleichzeitig denkt er, dass er und seine Mitstreiter in der Vergangenheit immer wieder einen guten Riecher dafür hatten, den Blick auf Themen zu lenken, die dann auf gesellschaftspolitischer Ebene diskutiert werden. Mit Mikroplastik sei das beispielsweise so gewesen. In diesem Jahr versuchen die Organisatoren mit Hilfe der Doku „Holy Shit“ das Thema Fäkalien ein Stück weit salonfähiger zu machen. „Der Umgang mit den menschlichen Ausscheidungen, das ist ein Thema, das uns in Zukunft ganz stark beschäftigen wird,“ prophezeit Ralph Thoms.

Die Zukunft des Naturvision indes liegt nicht mehr in seiner Hand. Die Nachfolge wird während des Wochenendes vorgestellt, die Stadt Ludwigsburg wird sich künftig noch stärker engagieren. „Ich bin sicher, dass es das Festival noch eine ganze Weile geben wird“, sagt der 73-Jährige, „auch ohne mich.“ Er freut sich auf mehr Zeit mit seinem Sohn

Info

Online
 Zum ersten Mal findet das Naturvision-Filmfestival in diesem Jahr dual – also online und analog – statt. Alle Infos zu den Filmen und zum Rahmenprogramm gibt es im Netz auf der Seite: www.natur-vision.de

Arsenalplatz
 Im Rahmen des Open-Air-Programms des Festivals wird am Freitag, 21. Juli, von 16.15 bis 16.30 Uhr auf dem Arsenalplatz über die Umgestaltung des Platzes informiert. Auf der Bühne stellt Tobias Mann vom siegreichen Landschaftsarchitekturbüro die beschlossenen Umbaupläne vor. Der jetzige Parkplatz wird sich in eine grüne Oase verwandeln: Zentrales Element auf der 8000 Quadratmeter großen Fläche ist ein Hain mit 60 Bäumen. Die Umgestaltung des Arsenalplatzes ist laut Verwaltung „die bedeutendste Klima-Anpassungsmaßnahme in der zentralen Innenstadt“. Voraussichtlicher Baubeginn ist im Frühjahr 2024. Die Fertigstellung ist im Jahr 2025 geplant.

Sport
 Der Festival-Sonntag steht im Zeichen des Sports. Gezeigt wird beispielsweise die Doku „Felix Neureuther –Skifahren trotz Klimawandel“, in der der Ex-Skiprofi gemeinsam mit Experten und Betroffenen die Zusammenhänge von Wintersport und Klimawandel erforscht. Beschlossen wird der Tag mit mit der „International Ocean Film Tour (IOFT)“, die unter dem Motto „Meer sehen“ spektakuläre Filme über Meeresabenteuer auf und tief unter dem Wasser – und über Menschen, die sich für unsere Meere engagieren zeigt. Die Vorstellung ab 19 Uhr ist kostenlos.