Bannwald in Baiersbronn: In einigen hundert Jahren wird er wieder ein Urwald sein Foto: dpa

Bannwälder sind die Urwälder von morgen: Bis in sechs Jahren soll es mehr als dreimal so viel Wald geben, der völlig sich selbst überlassen wird, wie heute. Das Land muss jetzt kommunale und private Waldbesitzer für das Projekt gewinnen, die ihren Wald eigentlich vor allem wirtschaftlich nutzen wollen.

Stuttgart - Seit 2011 gibt es in Baden-Württemberg die Ökokonto-Verordnung. Sie regelt, wie viele Ökopunkte bestimmte ökologische Maßnahmen wert sind. Wer einen Quadratmeter Wald brach liegen lässt und der Natur überlässt, erhält dafür vier Ökopunkte. Ein Hektar bringt demnach 40 000 Ökopunkte.

Bei dem Projekt Urwald können Waldbesitzer Ökopunkte für Waldrefugien sammeln, die dem festgelegten Alt- und Totholzkonzept entsprechen und die größer sind als ein Hektar. Eine Gemeinde mit 500 Hektar Gemeindewald, die fünf Prozent als Urwald von morgen unberührt lässt, erhielte also für 25 Hektar eine Million Ökopunkte.

Der Preis für den Urwald berechnet sich aus dem Grundpreis des Bodens und dem Alter des Baumbestands. In der Regel hat ein Hektar Wald einen Kaufwert zwischen 10 000 und 30 000 Euro. Eingerechnet wird auch, welcher Erlös sich aus der regulären Bewirtschaftung des Waldstücks erzielen ließe. Der Wert der Ökopunkte ist deshalb unterschiedlich. Er liegt in der Regel aber nicht unter 80 Cent und nicht über 1,20 Euro pro Punkt. Würde die oben genannte Gemeinde einen Euro pro Punkt erzielen, könnte sie eine Million Euro erzielen.

Käufer der Ökopunkte könnte ein Unternehmen sein, das expandieren will, aber die notwendige Ausgleichsfläche nicht schaffen kann. Die Gemeinde könnte die Punkte aber auch selbst nutzen, etwa zum Ausgleich für ein neues Gewerbegebiet.

Das Konzept Ökokonto gilt auch für andere Naturschutzprojekte, wie die extensive Beweidung von Kulturflächen durch Ziegen oder die Pflege von Steillagen im Weinbau. Die Flächenagentur Baden-Württemberg bringt Besitzer und Käufer von Ökopunkten zusammen. Sie wurde 2010 gegründet. Gesellschafter sind die Landsiedlung Baden-Württemberg, die Steine und Erden Service Gesellschaft SES und die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg.

Der Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg forciert die Urwälder von morgen und hat bei einem Urwalddialog im Stuttgarter Haus des Waldes jetzt Politiker, Waldbesitzer, Förster, Naturschützer und Planer zusammengebracht. Vor allem geht es darum, bei den Waldbesitzern auch aus finanziellen Aspekten das Interesse am Projekt Urwald zu wecken. Die Gemeinde Mönsheim im Enzkreis hat positive Erfahrungen mit den Ökopunkten gesammelt. Revierleiter Uli Schiz sagt, es sei wider Erwarten nicht schwer gewesen, sogar 5,7 Prozent der Gemeindewaldfläche aus der Bewirtschaftung herauszunehmen.

Ausgewählt wurden vor allem wenig lukrativen Flächen, die schlecht erschlossen und schwer zugänglich sind. Mönsheim konnte damit das Soll von fünf Prozent Waldfläche sogar noch übertreffen und sammelte 580 000 Ökopunkte. 200 000 kaufte die Porsche AG im benachbarten Weissach (Kreis Böblingen), die dort fünf Hektar für Parkplätze benötigte und keine Ausgleichsfläche anbieten konnte.

Der Nabu wirbt auch in seiner Broschüre „Lust auf Urwald“ bei den Kommunen für das Projekt. Eine zentrale Rolle spielt das baden-württembergische Alt- und Totholzkonzept, das in den Staatswäldern angewandt wird. Alt- und Totholz ist Lebensgrundlage für mehr als 20 Prozent aller Pilze, Flechten, Moose, Schnecken, Käfer, Vögel und Säugetiere. Natürliche Prozesse verwandeln Wirtschaftswälder in Bannwälder, später dann in Urwälder, denen nicht mehr anzumerken ist, dass früher einmal der Mensch ihre Entwicklung bestimmt hat. Das Konzept sieht vor, so genannte Habitatbäume, in denen andere Tiere wohnen, zu erhalten und mit Baumgruppen und Waldrefugien mit einem bis zehn Hektar Größe zu vernetzen. Die Stiftung Naturschutzfonds unterstützt das Projekt finanziell.