der israelischen Fluggesellschaft El Al Airlines stehen geparkt auf dem Flughafen Ben Gurion International Airport. (Archivbild) Foto: dpa/Nir Alon

Immer wieder durchbricht Sirenengeheul den Alltag, der in Israel kaum noch einer ist. Aus Angst vor Raketenangriffen versuchen viele Deutsche, das Land zu verlassen. Pia Staigmüllers Familie aus Tel Aviv gehört dazu. Aber sie ist bislang auf sich allein gestellt.

Ein weiteres Mal heulen Sirenen und signalisieren einen Luftalarm, kaum dass das Gespräch begonnen hat. Es ist nur einer von zahllosen in dem Wohnviertel von Pia Staigmüller in Tel Aviv, seit die islamistische Terror-Organisation Hamas mit einem Großangriff auf Siedlungen und dem Abschuss Tausender Raketen für Schockstarre in Israel gesorgt hat. Das Land ist seitdem im Kriegszustand. Und auch Tel Aviv wird seit Tagen immer wieder von Raketen aus dem Gazastreifen getroffen.

Staigmüller meldet sich kurz darauf wieder. „Man hat bei einem Warnalarm nur 90 Sekunden Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen“, erzählt sie. „Unser Haus hat aber keinen Bunker, wir versammeln uns sonst oft im Treppenhaus. Aber es scheint wieder ruhig jetzt.“

Nicht nur für Staigmüller und ihre kleine Familie ist das Risiko nach dem Angriff von Samstagmorgen und den anschließenden blutigen Gefechten mit Hunderten von Toten auf beiden Seiten zu hoch. Zahlreiche Menschen mit deutschen Wurzeln versuchen in diesen Tagen, das Land zu verlassen. Aber immer wieder werden Flüge gestrichen oder gar nicht erst angeboten. „Wir haben jetzt drei Plätze über Istanbul am Samstag“, sagt die 44-Jährige. „Ich schaue ständig, ob sie noch auf der Liste stehen. Früher als am Wochenende gab es nichts.“ Die meisten Ausländer in Tel Aviv wollten unbedingt raus, „vor allem die Deutschen“.

In Ulm wollen Staigmüller, ihr Mann und die gemeinsame kleine Tochter Zuflucht bei ihren Eltern suchen. Erstmal in Sicherheit, dann wollen sie weitersehen. „Wenn sich die Lage beruhigt hat irgendwann, kehren wir zurück“, sagt sie. Aus Ulm heraus kann die Marketing-Managerin zunächst im Homeoffice weiterarbeiten. Ihr Mann muss sich hingegen gedulden, vielleicht auch deutlich länger. Denn der Israeli führt eigentlich Touristengruppen durch sein Land und zeigt ihnen die Sehenswürdigkeiten und Naturschauspiele, mit denen seine Heimat in anderen Zeiten die Massen anzieht.

Von solchen Zeiten ist Israel derzeit weit, weit entfernt. „Ich habe schon einiges erlebt, aber dieses Mal steht die ganze Nation unter Schock“, beschreibt Staigmüller die Stimmung. „In Tel Aviv gibt es keinen Schulunterricht, die Kindergärten sind geschlossen und wir können nicht raus.“

Unvergleichliche Lage

Natürlich hat das Paar gezögert, bevor es die Flüge nach Deutschland gebucht hat. „Mein Mann hat sich zunächst seiner nationalen Identität verpflichtet gefühlt. Auch ich fühle mich Israel sehr verbunden. Und ich kann nachvollziehen, was die Menschen in diesem Land derzeit durchmachen. Aber ich sehe nicht wirklich einen Sinn, hierzubleiben.“ Sie erlebe das Land derzeit in einem gänzlich anderen Zustand als sonst, erzählt die Deutsche. „Ich habe schon so einiges miterlebt hier, aber das ist nicht zu vergleichen.“

In der derzeitigen Lage kann sie auf die Hilfe des Bundes noch nicht vertrauen. „Ich habe mich auf den Krisenlisten des Auswärtigen Amtes eingetragen, aber bislang habe ich nur Mails bekommen mit Hinweisen und ein paar Tipps“, sagt die 44-Jährige. „Bisweilen ist das auch kurios, wenn sie zum Beispiel zum Landweg nach Jordanien raten oder sogar in den Norden Israels.“ Es sei auch auf die kommerziellen Fluglinien verwiesen worden.

Erst am späten Dienstagabend kommt die Nachricht aus dem Auswärtigen Amt: Die Lufthansa wird an diesem Donnerstag und Freitag mehrere Sonderflüge organisieren, um Deutsche aus Israel zu fliegen. Vier Flüge pro Tag sind geplant. Weil Staigmüller in der Krisenvorsorgeliste „Elefand“ registriert ist, könnte sie mit ihrer Familie nun auch anders planen, wenn sie wollte.

Wenn die Waffen in Israel schweigen eines Tages, will die Familie nach Tel Aviv zurückkehren. Das ist der Plan. „Wir haben hier alles, ein Haus, unsere Arbeit“, sagt Pia Staigmüller. „Und beruhigt sich alles, werde ich auch ins Büro zurück müssen.“