Es war wie in einem Krimi: Zu Jahresbeginn 2022 war der Hausarzt von rund 1300 Patienten aus Aichtal (Kreis Esslingen) einfach verschwunden. Bis heute fehlt er. Nun wurde Ersatz gefunden – dank einer Förderung.
Eigentlich ist Aichtal ein beschauliches Städtchen: 10 000 Einwohner, zwischen Schönbuch, Neckartal und Filderebene gelegen, es gibt ein Hallenbad, drei Grundschulen, ein Naturtheater und mehrere Feste im Jahr. Doch zuletzt spielte sich in Aichtal etwas ab, das die Idylle trübte: Im Februar war der Hausarzt von rund 1300 Patienten einfach verschwunden. Die Türschlösser wurden ausgetauscht, Briefe kamen als „unzustellbar“ zurück, ans Telefon ging niemand mehr.
Gegen den verschwundenen Arzt läuft Insolvenzverfahren
Dem Vernehmen nach war der Arzt wegen akuter Geldprobleme verschwunden. Die Mitarbeiterinnen sollen schon Monate vor dessen Verschwinden kein Gehalt mehr erhalten haben. Und seit Januar 2022 lief ein Insolvenzverfahren gegen den Mann. Wo der Arzt untergetaucht ist, darüber wird bis heute nur spekuliert. In der Vergangenheit war er zeitweise für mehrere Wochen am Stück in die Türkei verschwunden, daher wurde im Ort vermutet, dass er womöglich wieder dorthin gegangen war. Doch zumindest der Aichtaler Bürgermeister, Sebastian Kurz, hat nie wieder etwas von ihm gehört, sagt er.
„Es kamen im Rathaus immer wieder Anfragen von ehemaligen Patienten bei mir an, die ihre Patientenakte wollten“, sagt Sebastian Kurz. „Glücklicherweise haben alle über die Bezirksärztekammer Nordwürttemberg Hilfe erhalten.“ Schwieriger war es für die Patienten, einen neuen Arzt zu finden, da die Praxen in der Umgebung großteils völlig überlaufen waren. Denn bereits vor dem Verschwinden des einen Arztes galt Aichtal als medizinisch unterversorgt, eine in der besagten Praxis beschäftigte Internistin hatte bereits vor mehr als einem Jahr aufgehört – ohne Nachfolge. Derzeit liegt der ärztliche Versorgungsgrad dort bei gerade mal 66 Prozent.
Stadt zahlt neuer Ärztin 50 000 Euro
Ab Oktober sollen es immerhin 82,4 Prozent werden: Dann nämlich eröffnet eine Internistin in den Räumen des verschwundenen Arztes ihre eigene Praxis. Bisher arbeitet sie als angestellte Hausärztin in einer Praxis in Leinfelden-Echterdingen. „Wir sind darüber sehr erleichtert, denn es war keine Lösung, dass Menschen aus Aichtal nach Filderstadt oder Neckartenzlingen zum Hausarzt fahren müssen“, sagt Kurz.
Doch ganz umsonst bekommen die Aichtaler ihre neue Hausärztin nicht: Die Stadt zahlt der Medizinerin 50 000 Euro für die Übernahme der Praxis. Dieses Förderprogramm hatte der Gemeinderat in einer Sondersitzung beschlossen, um die medizinische Versorgung in der Stadt zu verbessern.
Suche nach einem weiteren Arzt
Und das ist noch nicht alles: Insgesamt hatte der Gemeinderat 100 000 Euro freigegeben, damit der ärztliche Versorgungsgrad wieder auf mehr als 90 Prozent steigt. Sollte sich ein weiterer Arzt finden, der in Aichtal eine Praxis übernimmt oder neu eröffnet, erhält dieser ebenfalls 50 000 Euro aus dem Förderprogramm. Der Bürgermeister Sebastian Kurz erklärt dies auch damit, dass ein Drittel der Mediziner in Aichtal bereits älter als 60 sei – also die Not in absehbarer Zeit noch größer werden könnte.