Hans-Eckhard Sommer (2.v.l.), Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, nimmt an einem Deutschkurs teil. Bei einem allgemeinen Integrationskurs gibt es sechs Sprachkursabschnitte und einen Orientierungsteil. Foto: Peter Kneffel/dpa

Integrationskurse sind ein Angebot an Ausländer. Bei Bürgergeld-Beziehern können die Jobcenter die Teilnahme auch anordnen. Eine führende Unionspolitikerin wünscht sich hier mehr Druck.

Berlin - Die Jobcenter haben seit Anfang 2023 rund 234.300 Menschen zum Integrationskurs geschickt. Knapp zwei Drittel von ihnen - rund 154.000 Frauen und Männer - waren Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Das geht aus vorläufigen Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) für den Zeitraum zwischen Anfang Januar 2023 und Ende Januar 2024 hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Im Jahr 2022 waren es insgesamt rund 340.000 neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterschiedlicher Nationalitäten gewesen, die zu einem Kurs zugelassen beziehungsweise verpflichtet wurden.

Grund für den hohen Anstieg der Teilnehmerzahlen war damals der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 und die daraufhin einsetzende Fluchtbewegung.

Bürgergeld-Empfänger können zu Teilnahme verpflichtet werden

Bei einem allgemeinen Integrationskurs gibt es sechs Sprachkursabschnitte und einen Orientierungsteil, insgesamt sind es 700 Unterrichtsstunden. Allein im Januar dieses Jahres sprachen die Jobcenter nach Auskunft eines Sprechers insgesamt knapp 18.000 Verpflichtungen und rechtlich unverbindliche Zulassungen zur Teilnahme an einem Integrationskurs aus.

Im Gegensatz zu Asylbewerbern, die nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst lediglich Anspruch auf eine Versorgung auf Basis des Asylbewerberleistungsgesetzes haben, erhalten Flüchtlinge aus der Ukraine von Beginn an Bürgergeld und werden durch die Jobcenter betreut. Sie können damit grundsätzlich zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet werden, wenn sie keine ausreichenden Sprachkenntnisse für eine berufliche Tätigkeit besitzen und es für sie zumutbar ist.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, hält das Bürgergeld aufgrund der mit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2023 einhergehenden geringeren Sanktionsmöglichkeiten generell und auch mit Blick auf die Integration für kontraproduktiv. "Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit haben mir neulich bei einem Ortstermin geschildert, dass ihnen nun jegliche Handhabe fehlt, um Menschen dazu zu bewegen, arbeiten zu gehen beziehungsweise einen Integrationskurs zu absolvieren", sagte die CSU-Politikerin der dpa.

Bundesagentur: Leistungsminderung bei Nichtteilnahme möglich

Eine Sprecherin der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg teilte auf Nachfrage mit, wenn ein Leistungsberechtigter aufgefordert werde, an einem Integrationskurs teilzunehmen und die verbindlich festgelegten Pflichten nicht einhalte, müssten zunächst die Gründe für diese Pflichtverletzung angehört werden.

Für die erste Pflichtverletzung sei eine Leistungsminderung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs für einen Monat vorgesehen. Bei einer weiteren Pflichtverletzung sind es den Angaben zufolge 20 Prozent für zwei Monate. Im Wiederholungsfall könnten 30 Prozent für drei Monate gekürzt werden. Die Sprecherin verwies zudem darauf, dass seit der Einführung des Bürgergeldes im Sozialgesetzbuch nicht mehr von "Sanktionen" die Rede ist, sondern von "Leistungsminderungen".

Unionspolitikerin regt neue Definition für zumutbare Arbeit an

"Das Bürgergeld ist eine Katastrophe", sagte Lindholz. Die Sanktionsmöglichkeiten seien durch die Reform "praktisch komplett verloren gegangen". Zudem steige die Höhe des Bürgergeldes dadurch, dass die erwartete Inflation vorweggenommen werde, schneller als die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, bei denen es ja immer eine Verzögerung gebe.

"Die Mitarbeiter in den Jobcentern sind nach meiner Wahrnehmung vielfach überarbeitet und total frustriert", berichtete die CSU-Politikerin. Beim Bürgergeld sehe sie einen großen Reformbedarf, und zwar nicht nur, weil es einen falschen Anreiz für Migration darstelle. "Auch die Frage, welche Arbeit man annehmen muss, gehört auf den Prüfstand."

In wie vielen Fällen eine vom Jobcenter ausgesprochene Leistungsminderung auf die verweigerte Teilnahme an einem Integrationskurs zurückgeht, wird bei der BA nach Angaben eines Sprechers nicht gesondert statistisch erfasst. Zuständig für die Durchführung von Integrationskursen sei das Bamf.

Im Januar 2024 waren bei der Bundesagentur für Arbeit rund 519.000 erwerbsfähige Menschen aus der Ukraine gemeldet. Gut 206.400 von ihnen waren als arbeitslos registriert. 124.467 ukrainische Staatsangehörige nahmen laut Statistik im Januar an einem Integrationskurs teil.