Angela Merkel und Horst Seehofer eint derzeit nicht viel – drängt es den CSU-Chef nun sogar zurück in die Bundespolitik? Eher nicht. Foto: dpa-Zentralbild

Der CSU-Chef bringt sich als Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl ins Gespräch – aber damit zielt er eher auf Bayern. Aber Merkels Zustimmung bröckelt.

Berlin - Für Angela Merkel geht es in diesen Tagen steil bergauf – jedenfalls topografisch gesehen. Sulden in Südtirol lockt die Urlauberin mit erhabenen Dreitausendern. Politisch geht es eher bergab – und das nicht minder steil. Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend sackten ihre persönlichen Zustimmungswerte um satte zwölf Punkte auf nur noch 47 Prozent. Das ist ihr zweitschlechtester Wert in der gesamten Legislaturperiode. Spiegelbildlich steigt die Zustimmung für ihren unionsinternen Gegenspieler, CSU-Chef Horst Seehofer, um elf Prozent. Niemand muss sich über die Ursachen des Absturzes Gedanken machen. Die liegen glasklar zu Tage: 65 Prozent der Bundesbürger sind mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin nicht einverstanden.

Merkel hat durchaus erkannt, dass sie gegensteuern muss. In der vergangenen Woche hatte sie überraschend ihre jährliche Sommerpressekonferenz vorgezogen. Doch ganz offenbar traf sie dort nicht den richtigen Ton. Dass sie geradezu trotzig ihren Vorjahressatz „Wir schaffen das“ wiederholte, scheint nicht gut anzukommen. Nicht bei den Bürger, aber auch nicht in der eigenen Partei. „Immer mehr Menschen machen sich Sorgen, ob wir angesichts der großen Zuwanderung tatsächlich schaffen können, was wir schaffen müssen“, sagt zum Beispiel CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, und liegt damit wohl nicht falsch. Und während Merkel um Zustimmung immer stärker ringen muss, sendet Horst Seehofer ohne Unterlass Spitzen, Breitseiten und Kritik. Nun bereichert er sein bemerkenswertes Arsenal an Störmanövern mit wolkig-vagen Hinweisen, er könne auch als Spitzenkandidat der CSU für die nächsten Bundestagswahlen kandidieren. Eskaliert da ein Machtkampf? Langsam wird es unübersichtlich. Also sollte man der Reihe nach die Probleme abschichten.

Merkels Stellung in der Union nicht in Gefahr

Dazu gehört als erstes der Hinweis, dass Merkels Stellung in der Union durchaus nicht in Gefahr ist. Der ARD-Deutschlandtrend weist auch aus, dass ihr Rückhalt unter den Unionsanhängern bei 74 Prozent liegt, unter denen der CDU sicher noch deutlich höher. Parteitag, Bundesvorstand und -präsidium haben wieder und wieder ihren Kurs gestützt. Merkel hätte ihre erneute Kanzlerkandidatur schon auf der Sommerpressekonferenz bekannt geben können. Sie wollte persönliche Karriere-Planungen aber nicht auf einer Pressekonferenz verkünden, auf der es auch um Terror und Terroropfer ging. Aber sie wird wohl wieder antreten. Da ist man sich in der CDU ganz sicher.

Seehofer kann ihr die Kandidatur nicht streitig machen. Wenn er es könnte, wäre seine eigene Kandidatur ein Unterfangen, dass der Meinungsforscher Manfred Güllner im Gespräch mit unserer Zeitung als „völlig chancenlos“, und „ganz und gar irreal“ bezeichnet. Seehofer verkenne „in maßloser Überschätzung“ seine Chancen. Tatsächlich spekuliert Seehofer ja auch nicht auf die Kanzlerkandidatur für die Union. Nur die Spitzenkandidatur für die CSU lässt er sich offen. Spielt er damit ernsthaft mit einer bundespolitischen Option für sich? Nicht wirklich. Niemals würde er das Amt des Ministerpräsidenten aufgeben, um unter Merkel erneut in ein Bundeskabinett einzutreten. Eingebunden in die Loyalität zur Regierungschefin wäre er an Händen und Füßen gebunden. Bliebe das Spekulieren auf schlechte Zeiten: Käme die Union bei der Bundestagswahlen unter die Räder, wäre aber weiterhin stärkste Partei – was durchaus möglich ist –, könnte in der Union die Sehnsucht nach einem Kanzlerwechsel aufkommen: Dann wäre Seehofer der offensichtliche Kandidat. Der Haken: Mit ihm wäre die Regierungsbildung kaum vorstellbar. Die SPD würde kaum in eine Regierung unter seiner Führung eintreten, die Grünen wohl auch nicht.

Seehofer geht es um Bayern

Seehofer weiß das natürlich. Sein Flirt mit einer Kandidatur hat einen doppelten Charakter: Es demonstriert einen Macht- und Gestaltungsanspruch. Er will sich in einer Phase, da die Union nach einem gemeinsamen Wahlprogramm ringt, als Machtfaktor positionieren, den man auch in Programmfragen nicht übergehen darf. Vor allem aber zielt Seehofer auf die nächst tiefere Etage: nicht auf die Bundespolitik, sondern auf Bayern. Eigentlich hatte er angekündigt, 2017 den Parteivorsitz aufzugeben und dann 2018 auch nicht mehr als Ministerpräsident anzutreten. Davon kann längst keine Rede mehr sein. Er meldet sich wieder zurück. Wer selbst Kanzler könnte, ist auch für Bayern unverzichtbar – das ist die Botschaft. Sein möglicher Nachfolger in Bayern, Markus Söder, hat das genau verstanden. Es kein Zufall, dass er sich unmittelbar im Anschluss an Seehofers Spekulationen mit einer kraftvollen politischen Geste zu Wort meldete: die angekündigte Klage gegen VW. Er will sich nicht beiseite schieben lassen.