In jeder Hinsicht ein Gegenentwurf zur Kanzlerin: Inhatlich und stilistisch hat Jens Spahn Foto: dpa

Der 37-jährige Konservative verkörpert in der CDU das Gegenmodell zu Kurs und Stil der Kanzlerin. Noch ist offen, wie lange sie ihn übergehen kann.

Berlin - Neues von Jens Spahn. Er ist jetzt für eine große Koalition und fordert Union und SPD zu „zielgerichteten Verhandlungen“ auf. Zuvor hatte er sich für Jamaika ins Zeug gelegt. Dann aber, so wird aus Verhandlungskreisen der Union gestreut, hatte er durchaus seinen Anteil am Scheitern der Gespräche.

Das ist ziemlich verwirrend. Ist es auch unwichtig? Schließlich scheint die Kanzlerin gerade das Heft des Handels wieder in der Hand zu haben. Ihren Machtanspruch auf weitere vier Jahre hat sie unwidersprochen formuliert. Nein, unwichtig ist es nicht. Der Blick auf Spahn ist immer lohnend, wenn es darum geht zu klären, wo die Machtzentren einer nach Orientierung und Aufbruch lechzenden CDU liegen. Aufbruch? Danach sah das Treffen von Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz mit dem Bundespräsidenten, am Donnerstagabend, sicher nicht aus. Eher wie ein Veteranentreffen der vom Wähler Abgestraften. Drei Geschiedene, die es aus materieller Not in einer zukunftslosen Anstrengung noch einmal miteinander versuchen wollen.

Ehrgeiz hat er nie bestritten

Eine Weile kann das gut gehen. Aber wo wohnt die Verheißung in der Union? Jens Spahn jedenfalls war in der Vergangenheit immer zukunftsumweht. Gilt das noch in der Gegenwart? Nach außen hin gewiss. Keine Talk-Show ohne Spahn. Immer wird der 37-jährige Münsterländer eingeführt als „Hoffnungsträger“ der Partei, als „Kanzlerkandidat im Wartestand“. Er hört das nicht ungern. Ehrgeiz hat er nie bestritten. „Ohne Ehrgeiz kriegt man nicht mal ein Seepferdchen“, ist so ein Spruch von ihm. Aber Ehrgeiz klingt auch nach mangelnder Solidarität. Die Union pflegt ihre Kanzler zu stützen, so lange sie regieren können. Im Bundestagswahlkampf hatte Spahn den Parteisoldaten gegeben. 171 Auftritte außerhalb seines Wahlkreises hat er nachgezählt. Soll ihm niemand vorwerfen, er hätte nicht für Merkel gekämpft.

Merkel würde nicht für ihn kämpfen. Das Tischtuch zwischen den beiden ist spätestens seit dem Essener Parteitag 2016 zerschnitten, als Spahn aus dem Stand in der Frage des Doppelpasses mit einer scharfen Rede eine Mehrheit gegen Merkel organisierte. Die Kanzlerin hat das als Foulspiel aufgefasst und ihn noch auf dem Parteitag persönlich zur Rede gestellt. Ob er sie beschädigen wolle, hatte sie ihn direkt gefragt. Es war nicht das erste Mal, dass Spahn demonstrierte, dass er Mehrheiten auch gegen den Willen der Parteiführung organisieren kann. Mit einer frechen Kandidatur hatte er 2014 den Merkel-Vertrauten Hermann Gröhe aus dem Präsidium der CDU verdrängt. Seitdem ist er dort jüngstes Mitglied.

Karrieremodell „Profilierung im Konflikt“

Profilierung im Konflikt – das ist sein Karrieremodell. Das hatte schon früher funktioniert, als er zum Beispiel Eltern von jugendlichen Komatrinkern an den Behandlungskosten beteiligen wollte. Es hat erst recht funktioniert, als er sich offen gegen den Flüchtlingskurs der Kanzlerin stellte: Burka-Verbot, Einführung eines Islamgesetzes, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise sprach er von „einer Art Staatsversagen“.

Das Bundestagswahlergebnis nannte Spahn „einschneidend“. Mag sein, dass er nun für sich die Chance zum ultimativen Aufstieg sah. Die Merkel-nahen Verhandler bei den Jamaika-Sondierungen werden nicht müde zu beschreiben, wie Spahn versucht habe, durch Maximalforderungen die Gespräche zu erschweren. Wie er über Bande gespielt habe mit Alexander Dobrindt (CSU), den Unterstützern aus der Jungen Union und seinem Freund Christian Lindner, dem FDP-Chef, der mit seiner Frau gerade dabei ist, die Berliner Wohnung von Spahn zu übernehmen. Die Botschaft: Da wollte jemand Merkel scheitern sehen. Damit ist er gescheitert – wenn es denn tatsächlich sein Plan war.

Und nun? Spahn, der ewig Unruhige, wird sich gedulden müssen. Es ist nicht so, als wolle die gesamte Union mit ihm nach rechts rücken. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Daniel Günther und Armin Laschet gewannen drei moderate Merkel-Unterstützer Landtagswahlen. Laschet vor allem ist da wichtig. Er ist Parteivize – und er mag Spahn nicht. Der NRW-Ministerpräsident wird ein wichtiges Wort darüber mitzusprechen haben, wer aus seinem Landesverband in Ministerämter kommen kann. Spahn ist also eingemauert.

Spahn als Generalsekretär?

Wirklich? Es geht das Gerücht, Merkel könnte ihm, der eigentlich mindestens Fraktionschef werden wollte, den Posten des Generalsekretärs anbieten. Wenn es dazu käme, wäre es Ausdruck einer erheblich geschwächten Position der Kanzlerin. Was aus Spahn wird, ist also ein Gradmesser zur Bewertung, wie stark Merkel in der Union noch ist.