Am 11. Juni löst sich ein Teil des Fluchthorn-Massivs und stürzt in die Tiefe. Foto: dpa/Land Tirol

Der Abbruch des Südgipfel des Fluchthorn-Massivs hat die Welt der Bergsteiger erschüttert. Risikoabwägung und gute Ausbildung sind unerlässlich, sagt Alex Metzler, Chef der Leonberger DAV-Bezirksgruppe.

Im österreichischen Tirol haben sich vergangenen Sonntag riesige Gesteinsmassen gelöst. Der 3398 Meter hohe Südgipfel des Fluchthorn-Massivs wurde teilweise weggerissen, stürzte talwärts. Der Grund: schmelzender Permafrost. Die Leonberger Bergsportler des Deutschen Alpenvereins (DAV), die der Sektion Stuttgart angehören, sind regelmäßig im Hochgebirge unterwegs – im Winter und im Sommer. Alex Metzler, der Vorsitzende der Bezirksgruppe, verfolgt mit Interesse die Entwicklung in den Bergen.

Herr Metzler, wie haben Sie als erfahrener Bergsteiger auf den aktuellen Bergsturz in Tirol reagiert?

Zunächst mal mit großer Erleichterung, weil keine Menschen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Es war ein großes Glück, dass die Wandersaison wegen des vielen Schneefalls im Mai noch nicht gestartet und die Jamtalhütte als Stützpunkt noch geschlossen ist. Ansonsten hätte es vermutlich Opfer gegeben, da im Einzugsgebiet des Felssturzes ein Wanderweg verläuft und dort bei bestem Wetter sicherlich viele Wanderer unterwegs gewesen wären.

Waren Sie schon auf dem Fluchthorn?

Nein, das steht oder stand auf meiner Liste. Meine Frau und ich waren Silvester 2009 bis etwa 100 Meter unterm Gipfel, mussten jedoch umdrehen, da wir sonst in die Dunkelheit geraten wären.

Die Klimaerwärmung hat zunehmend Bergstürze zur Folge.

Zunächst mal sind Bergstürze nichts Neues. Die gibt es, seit es die Alpen als Gebirge gibt. Was sich jedoch, bezogen auf die letzten Jahrzehnte, stark verändert hat, sind die Folgen durch die Klimaerwärmung. Diese sind besonders gut sichtbar am drastischen Rückgang nahezu aller Gletscher in den Alpen. Und dieser Rückgang hat sich die vergangenen Jahre noch beschleunigt. Eine weitere Folge ist, dass die Permafrostgrenze immer weiter nach oben geht. Dies führt im steilen Felsgelände ab etwa 2500 bis 3000 Meter Höhe zum Tauen des Eises, welches bisher lose Felsen zusammengehalten hat. Die Folgen sind vermehrter Steinschlag und auch das Kollabieren kompletter Felsformationen. Oder auch die Sperrung von Hütten, die einsturzgefährdet sind, sowie von Wanderwegen. Und wenn dann unglücklicherweise Bergsportler zur falschen Zeit am falschen Ort sind, kann das zu größeren Unglücken führen, wie beispielsweise der Bergsturz im Bergell am Piz Cengalo mit acht Toten im Jahr 2017 – oder der Gletscherabbruch an der Marmolada letzten Sommer mit elf Toten.

Was bedeutet diese Entwicklung für die künftige Tourenplanung?

Für den Bergsport bedeutet das, dass manche Touren heute nicht mehr machbar sind, da die Schwierigkeiten durch den Gletscherrückgang wesentlich höher sind. Bergsportler sind auf vielen Touren einem erhöhten Risiko durch Steinschlag und Eisschlag ausgesetzt. Die Gefahr eines Bergsturzes kann in der Regel nicht vorhergesehen werden. Die Wahrscheinlichkeit, davon getroffen zu werden, ist jedoch gering. Steinschlagspuren sind meist gut sichtbar, sodass man als Bergsteiger diese Zonen möglichst schnell passiert und sich vorher zumindest vergewissert, ob die Passage gerade ruhig ist.

Steigt der Respekt vor den Bergen?

Jeder verantwortungsbewusste und erfahrene Bergsportler hat diesen Respekt schon immer, ansonsten wird er nicht alt. Der Grat zwischen einem großartigen Bergerlebnis und einem katastrophalen Ausgang ist manchmal sehr schmal. Die erfolgreiche Risikoabwägung bedarf einer guten Ausbildung und viel Erfahrung.

Was können Bergsportler im Kampf gegen den Klimawandel tun?

So wenig wie möglich individuell in die Berge reisen. Wenn mit dem Auto, dann in Fahrgemeinschaften und nicht für einzelne Tage, sondern für mehrere Tage. Und wo es geht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Verzicht auf Hüttenkomfort, wie beispielsweise warmes Wasser oder Duschen. Die DAV-Sektionen haben vermehrt Angebote, mit dem Reisebus in die Berge zu fahren.

Zur Person

Alex Metzler
 Der 62-Jährige, der in Leonberg wohnt und ein erfahrener Bergsportler ist, hat seit dem Jahr 2014 den Vorsitz der Leonberger Bezirksgruppe des Deutschen Alpenvereins inne.

Kletterwand
 Aktuelles DAV-Projekt ist eine Boulderwand auf der ehemaligen Engelbergtrasse in Leonberg.