In der Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft haben sich die Gegner verhakt. Im Kampf gegen den Klimawandel ist das keine gute Nachricht, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.
Umweltschutz hat viele Namen. Konservative betonen die Wahrung der göttlichen Schöpfung, im eher linken Ökolager wird wesentlich profaner von Nachhaltigkeit gesprochen – gemeint ist dasselbe. Einig sind sich zudem alle darin, dass den Landwirten beim Erhalt und der Pflege der Natur eine zentrale Rolle zufällt. Auch zweifelt niemand daran, dass nur einer Landwirtschaft die Zukunft gehört, die das Klima und die Umwelt schont. Biodiversität heißt das Zauberwort. Die komplizierte Ausgangslage und das angestrebte Ziel sind also klar definiert – über den Weg zwischen diesen beiden Punkten wird allerdings heftig gestritten.
Tiefe Gräben im Europaparlament
Wie tief die Gräben sind, zeigt sich ungewöhnlich deutlich im Europaparlament. Die Konservativen blockierten bei einer Abstimmung in Straßburg soeben ein geplantes Gesetz zur drastischen Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden bis zum Jahr 2030. Damit wird die Umweltschutzgesetzgebung bereits zum zweiten Mal ausgebremst. Im Sommer wurde im EU-Parlament eine Verordnung zur Renaturierung verwässert. Die konservative Mehrheit der Europaabgeordneten versteht sich in beiden Fällen als Anwalt der Landwirte, die immer lauter über die „Regulierungswut“ aus Brüssel klagen.
Die Angst der Landwirte ist verständlich, denn viele Betriebe werden gezwungen sein, ihre Produktionsweisen grundsätzlich umzukrempeln. Das bedeutet auch, dass sie den Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln und Antibiotika drastisch reduzieren müssen. Nachvollziehbar ist aber auch das Drängen der Umweltschützer, denn der Klimawandel scheint inzwischen schneller voranzuschreiten, als noch vor einigen Jahren befürchtet.
Die Fronten sind verhärtet
Das Problem ist, dass sich beide Seiten in ihrem Streit scheinbar hoffnungslos ineinander verhakt haben. In dieser Situation geben allzu oft die Hardliner den Ton an: Szenarien von einem Höfesterben und Hungersnöten werden gekontert mit apokalyptischen Beschreibungen des Klimakollapses. Argumentativ befindet sich die Diskussion in einer Art rasendem Stillstand. Mit dieser emotionalisierten Polarisierung ist allerdings niemandem geholfen – am allerwenigsten dem Klimaschutz.
Verblüffend ist, dass in dieser Situation ausgerechnet zwei prominente Grünen-Politiker als Mahner hervorstechen und zu mehr Sachlichkeit aufrufen. So schickte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen offenen Brief nach Brüssel. Ihm gehen die EU-Pläne zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und zur naturnäheren Gestaltung von Landesflächen zu weit. Das Ziel der EU sei begrüßenswert, die Maßnahmen aber in Teilen nicht sinnvoll. In dasselbe Horn stößt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Er hält die Forderungen zur Reduzierung von Pestiziden etwa im Weinbau für unrealistisch und fordert Nachbesserungen.
Der Ruf nach Realpolitik wird nicht gehört
Der Streit im Europaparlament aber zeigt, dass dieser Ruf nach Realpolitik nicht gehört wird. Manche Politiker in beiden Lagern scheinen vergessen zu haben, dass sie dafür gewählt wurden, stabile Kompromisse zu schmieden und nicht Interessengruppen zu bedienen. Zugegeben, das ist angesichts der komplexen Situation und dem hohen emotionalen Stellenwert der Landwirtschaft kompliziert. Die wirkliche Kernerarbeit steht allerdings noch bevor, wenn es gilt, den Menschen die unabwendbare Notwendigkeit für mehr Umweltschutz zu vermitteln. Denn die Verbraucher werden dafür bezahlen, wenn im Supermarkt die Preise für Fleisch, Tomaten und Kartoffeln unweigerlich steigen.
Die Politiker müssen den Bürgern dann glaubhaft versichern können, dass dieser kurzfristige Nachteil langfristig dem Schutz des Klimas und damit der Lebensqualität dient.