Winfried Kretschmann (Grüne), Guido Wolf (CDU) und Jörg Meuthen (AfD) kommentieren die Ergebnisse der Landtagswahl. Foto: dpa

Die Wahl hat gezeigt, dass Kretschmann bei den Wählern gut ankommt – und dass die CDU schon vor fünf Jahren einen fundamentalen Fehler begangen hat, kommentiert Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Abgewählt! Für Grün-Rot reicht es nicht in die Verlängerung. Die Baden-Württemberger haben ein Fünf-Parteien-Parlament gewählt, in dem Grüne und SPD für die kommenden fünf Jahre keine Regierungsmehrheit zusammenbringen.

Einer, den das wenig grämen muss, ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Und das aus drei Gründen: Die Grünen haben einen Wahlerfolg historischen Ausmaßes gelandet. Der wurzelt erwiesenermaßen viel stärker im Ansehen Kretschmanns als in Programm und Positionen seiner Partei. Außerdem hat der Regierungschef zuletzt keinen Hehl daraus gemacht, wie sehr er das Regieren mit der SPD als Last empfand.

Erfolgsfaktor Kretschmann

Kretschmann geht mit dem eindeutigen Wähler-Auftrag zur Regierungsbildung in die Koalitionsverhandlungen. Etwaige Ansprüche der katastrophal eingebrochenen Wahlverlierer CDU und SPD, gemeinsam mit der respektabel erstarkten FDP an den Grünen vorbeizuregieren, wirken wie eine groteske Verkehrung des Wählerwillens.

Der Erfolgsfaktor Kretschmann wiederum ist leicht erklärt: Der geradlinige Stil des Schwaben kommt an. Außerdem erweist sich als Stärke, was ihm häufig als inhaltliche Schwäche angelastet wird: Kretschmann konzentriert sich auf das Vorgeben der Richtung, das aber intensiv. Damit füllt er den Handlungsrahmen eines Länder-Ministerpräsidenten zeitgemäß aus unter den Vorzeichen von Globalisierung und Verlagerung politischer Gestaltungsmacht auf die europäische Ebene.

Schwerer Irrtum

Eiskalt erwischt hat es die Christdemokraten. Es wäre ebenso billig wie falsch, ihre Niederlage beim Spitzenkandidaten Guido Wolf abzuladen. Den ersten fundamentalen Fehler beging die CDU schon vor fünf Jahren. Den Verlust schwarz-gelber Regierungsmacht als zwar ärgerlichen, aber einmaligen Betriebsunfall baden-württembergischer Geschichte zu deuten war ein Irrtum. Schlimmer noch: Von dieser Fehlwahrnehmung hat sich die CDU viel zu lange leiten lassen: Hat mindestens dreieinhalb Jahre im Status Beleidigt verstreichen lassen und faktisch dem FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke die Rolle des Oppositionsführers überlassen. Hat mit Wolf auf ein ziemlich unbeschriebenes Blatt für den Angriff auf Kretschmann gesetzt. Und Wolf hatte dann auch noch das Pech, dass mit der Flüchtlingskrise ein Europa- und Bundes-Thema den Wahlkampf total überlagerte, das der Landes-Zuständigkeit weitgehend entzogen ist und seine Profilierung behinderte.

Nicht nur eine Episode

Die AfD zieht vor der SPD als drittstärkste Kraft in den Landtag ein. Das wäre weniger beunruhigend, stünden parteiintern hinter dem bürgerlich daherkommenden Spitzenmann Jörg Meuthen nicht so viele Kräfte, die Gewalt und Rassismus gutheißen. Fest steht, dass ihr Einfluss im Parlament gegen null tendieren wird. Wer aber den großen Erfolg der AfD als Episode abhaken will, täuscht sich gewaltig. Die Themen, denen diese Partei ihren Aufstieg verdankt, werden lange wirken. Und harren überzeugenderer Lösungen als zuletzt.

Über alle Besonderheiten dieser Landtagswahl, über die Mega-Themen Flüchtlinge und AfD sei eines nicht vergessen: Wohl und Wehe Baden-Württembergs werden wesentlich durch die Zukunft der Wirtschaft, des Arbeitsmarkts, des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Bildung und der inneren Sicherheit bestimmt. Vor allem daran wird zu messen sein, was die neue Landesregierung draufhat.