CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf hat den Wahlkampf gegen Grün-Rot eröffnet Foto: dpa

Der CDU-Spitzenmann Guido Wolf versucht, die Grünen an den Rand zu drängen. Bis zur Landtagswahl im Frühjahr 2016 wird sich die Regierungspartei etwas dagegen einfallen lassen müssen, findet Autor Jan Sellner in seinem Leitartikel.

Stuttgart - „Nahe an den Menschen sein!“ Wenn das eine Werbeagentur formulieren würde, empfände man das vermutlich als aufgesetzt. Aus dem Mund von Guido Wolf hört sich dieses Versprechen interessanterweise weniger konstruiert an. Tatsache ist, dass der neu gewählte CDU-Spitzenkandidat von „den Menschen“ mit einer in der Politik selten gewordenen Leidenschaft spricht.

Diese besondere Art mag rückblickend auch erklären, warum er und nicht der lange favorisierte CDU-Landeschef Thomas Strobl den parteiinternen Mitgliederentscheid gewonnen hat. Wolf sprüht förmlich vor Tatendrang. Wenn der 53-Jährige wie jetzt beim CDU-Parteitag in Ulm von sich sagt, er „brenne für dieses Land“, dann möchte man am liebsten die Feuerwehr rufen, weil tatsächlich die Gefahr der Rauchentwicklung besteht. Wolf läuft heiß – diesen Eindruck nimmt man von seinem Auftritt mit. Wenn er nur mal nicht überhitzt.

Der Faktor Leidenschaft macht seine Bewerbung aber auch irgendwie glaubhaft. Zumal sie gepaart ist mit einer politischen Strategie, die das Potenzial hat, die amtierende Landesregierung im heraufziehenden Landtagswahlkampf in Bedrängnis zu bringen. Dabei nimmt Wolf sich vor allem die Grünen zur Brust.

Als ihre Schwachstellen hat Wolf den Umgang „mit den Menschen“ ausgemacht. Ausgerechnet! Wo Amtsinhaber Winfried Kretschmann doch das Patent auf die „Politik des Gehörtwerdens“ besitzt. Und ausgerechnet die CDU, die 2011 unter anderen deshalb abgewählt worden ist, weil sie sich von den Bürgern entfernt hatte, dient sich ihnen jetzt als die einzig wahre Bürgerversteher-Partei an.

Klar ist: Die Regierung hat mit der „Politik des Gehörtwerdens“ Maßstäbe gesetzt, denen sie mehr als einmal nicht gerecht geworden ist. Inzwischen sieht sich Grün-Rot mit dem Vorwurf der Überheblichkeit konfrontiert , den Wolf in Ulm zu der Pointe nutzte, die CDU sei in 58 Regierungsjahren vielleicht etwas überheblich geworden. Sie sei damit aber nicht allein. „Heute weiß ich, du musst nicht 58 Jahre regieren, um überheblich zu werden. Es genügen vier!“ Selbstkritik als Form des Angriffs – ganz schön clever!

Das gilt auch für den Versuch, die Grünen wieder aus der bürgerlichen Mitte zu verdrängen, wohin sie sich, gerade im Südwesten, in den vergangenen Jahren stetig vorgearbeitet haben. Wolf hält ihnen vor, im Gegensatz zur CDU „von den Rändern her zu denken“ und sich folglich auf „Nebenkriegsschauplätzen“ zu verzetteln.

Darin schwingt der Vorwurf mit, die Anliegen von Otto Normalbürger würden von Grün-Rot systematisch vernachlässigt – einschließlich wichtiger Zukunftsfragen, die für das Wohl und Wehe des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg entscheidend sind.

Wolf hält mit einer „Politik der Mitte“ dagegen, die zugleich einen klaren konservativen Zungenschlag hat – vor allem in der Familien- und Bildungspolitik. Er setzt auf das, was man als gesunden Menschenverstand bezeichnet, von dem Albert Einstein einmal gesagt hat, er sei „eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat“. Die Grünen werden sich dennoch etwas einfallen lassen müssen.

Ein Drittes kommt hinzu: Wolf hat seine Ausgangsposition verbessert, indem er der Versuchung widerstand, alle Macht in der Südwest-CDU auf sich zu vereinen. Seine Entscheidung, mit Landes-Chef Strobl ein Tandem zu bilden, bei dem er uneingeschränkt lenkt und Strobl hinter ihm kräftig mitstrampelt, führt zu einer aus CDU-Sicht notwendigen Bündelung der Kräfte.

Die Landtagswahl 2016 ist für die Christdemokraten deshalb noch lange „kein g’mähtes Wiesel“, wie ein Abgeordneter betonte. Grün-Rot kann durchaus Erfolge vorweisen. Die CDU bestreitet diese Auseinandersetzung jedoch mit einem Kandidaten an der Spitze, der wie der populäre Amtsinhaber die Fähigkeit besitzt, Menschenfischer zu sein.