CDU-Kontrahenten Foto: dpa

Im Fall eines Wahlsieges der CDU 2016 will Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) das Bildungssystem umkrempeln. Grüne und SPD werfen ihm vor, die Neutralitätspflicht zu verletzen.

Stuttgart - Guido Wolf ist derzeit viel im Land unterwegs. Gestern auf dem Hohentwiel, heute auf dem Schluchtensteig, morgen auf einem Bauernhof in Hüfingen. Auch in der nächsten Woche wird er täglich einen anderen Kreis und Landtagskollegen besuchen, um mit Parteifreunden und Bürgern über ihre Nöte und Wünsche zu sprechen. Der Landtagspräsident befindet sich im Doppelwahlkampf: Der erste ist parteiintern. In den nächsten Monaten müssen die etwa 70 000 Mitglieder der Südwest-CDU darüber entscheiden, wen sie als Spitzenkandidaten in die Landtagswahl 2016 schicken wollen – den Tuttlinger Landtagsabgeordneten Wolf oder ihren Landesvorsitzenden Thomas Strobl, Bundestagsabgeordneter aus Heilbronn. Und die zweite Front ist die Landtagswahl selbst, die in 19 Monaten stattfindet. Da wird die Bildungspolitik eine zentrale Rolle spielen.

Im Falle eines Wahlsieges werde die CDU ein „völlig anderes“ Bildungssystem schaffen, kündigte Wolf jetzt an. Dann solle das neue Bildungskonzept der CDU möglichst schnell umgesetzt werden. Dieses sieht vor, neben den Gymnasien die Realschule zur wichtigsten Schulart zu machen – statt die von Grün-rot eingeführte Gemeinschaftsschule, an der Schüler mit recht unterschiedlichem Leistungsniveau gemeinsam in einer Klasse lernen.

An den „differenzierten Realschulen“ will die CDU künftig eine Orientierungsstufe einführen. In Klasse fünf und sechs würden dann alle Schüler gemeinsam unterrichtet, danach sollten sie eine Bildungswegempfehlung erhalten und von Klasse sieben an je nach Leistung einen Zug für den Haupt- oder den Realschulabschluss besuchen – ein Wechsel solle aber möglich bleiben. Die 209 neuen Gemeinschaftsschulen, die Grün-Rot seit 2012 genehmigt hat, könnten sich dann nach dem Vorbild der Realschulen weiterentwickeln, sagte Wolf. Sie sollten aber bei den Sachkosten und den Lehrerstellen nicht weiter bevorzugt werden. Auch eine gymnasiale Oberstufe werde es an den Gemeinschaftsschulen nicht geben. Nach den Plänen von Grün-Rot kann eine solche an Gemeinschaftsschulen mit mindestens drei Klassen pro Jahrgang eingerichtet werden. Dies kommt aber erst ab 2018 in Frage, wenn die ersten Gemeinschaftsschüler die zehnte Klasse beendet haben.

Beim Thema Turboabitur will Wolf noch abwarten – 2004 hatte die CDU die Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre verkürzt und musste dafür viel Kritik einstecken. Das große Interesse an den von Grün-Rot wieder eingerichteten neunjährigen Zügen an 44 Modellschulen dürfe aber nicht außer Acht gelassen werden, sagte Wolf. Sie sollten beibehalten werden. CDU-Landeschef Strobl hingegen will den Eltern Wahlfreiheit geben. Wie diese im Falle eines Wahlsieges umgesetzt werden soll, sei aber noch nicht entschieden, sagte Strobl. Die Parteimitglieder und auch die Bürger sollten bei dieser Frage gehört werden. Dies gelte auch für weitere Veränderungen. „Die Menschen brauchen wieder Verlässlichkeit und Planbarkeit.“

Die Grundschulempfehlung will auch die CDU nicht wieder verbindlich machen, obwohl es viel Kritik daran gibt, dass Grün-Rot den Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule das letzte Wort überlässt. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Anteil der Sitzenbleiber in den fünften und sechsten Klassen an Gymnasien und Realschulen erneut gestiegen ist. Strobl schlug vor, dass Eltern künftig ein Aufnahmegespräch mit der Schule führen müssen, an der sie ihr Kind anmelden wollen. Dadurch ließen sich Fehlentscheidungen vermeiden.

Grüne und SPD im Landtag kritisierten Wolf. Als Landtagspräsident betreibe er Wahlkampf in eigener Sache und für die CDU. „Damit verletzt er die Neutralität, zu der er qua Amt verpflichtet ist“, sagte Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann. Stefan Fulst-Blei, Bildungsexperte der SPD-Fraktion, warf Wolf vor, den Gemeinschaftsschulen ihre Entwicklungsperspektiven zu nehmen. Mit seinen Vorstößen schaffe er Unruhe und verunsichere er die Bevölkerung.