Die Lage ist bedrohlich. Im Landesetat klaffen in den nächsten Jahren Milliardenlöcher. Foto: dpa

Grün-Rot muss im Haushalt Milliardenlöcher stopfen – Stellenabbau bei Lehrern ab 2016 denkbar.

Stuttgart - Es ist gut ein Jahr her, da übernahm Grün-Rot die Regierungsverantwortung in Baden-Württemberg und versprach, man werde den Landeshaushalt sanieren. Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) musste freilich schon bald erkennen, dass dies schwierig wird.

Zum einen hielt er der alten CDU-FDP-Regierung vor, von ihr eine schwere finanzielle Erblast mit großen Schuldenbergen übernommen zu haben. Zum anderen spürte die neue Regierung, dass die gewaltigen Personalausgaben im Haushalt nicht von jetzt auf gleich gedrückt werden können. Dass Grün-Rot dann obendrein teure Wahlversprechen einlöste – wie die Abschaffung der Studiengebühren, was jährlich mit rund 130 Millionen Euro zu Buche schlägt – machte die finanzielle Lage nicht rosiger.

Botschaft ist wenig verheißungsvoll

Nun hat das Ministerium von Schmid alle Zahlen und Fakten zusammengetragen, und die Botschaft ist wenig verheißungsvoll: Baden-Württemberg muss in den nächsten Jahren massiv sparen, um die sogenannte Schuldenbremse einzuhalten. Sie sieht vor, dass die Bundesländer ab dem Jahr 2020 keine neuen Kredite mehr aufnehmen dürfen. In Baden-Württemberg ist die Regel sogar noch strenger. Hier sorgte einst Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) dafür, dass das Land seit 2008 keine Schulden mehr machen darf.

Aber spätestens nächstes Jahr wird dies nur noch auf dem Papier gelten. Grün-Rot lässt derzeit von einem Gutachter prüfen, wie die Landeshaushaltsordnung zu ändern ist. Das Ziel ist klar: Die neue Landesregierung will Oettingers Schuldenbremse kippen, um wieder Schulden machen zu können. Schon vor Wochen wurde die Idee bekannt und löste bei CDU wie FDP und Steuerzahlerbund helle Empörung aus. Demnächst soll das Gutachten nun vorliegen, dann will Grün-Rot im Landtag Nägel mit Köpfen machen. In der grün-roten Koalition ahnt man, dass es ungemütliche Tage werden. „Durch dieses Debatte müssen wir durch“, heißt es in Erwartung der Proteste.

„Das kann man nicht einsparen“

Fakt ist: Die Einnahmen und Ausgaben im Landesetat klaffen bis 2020 weit auseinander. 2014 beträgt das Defizit rund 2,4 Milliarden Euro, im Jahr 2020 sind es sogar 2,8 Milliarden Euro. „Das kann man nicht einsparen“, hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bereits gesagt und dabei unter anderem auf die Versorgung der wachsenden Zahl an pensionierten Beamten verwiesen.

Schulden zu machen, widerstrebt aber Kretschmann und Schmid eigentlich völlig, hatten sie doch zu Oppositionszeiten stets mehr Sparsamkeit von CDU und FDP gefordert. Die neue Sparkommission von Grün-Rot soll deshalb in den nächsten Wochen versuchen, die (notwendige) Summe an neuen Krediten im Haushalt 2013/2014 noch zu drücken.

Aber wie und wo? Man brauche einen „Mix aus Maßnahmen“, heißt es aus der Koalition. „Wir müssen die Kraft aufbringen, auch Förderprogramme infrage zu stellen“, meint ein Minister. Vielleicht bei der Stadtentwicklung? Vielleicht in der Landwirtschaft? Es werden aber auch Stimmen laut, die mehr Ausgabendisziplin fordern und vor neuen Wunschkonzerten aus den Ministerien warnen.

Auch Beamten soll es erneut an den Geldbeutel gehen

So müsse man Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) klar machen, „dass er nicht alles wird machen können, was er will“, dass er also weniger Mittel als erhofft für Straßen- und Schienenbauprojekte erhält. Auch im Bereich der Krankenhausprogramme von Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) gelten Abstriche als wahrscheinlich. Aber reicht das? Oder wird das Land bei den Baumaßnahmen und Investitionen sparen?

So viel zeichnet sich nunmehr schon ab: Auch den Beamten soll es erneut an den Geldbeutel gehen. Obwohl sie jüngst wütend gegen die ersten Sparbeschlüsse der neuen Landesregierung protestiert hatten, prüft Grün-Rot weitere Einschnitte. Dabei wird man kaum bei der Versorgung kürzen – weil Eingriffe bei den pensionierten Beamten verfassungsrechtlich unmöglich sind. Vielmehr will man den aktiven Staatsdienern an den Geldbeutel. „Man muss und wird alles diskutieren“, heißt es in der SPD.

Die Palette könnte von der Streichung der Familienzuschläge über Kürzungen bei der Beihilfe (also der Krankenversorgungsgelder) bis hin zum radikalen Schritt einer Nullrunde reichen. Im Wirtschafts- und Finanzministerium ist dies jüngst schon mal durchgerechnet worden. Der Verzicht auf eine einprozentige Gehaltserhöhung würde bereits rund 170 Millionen Euro bringen. Aber in der Koalition ist man sich unsicher, ob „diese brachiale Maßnahme“, wie sie umschrieben wird, nicht womöglich zu einem politischen Flächenbrand führen könnte.

Stellenabbau wäre dringend nötig

Eine Alternative wäre der Abbau von Stellen. Doch das geht nicht von heute auf morgen und bringt dem klammen Landeshaushalt deshalb erst einmal kaum Entlastung. Dabei wäre dies aber im Bereich Personal dringend nötig. Das größte Potenzial liegt dabei im Bereich der Schulen, also der Lehrerstellen, und im Hochschulbereich. Mit zusammen rund 110.000 Stellen machen diese beiden Bereiche nahezu die Hälfte der Stellen unter dem Dach des Landes aus.

Trotz aller Initiativen im Bildungssektor – vom Ausbau der Kleinkindbetreuung bis zur Ganztagsschule – reift deshalb bei Grün-Rot zunehmend die Erkenntnis, dass man nach der nächsten Landtagswahl im Jahr 2016 um einen Stellenabbau nicht umhinkommt, weil dann auch die Schülerzahlen stark sinken. Neue Berechnungen des Statistischen Landesamtes untermauern dies. Während es im Schuljahr 2000/2001 landesweit noch 1,557 Millionen Schüler gab, sind es im aktuellen Schuljahr schon nur noch 1,393 Millionen. Und die Tendenz ist weiter sinkend. Im Schuljahr 2020/2021 werden es 1,202 Millionen sein, für 2030/2031 werden nur noch 1,129 prognostiziert.

Wie heikel die haushaltspolitische Lage ist, beweist auch diese Tatsache: In den Berechnungen für die Haushaltsentwicklung in den nächsten Jahren und die Frage, wie die milliardenschweren Löcher im Etat zu stopfen sind, setzt Grün-Rot nicht nur auf den Effekt von Sparrunden, sondern auch auf neue Steuereinnahmen. So sind schon jetzt ab dem Jahr 2015 jährlich mindestens 400 Millionen Euro aus einer erhöhten Einkommenssteuer eingeplant – obwohl das bis heute auf Bundesebene noch niemand beschlossen hat.