Bunte Streifen zieren die Stuttgarter Innenstadt. Dahinter steht eine Kunstaktion mit dem Namen „Freiheit 2.0“. Was sie bedeutet und warum sie auch Bauarbeiter alarmiert, lesen Sie hier.
Stuttgart - Kinder als Versuchskaninchen? „Genau das sind unser Kinder in der digitalen Welt. Die jungen Leute probieren das Neue aus, wissen kaum, was im nicht sichtbaren Hintergrund passiert, wie sie ausgespäht werden, wie ihre Privatsphäre zerstört wird. Und wir Älteren hecheln technisch hinterher“, sagt Stefan Brink, der Landesbeauftragte für Datenschutz, und fügt hinzu: „Paragrafen reichen nicht. Wir müssen aufklären über Big Data, ein kritisches Bewusstsein schaffen. Es geht um unsere Freiheit!“ Deshalb geht er jetzt auf die Straße, macht mit bei „Freiheit 2.0“, der Aktion des Konzeptkünstlers Florian Mehnert.
Der Kern des Konzeptes: Das Digitale ins Analoge zurück zu übersetzen und so im öffentlichen Raum unmittelbar sichtbar zu machen. Hier speziell: Die Bewegungsspuren, die Smartphone-Nutzer im Netz hinterlassen, in symbolischer Form mit Sprühkreide auf die Straßen gemalt. Deshalb zieht sich jetzt ein breites, buntes Band vom Gerberviertel bis zum Stadt-Palais an der Konrad-Adenauer-Straße, wo das Thema drei Wochen lang mit Vorträgen und Diskussionen vertieft wird. Ein weiterer Baustein von „Freiheit 2.0“ sind 27 Einzelhandelsgeschäfte im Gerber. Für drei Wochen haben sie umfirmiert: „Freiheit“ prangt jetzt an den Geschäftseingängen. In Großbuchstaben, unübersehbar. Von jedem Geschäft führt eine Farbspur zum Palais. Und per Tracking-App kann jedermann an „Freiheit 2.0“ Teil des Projektes werden.
Bauarbeiter gibt Tipps
Seit über einem halben Jahr arbeitet Mehnert an dem Projekt, und jetzt wird es ernst. In der Woche nach Pfingsten hatte er mit Hannes Wolf, dem Quartiersmanager des Gerberviertelvereins, und dem Studenten Oliver Chudoba „umfirmiert“. Das Trio ist an diesem Morgen seit vier Uhr unterwegs. Wolf und Choduba fassen zum zweiten Mal Sprühkreide, als sich das Aktionsteam um 6 Uhr in der Sophienstraße im Hinterhof des Möbelhauses „Freiheit Smow“ mit Sprühwägelchen auf den Weg macht, mit Mehnert vorneweg. Dazu der oberste Datenschützer des Landes mit acht seiner Mitarbeiter. Los geht es am „Barber Shop Freiheit“, wo sich alle Linien bündeln. Kehrmaschinen, ein paar Zulieferer und die ganz schnellen Radler in der Tübinger Straße. Mehr ist noch nicht los. Trotzdem herrscht Anspannung: „In Weilheim, wo ich das ganz allein gemacht habe, gab es viel Stress“, sagt Mehnert, gibt sich aber zuversichtlich: „Stuttgart ist ja keine Kleinstadt!“ Als die Steinstraße mit grün gestrichelter Linie gequert ist, sind die Bauarbeiter alarmiert, die eben mit ihrer Arbeit beginnen: „Müssen wir da jetzt auch aufreißen?“ Als die Sache geklärt und Mehnert schon beim Standesamt angelangt ist, spurtet der Baggerführer Ciro Bovino herbei: „Hallo Künstler, warte!“ Ganz rechts solle man bleiben, denn links werde aufgegraben: „Sonst ist Farbe kaputt. Wäre schade!“
Auf dem Weg ins Büro ist Rose-Marie Escobar, 54, an der Haustür das bunte Band aufgefallen. Jetzt weiß sie, was es damit auf sich hat, und ist begeistert: „Wir sollten aufwachen. Es ist beängstigend, wie wir überwacht werden und wer das alles nutzt. George Orwells Überwachungsfantasie war Pillepalle im Vergleich zu dem, was mit den Smartphone-Junkies passiert.“ Martina Strifler sprüht den blauen Balken und nennt das bunte Band einen „gedanklichen Stolperstein“. Ihr Kollege Frank Stary nimmt es ganz genau mit Orange: „Der Datenschutz muss sitzen!“
Freiheit 2.0 soll zum Denken anstossen
„Wir hinterlassen dauernd unsichtbare Spuren, einen digitalen Fingerabdruck“, sagt die Juristin Sandra Westerfelder, die bei den Datenschützern „mit dem sehr sensiblen Thema“ Gesundheitsdaten befasst ist. Tele-Sprechstunden, Fitness-Tracker, Einkaufsverhalten. Alles ergebe verwertbare Nutzer-Profile. Für Mehnert steht viel auf dem Spiel: „Big Data zerstört das humanistische Leitbild des Grundgesetzes, mit dem wir vor 70 Jahren die Demokratie begründet haben.“ „Freiheit 2.0“ sei „keine politische Aktion“: „Das ist eine Kunstaktion, sie kann nur Denkanstöße geben.“
Der Kern des Konzeptes: Das Digitale ins Analoge zurück zu übersetzen und so im öffentlichen Raum unmittelbar sichtbar zu machen. Hier speziell: Die Bewegungsspuren, die Smartphone-Nutzer im Netz hinterlassen, in symbolischer Form mit Sprühkreide auf die Straßen gemalt. Deshalb zieht sich jetzt ein breites, buntes Band vom Gerberviertel bis zum Stadt-Palais an der Konrad-Adenauer-Straße, wo das Thema drei Wochen lang mit Vorträgen und Diskussionen vertieft wird. Ein weiterer Baustein von „Freiheit 2.0“ sind 27 Einzelhandelsgeschäfte im Gerber. Für drei Wochen haben sie umfirmiert: „Freiheit“ prangt jetzt an den Geschäftseingängen. In Großbuchstaben, unübersehbar. Von jedem Geschäft führt eine Farbspur zum Palais. Und per Tracking-App kann jedermann an „Freiheit 2.0“ Teil des Projektes werden.
Bauarbeiter gibt Tipps
Seit über einem halben Jahr arbeitet Mehnert an dem Projekt, und jetzt wird es ernst. In der Woche nach Pfingsten hatte er mit Hannes Wolf, dem Quartiersmanager des Gerberviertelvereins, und dem Studenten Oliver Chudoba „umfirmiert“. Das Trio ist an diesem Morgen seit vier Uhr unterwegs. Wolf und Choduba fassen zum zweiten Mal Sprühkreide, als sich das Aktionsteam um 6 Uhr in der Sophienstraße im Hinterhof des Möbelhauses „Freiheit Smow“ mit Sprühwägelchen auf den Weg macht, mit Mehnert vorneweg. Dazu der oberste Datenschützer des Landes mit acht seiner Mitarbeiter. Los geht es am „Barber Shop Freiheit“, wo sich alle Linien bündeln. Kehrmaschinen, ein paar Zulieferer und die ganz schnellen Radler in der Tübinger Straße. Mehr ist noch nicht los. Trotzdem herrscht Anspannung: „In Weilheim, wo ich das ganz allein gemacht habe, gab es viel Stress“, sagt Mehnert, gibt sich aber zuversichtlich: „Stuttgart ist ja keine Kleinstadt!“ Als die Steinstraße mit grün gestrichelter Linie gequert ist, sind die Bauarbeiter alarmiert, die eben mit ihrer Arbeit beginnen: „Müssen wir da jetzt auch aufreißen?“ Als die Sache geklärt und Mehnert schon beim Standesamt angelangt ist, spurtet der Baggerführer Ciro Bovino herbei: „Hallo Künstler, warte!“ Ganz rechts solle man bleiben, denn links werde aufgegraben: „Sonst ist Farbe kaputt. Wäre schade!“
Auf dem Weg ins Büro ist Rose-Marie Escobar, 54, an der Haustür das bunte Band aufgefallen. Jetzt weiß sie, was es damit auf sich hat, und ist begeistert: „Wir sollten aufwachen. Es ist beängstigend, wie wir überwacht werden und wer das alles nutzt. George Orwells Überwachungsfantasie war Pillepalle im Vergleich zu dem, was mit den Smartphone-Junkies passiert.“ Martina Strifler sprüht den blauen Balken und nennt das bunte Band einen „gedanklichen Stolperstein“. Ihr Kollege Frank Stary nimmt es ganz genau mit Orange: „Der Datenschutz muss sitzen!“
Freiheit 2.0 soll zum Denken anstossen
„Wir hinterlassen dauernd unsichtbare Spuren, einen digitalen Fingerabdruck“, sagt die Juristin Sandra Westerfelder, die bei den Datenschützern „mit dem sehr sensiblen Thema“ Gesundheitsdaten befasst ist. Tele-Sprechstunden, Fitness-Tracker, Einkaufsverhalten. Alles ergebe verwertbare Nutzer-Profile. Für Mehnert steht viel auf dem Spiel: „Big Data zerstört das humanistische Leitbild des Grundgesetzes, mit dem wir vor 70 Jahren die Demokratie begründet haben.“ „Freiheit 2.0“ sei „keine politische Aktion“: „Das ist eine Kunstaktion, sie kann nur Denkanstöße geben.“