„Highgrove Spritz“ gefällig oder „Charlie’s Champagne Cocktail“? Die Royalisten fiebern dem Krönungs-Wochenende entgegen im Vereinigten Königreich. Nur der Erzbischof von Canterbury hat für etwas Verwirrung gesorgt.
Die wichtigste Frage in Großbritannien ist gegenwärtig nicht, ob die öffentlichen Dienste des Landes kurz vorm Kollaps stehen – und ob sich diese Entwicklung noch aufhalten lässt in nächster Zeit. Die wichtigste Frage ist: Wird Kate, die Prinzessin von Wales, am Samstag mit einer Tiara auf dem Kopf anrücken? Oder trägt sie stattdessen ein Blumengewinde im Haar?
Und soll man mit einem „Highgrove Spritz“ auf die Krönung Charles III. anstoßen, oder lieber mit „Charlie’s Champagne Cocktail“? Für Royalisten ergeben sich hier echte Dilemmas. Falls Kate sich zum Beispiel wirklich für einen Blumenkranz entscheidet, riskiert sie, „in die offizielle königliche Zeremonie eine Hippie-Note einzuführen“, hat Londons „Times“, die alte Stimme des britischen Establishment, dieser Tage eindringlich gewarnt.
Wer die Royals liebt, im Vereinigten Königreich, fiebert den Krönungs-Feierlichkeiten am Wochenende entgegen. „Die größte Show auf Erden“ hat ein weiteres königstreues Blatt die Ereignisse erwartungsvoll genannt.
Weniger gern nehmen die Feierlustigen zur Kenntnis, dass die meisten Meinungsumfragen im Land ein deutlich nachlassendes Interesse an der Monarchie signalisieren. Bei den Gemeindeverwaltungen sind jetzt nicht einmal mehr halb so viele Straßenfeste angemeldet worden, wie noch zum Platinum-Jubiläum Elizabeths II. im Juni vergangenen Jahres. Dafür wird gern das bisher lausige Wetter verantwortlich gemacht.
Jeder kann sich Charles lebensgroß in die Wohnung stellen.
Die feiern wollen, oder die bereits als Touristen angereist sind, wollen sich jedenfalls die Freude an der „größten Show“ nicht nehmen lassen. Von Fahnen und Girlanden bis hin zu den üblichen „Tea-Towels“, T-Shirts und Teetassen findet alles reißenden Absatz, was weiß, rot und blau ist oder ein Krönchen vorweisen kann. Die Memorabilien-Industrie hat Tag und Nacht gearbeitet in den vergangenen Wochen, um den erwarteten Bedarf zu decken.
Allein drei Millionen Tassen, Becher und Gedenkteller sollen produziert worden sein mit „Coronation“-Motiven. Die Zahl entsprechender Keksdosen liegt offenbar noch höher als das. 20 Millionen Pfund sollen bereits ausgegeben worden sein für Party-Schmuck und entsprechende Dekorationen. Wer will, kann sich eine lebensgroße Pappfigur von Charles in die Wohnung oder in den Garten stellen. Sie kostet nur 36.99 Pfund (rund 42 Euro).
Auf über eine Milliarde Pfund zusätzlicher Einnahmen hoffen Gastgewerbe, Industrie, Kleinhändler – und Steuerämter. Auch Geschäfte, die gar nichts Besonderes anzubieten haben, haben sich mit bunten Schaufenstern zu Gratulanten stilisiert und bieten ihre Ware zu Sonderpreisen an, die „eines Königs würdig“ sind, also „fit for a king“.
Einige Restaurants und Reiseveranstalter, die auf andere Weise von sich reden machen wollen, offerieren Spezialangebote für Kunden, die (nachweislich) Charles oder Camilla heißen. Auch Charlie, Charli, Charl, Kamilla oder Cammie werden akzeptiert.
Etwas rundum Süsses hat sich die Konfektions-Firma „Celebrations“ einfallen lassen. Sie hat in vierwöchiger Arbeit eine 23 Kilogramm schwere Schokoladen-Büste Charles III. geschaffen, in die 2875 Schokoladentäfelchen eingeschmolzen worden sind.
24 Kinderbuch-Autoren, Illustratoren und Künstler haben außerdem zur Feier des Tages ein modisches Sammelsurium „königlicher Unterhosen“ entworfen, die ihre Helden (wie zum Beispiel der Grüffelo) tragen könnten, die aber auch „fit for a king“ wären. Die Aktion soll hungernden britschen Kindern und Erdbeben-Opfern in der Türkei und Syrien zugute kommen.
Nicht mehr retten kann man sich jedenfalls vor einer Informationsflut, die die großen Zeitungsverlage schon jetzt mit mehrseitigem täglichem Angebot und mit Extra-Beilagen nähren. Endlose Kochrezepte werden empfohlen, für Straßenparties, die dem fürs Wochenende prophezeiten Regen trotzen wollen, britisch-ungerührt.
Wo 1953 noch „Krönungs-Hühnchen“ (poulet reine) das offizielle Gericht zum Festtag war, wird man diesmal „Krönungs-Quiche“ finden überall im Lande. Quiche sei praktisch, weil man sie gut gemeinsam verzehren und sie warm oder kalt servieren könne, hat man bei Hofe erklärt.
Tröpfchenweise, um es spannend zu halten, ist die Öffentlichkeit derweil gefüttert worden mit Details zur Krönungsfeier selbst an diesem Samstag. Die Westminster Abbey, in der die Krönung stattfindet, ist ja schon vor Tagen geschlossen worden, weil dort alles vorbereitet werden muss.
Inzwischen weiß man, dass im Altarbereich sechs historische Sitzgelegenheiten bereit stehen, in denen das zu krönende Paar im Laufe der zweistündigen Veranstaltung Platz nehmen soll für den jeweiligen Akt des Dramas. Das erste sind die „Staatssessel“. Dann kommen die „Krönungssessel“. Dann die „Thronsessel“, also der eigentliche Thron.
Von allerlei Dingen, die bei der Krönungsfeier eine Rolle spielen sollen, hat man erfahren. Zum Beispiel, dass der Papst Charles zwei Holzsplitter hat zukommen lassen, die vom Kreuz Jesu stammen sollen. Oder dass Schottlands „stone of destiny“ nach London geschafft wurde und nun ausliegt in der Abtei.
Trennwand für Charles
Auch dass bei der Feier erstmals die verschiedenen Sprachen des Vereinigten Königreichs und die großen Religionen der Insel berücksichtigt werden sollen. Und welche zentrale Rolle William, als erster Lehnsmann seines Vaters, spielen wird bei der Krönung – während sein Bruder Harry ohne Aufgabe im Publikum sitzt.
Bereit gestellt ist mittlerweile auch die kunstvolle Trennwand, die Charles vom Blick der Öffentlichkeit abschirmen soll, wenn´s an den „heiligen Augenblick“ der Salbung durch Justin Welby, den Erzbischof von Canterbury, geht. Welby hat ja in den letzten Tagen einige Aufregung verursacht mit seiner Aufforderung an die britische Bevölkerung, überall im Land – und sei es auf dem Sofa daheim, vorm Fernseher – lauthals in den Treueschwur einzustimmen, mit dem man Charles III. und seinen Erben in Westminster Abbey Gefolgschaft geloben will.
Die Idee war es wohl, diesen früher nur vom Adel geleisteten Schwur zu einem demokratischeren „Chor von Millionen Stimmen“ auszuweiten, um zu einer „peoples coronation“, einer Krönung durchs ganze Volk, zu gelangen. Aber mit dem demokratischen Aspekt haben viele Briten Schwierigkeiten – und haben das auch schon gesagt.
„In einer Demokratie sollte das Staatsoberhaupt umgekehrt uns, der Bevölkerung, Treue geloben“, murren die im Verband „Republic“ zusammen geschlossenen Anti-Monarchisten. Auch viele, die aus eher pragmatischen Gründen für die Monarchie sind, halten den Appell für kontraproduktiv und, im Jahr 2023, für reichlich seltsam. Das Ganze rührt an einen empfindlichen Punkt der ganzen Veranstaltung: Dass sich das Königtum noch immer als gottgewollte, als geradezu heilige Institution begreift.
Sogar die Republikanerpartei Sinn Féin ist mit dabei
Wenig Probleme mit der Unterordnungs- und Schwur-Frage wird unterdessen Nordirlands designierte Regierungschefin Michelle O´Neill, von der Republikanerpartei Sinn Féin, haben, die nicht nur eingeladen wurde zur Krönungsfeier, sondern die Einladung auch angenommen hat.
„Aus Respekt“ für all die ihrer Mitbürger, denen die Monarchie viel bedeute, nehme sie an der Zeremonie in der Westminster Abbey teil, hat O´Neill erklärt. Welches ihre eigenen politischen Ziele seien, wisse ja jeder. Am Einschwören des Königs wird sie sich so natürlich nicht beteiligen. Aber auch Sinn Féin habe begriffen, „dass sich die Zeiten geändert haben“. Noch vor zwanzig Jahren wäre es völlig undenkbar gewesen, dass Irlands Republikaner einem britischen Monarchen oder einer Monarchin Respekt zollen würden, noch dazu bei einer solchen Gelegenheit.
Etwas unglücklich ist man bei Hofe darüber, dass sich fürs große Krönungs-Konzert am Sonntagabend in Windsor Castle keine besonders großen Namen haben gewinnen lassen. Weder Adele noch Ed Sheeran, weder Elton John noch Shirley Bassey oder Rod Stewart ist dabei. Am klassischen Teil wird zumindest der prominente Bass-Bariton Bryn Terfel teilnehmen. Aber dass dieses Konzert demonstrieren soll, dass „ein neues Kapitel in der Geschichte der Nation“ eingeleitet wird mit der Krönung von Charles III., nimmt sich etwas übertrieben aus.
Ansonsten wartet „die Nation“ mit Spannung darauf, ob des dem armen Harry erlaubt wird, nach der Krönungsfeier beim Rest der Familie auf dem Balkon des Buckingham-Palastes zu stehen. Und natürlich, ob sich Kate wirklich Blumen ins Haar steckt an diesem Tag – oder ob sie doch lieber in der Tiara erscheint.